rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauplanungs-, Bauordnungs- und Städtebauförderungsrecht. Baueinstellung. Nutzungsunterbrechung. Nutzungsänderung. Genehmigungspflicht. Anhaltspunkte. Ermessen. Wirksamkeit. Baugenehmigung. Baurechts. Beschwerde nach §§ 80, 80a VwGO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Wiederaufnahme einer Nutzung bedarf nur dann einer neuen Genehmigung, wenn die für die frühere Nutzung erteilte Baugenehmigung nicht mehr wirksam ist. Die Frage der Wirksamkeit beantwortet sich – auch dem Rechtsgedanken nach – nicht nach § 72 ThürBO, sondern nach § 43 Abs. 2 ThürVwVfG. Eine Erledigung der Baugenehmigung „auf andere Weise” im Sinne dieser Vorschrift, die zu ihrer Unwirksamkeit führt, liegt regelmäßig nicht bereits dann vor, wenn die genehmigte Nutzung für einen längeren Zeitraum unterbrochen wurde.

2. Eine Baueinstellung für Bauarbeiten, die zwar an sich nicht genehmigungspflichtig sind, aber der Vorbereitung einer bestimmten genehmigungspflichtigen Nutzung bzw. Nutzungsänderung dienen, kann nach § 76 Abs. 1 ThürBO jedenfalls dann nicht angeordnet werden, wenn durch die Bauarbeiten die genehmigte Nutzung nicht ausgeschlossen wird.

3. Eine Baueinstellung, die auf das Fehlen einer erforderlichen Genehmigung für Bauarbeiten gestützt wird, setzt grundsätzlich voraus, daß die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit geklärt ist. Kann diese Klärung nicht ohne weiteres herbeigeführt werden, genügt für die Verhängung eines Baustopps ausnahmsweise das Vorliegen objektiv konkreter Anhaltspunkte, die es als wahrscheinlich erscheinen lassen, daß ein formell baurechtswidriger Zustand geschaffen wird. Entschließt sich die Behörde in diesen Fällen zum sofortigen Erlaß einer Baueinstellungsverfügung, hat sie die Baueinstellung unter Kontrolle zu halten und – sofern Anhaltspunkte bestehen, die auf eine Veränderung der Sach- oder Rechtslage hindeuten – zu prüfen, ob ihre Verfügung aufrechterhalten werden kann. Solche Anhaltspunkte bestehen insbesondere dann, wenn der Bauherr einen Bauantrag gestellt und Unterlagen eingereicht hat, die eine Überprüfung des Baustopps ermöglichen.

4. Zum Streitwert bei einer Baueinstellung.

 

Normenkette

ThürBO § 76 Abs. 1, § 72; ThürVwVfG § 43 Abs. 2; GKG § 13 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

VG Weimar (Beschluss vom 16.11.1998; Aktenzeichen 1 E 1484/98)

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine mit Sofortvollzug versehene Baueinstellungsverfügung der Antragsgegnerin. Er ist Eigentümer des mit einem mehrgeschossigen, im letzten Jahrhundert errichteten Gebäude bebauten Grundstücks G. in G. (Flurstück a, Flur 6 der Gemarkung Gotha). Das Gebäude wurde vor 1990 – zumindest zeitweilig – zu Wohnzwecken genutzt. Bis November 1990 war in seinem Erdgeschoß ein zahntechnisches Labor untergebracht, das Ober- und Dachgeschoß wurde bis 1993 durch ein Steuerberaterbüro genutzt. Danach stand das Gebäude leer.

Die Antragsgegnerin erlangte aufgrund einer Anzeige vom 27. Januar 1998 Kenntnis davon, daß an dem Gebäude des Antragstellers Bauarbeiten durchgeführt wurden. Mit Schreiben vom 29. Januar 1998 teilte sie dem Antragsteller mit, daß ihr keine Unterlagen über die genehmigungspflichtigen Arbeiten vorlägen, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 13. Februar 1998.

Mit Bescheid vom 17. Februar 1998 verfügte die Antragsgegnerin unter Anordnung des Sofortvollzuges die sofortige Einstellung weiterer Bauarbeiten an dem Haus G. in G. und gab dem Antragsteller auf, bis spätestens 19. März 1998 einen Bauantrag einzureichen. Für den Fall der Nichtbefolgung beider Anordnungen drohte sie dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,– DM an. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im wesentlichen aus, die „Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung, der Abbruch oder die Beseitigung” baulicher Anlagen sei nach § 62 ThürBO genehmigungspflichtig. Eine Genehmigungsfreiheit sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Da der Antragsteller nicht über die erforderliche Baugenehmigung verfüge und entgegen § 70 Abs. 6 ThürBO mit dem Umbau und der Sanierung seines Gebäudes begonnen habe, könne gemäß § 76 Abs. 1 Nr. 1 Thür-BO die Einstellung der Bauarbeiten angeordnet werden. Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 4 ThürBO könne verlangt werden, daß ein Bauantrag gestellt werde. Des weiteren benötige der Antragsteller für sein Vorhaben eine sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 BauGB. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei geboten, denn es liege im besonderen öffentlichen Interesse, ungenehmigte Bauarbeiten zu unterbinden, um die Entstehung und Verfestigung rechtswidriger Zustände zu verhindern.

Am 24. Februar 1998 beantragte der Antragsteller für die Sanierung seines Gebäudes eine Baugenehmigung, die er mit Schreiben vom 10. März 1998 zurücknahm. Unter dem 26. März 1998 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, seiner Bitte, die Baugenehmigungsfreiheit für die Baumaßnahmen zu bestätigen, könne nicht entsprochen werden. Er benötige für die beabsichtigte Nutzung seines Gebäudes eine Baugenehmigung, da die bisher...

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