Steigerung der digitalen Kompetenz
Müssen Beamte programmieren können?
Nein, müssen sie nicht. Natürlich schadet es angesichts des Fachkräftemangels nicht, wenn mehr Verwaltungspersonal programmieren kann. Dennoch sind solche pauschalen Forderungen Unsinn. Aber die Kollegen müssen in den Grundzügen verstehen, wie digitale Prozesse funktionieren, um ihre eigene Arbeit dahingehend zu optimieren.
Das geht mit den Verantwortlichen in den Gesetzgebungsprozessen los. Wer im Gesetz einen eigenhändig unterzeichneten Antrag oder ein persönliches Erscheinen im Amt festschreibt, sorgt ziemlich sicher dafür, dass man keinen Online-Service realisieren kann. Ich sehe gerade hier erheblichen Aufholbedarf, was digitale Kompetenz angeht.
Die verschiedenen Fachabteilungen müssen im Geschäftsprozessmanagement geschult werden. Das ist notwendiges Wissen, damit die vorhandenen, etablierten Prozesse in Bezug auf ihre Digitalisierungsfähigkeiten in Frage gestellt werden können. Es braucht aber weiteres Know-how: Das Personalmanagement muss verstehen, wie eine Suchmaschine funktioniert, um Stellenausschreibung optimal platzieren zu können. Und auch der Nutzen, die Funktionsweise aber auch die Gefahren von Künstlicher Intelligenz oder Blockchain müssen alle Verwaltungsbereiche kennen, damit diese effektiv in der Digitalisierung des öffentlichen Sektors Eingang finden. Datenschutz ist ebenfalls ein Feld, das viel stärker vermittelt werden muss – schon deshalb, da dieser nicht mehr pauschal als Argument, warum etwas nicht gehen soll, herhalten kann.
Auch die IT-Abteilung braucht digitale Kompetenzen
Zunächst einmal klingt es komisch, dass ich Know-How zur Digitalisierung bei den Kollegen der IT fordere. Schaut man sich aber viele Online-Services, Webseiten und digitalen Formulare an, ist das besser nachvollziehbar. Denn mobile Darstellung, Lesbarkeit und Usability der meisten digitalen Angebote sind weit weg von optimal und in keiner Weise auf Höhe der Zeit. Auch ist es kein Wunder, dass viele Online-Dienste schlicht unbekannt sind und daher kaum genutzt werden.
In den IT-Abteilungen mangelt es noch zu oft an Expertise bezüglich Kundenorientierung, (Web)Design, Kommunikation und Marketing. Die Kunden der Verwaltung müssen viel stärker in das Zentrum der Überlegungen gestellt werden. Denn die sollen ja schließlich mit der Behörde digitale kommunizieren und die Anträge online stellen. Manchmal hat man den Eindruck, dass die Verwaltung die Services nur anbietet, weil es das Onlinezugangsgesetz fordert.
Eine Frage der Perspektive
Dieser Perspektivenwechsel stellt dann auch die digitalen Kompetenzen der Bürger als Kunden in Fokus. Ich halte es für ein Fehler, pauschal anzunehmen, dass Menschen nur aufgrund ihres hohen Alters hier besondere Bedarfe haben. Schaut man auf den Einsatz von Smartphones, E-Book-Reader, Smartwatches, E-Bikes oder Messangerdienste, dann erlebt man, dass ältere Personen sehr schnell mit neuer Technik gut klarkommen – wenn sie diese regelmäßig nutzen.
Gerade da liegt das Problem: Die Menschen haben, wenn überhaupt, in aller Regel nur wenige Male im Jahr Kontakt zu einer Behörde. Umso wichtiger ist es, dass die digitalen Angebote der Verwaltung an aktuellen Standards ausgerichtet und vor allem, dass sie gleich aufgebaut und optisch identisch sind. So findet man sich auch nach Monaten immer wieder schnell zurecht. Dazu müssen Silos zwischen den Fachabteilungen und Behörden aufgebrochen werden. Schön wäre ein deutschlandweiter Standard.
Digitales Know-How für Non-IT
Dennoch bedarf es Angebote und Hilfen für die Menschen. Entsprechende Kurse, mehrsprachige und barrierefreie Tutorial-Videos aber auch Video-Chats, in denen Mitarbeiter der Behörde beim Ausfüllen der Anträge helfen, sind notwendig. Letzteres auch wieder analog, wenn es die Situation zulässt.
Was dabei gerne vergessen wird, ist die Erklärung der vielen Fachbegriffe: KI, AI, IoT, Blockchain, GPAM und viele weitere aus dem Behördendeutsch. Selbst die Medien werfen damit inflationär um sich. Ich erlebe, dass die Menschen für eine Erklärung, die kein IT-Wissen vorrausetzt, dankbar sind.
Alle mitnehmen zu wollen, ist ein Irrweg
Vor knapp 20 Jahren habe ich mein Pädagogikstudium beendet. Hängen geblieben ist unter anderem, dass das beste Bildungsangebot nichts nutzt, wenn der Lernende schlich nicht lernen will. Ich erkläre daher mein vollkommendes Unverständnis für Pflicht-Fortbildungen in unseren Organisationen, um Digital-Kompetenz zu fördern. Das hat schon etwas vom Nürnberger Trichter.
Eng damit verbunden ist der in der digitalen Transformationen gern gebraucht Satz „Wir wollen alle mitnehmen“. Besonders erschütternd, dass selbst Veränderungsmanager solche Aussagen treffen, denn diese sollten es eigentlich besser wissen: Es wird immer diesen Anteil von bis zu 15 Prozent der Mitarbeiter geben, die sich einer Veränderung grundsätzlich verweigern.
Diese doch noch umzustimmen, kostet massive Aufwände und vor allem Zeit. Ein Grund, warum es mit der Digitalisierung nicht voran geht. Geld und Kapazitäten sind in den Angeboten für die gut 70 Prozent der mittleren Normalverteilung gemeinsam mit den Willigen deutlich besser aufgehoben. Die anderen werden dann „müssen“, um den Anschluss nicht zu verlieren.
Veränderungsbereitschaft als wichtigste digitale Kompetenz
Zwei Dinge werden deutlich: Digitale Kompetenz muss inhaltlich auf den Ebenen Verwaltung, IT und Kunden gedacht werden. Grundlage für alle ist zudem die Veränderungsbereitschaft der Menschen.
Durch gute Kommunikation muss intern und extern Lust auf die Digitalisierung gemacht werden. Es gilt, Ängste zu nehmen. Zum Beispiel davor, dass die Digitalisierung den eigenen Job „wegnimmt“. Das wird passieren und daher braucht es glaubhafte Alternativen. Oder davor, Fehler zu machen. Den aus Fehlern lernt man nun mal am besten. Hier muss sich die Kultur in den Behörden und Verwaltungen massiv ändern.
Letzter Aspekt sind die Bildungsformate. Hier braucht es mehr Vielfalt für alle Lerntypen. Neben den klassischen, oft ganztägigen Schulungen bieten kurze Bildungshäppchen, Tutorials, Videos oder Gamificationansätze, in denen die Abteilung gewinnt, die das Serios Game am besten absolviert, Individualität und Spaß. Aber auch der Kollege, der durch die Büros läuft (oder virtuell am Desktop „aufploppt“), Hilfe anbietet oder Kniffe zeigt, ist eine gute Möglichkeit, digitale Kompetenzen zu vermitteln.
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