Staatsfinanzen erholen sich langsam
Finanzminister Olaf Scholz (SPD) beurteilt die 160. Steuerschätzung am 12. Mai 2021 zusammenfassend positiv. „Wir haben eine Brücke gebaut über eine beispiellose Krise. Und jetzt sind wir in einer guten Position, um wieder durchstarten zu können“. Finanziell sei Deutschland wieder «auf Kurs». Doch «auf Kurs» heißt nicht, dass das Ziel schon erreicht ist - auch das wird klar, wenn man auf die am Mittwoch vorgestellten Zahlen der Steuerschätzer blickt. Die Corona-Krise hat ein gewaltiges Loch in die Staatskassen gerissen. Erst im Jahr 2023 wird der Bund wohl wieder so viele Steuern einnehmen wie vor der Krise im Jahr 2019. In diesem und auch im kommenden Jahr müssen Bund, Länder und Kommunen mit 6,6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen auskommen, als sie noch im November eingeplant haben.
Schuldenquote niedriger als vor 10 Jahren
Scholz zeigt sich trotzdem gewohnt optimistisch: «Deutschland steht wirklich gut da.» Die Schuldenquote sei die niedrigste aller G7-Staaten - und deutlich unter dem Niveau der Finanzkrise vor rund zehn Jahren. «Wir gehen sorgsam mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler um», beteuert der SPD-Kanzlerkandidat. «Das ist mir persönlich sehr, sehr wichtig.» Jetzt könne man wieder durchstarten.
Steuerliche Auswirkungen der Hilfsprogramme
Doch es besteht die Gefahr, dass dieser Start erstmal nur mit angezogener Handbremse passieren kann. Grund für die niedriger als im November prognostizierten Steuereinnahmen ist die damals noch nicht eingepreiste, jetzt langsam abflauende dritte Corona-Welle mit Ladenschließungen und Konsumzurückhaltung bei den Verbrauchern. Dazu kommen die massiven Hilfsprogramme der Regierung, die sich auch steuerlich auswirken: etwa der ermäßigte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie, veränderte Abschreibungsregeln und neue Regeln für das Verrechnen von Unternehmensverlusten. Scholz nennt auch mehr Kindergeld, den Kinderbonus von 150 Euro pro Kind und einen höheren steuerlichen Grundfreibetrag. Allein in diesem Jahr verzichtet der Staat laut Finanzministeriums mit den steuerlichen Hilfsmaßnahmen auf Einnahmen von 14 Milliarden Euro, bis 2025 sogar auf 83 Milliarden.
Steuereinnahmen steigen voraussichtlich um 4,6 Prozent
Die Steuerschätzer gehen jedoch davon aus, dass Bund, Länder und Kommunen in diesem Jahr zusammen wieder mehr einnehmen werden als im Krisenjahr 2020. Am Ende könnte ein Plus von rund 33,8 Milliarden Euro oder 4,6 Prozent stehen. Für die Zeit bis 2025 sind die Experten dann deutlich positiver gestimmt: In den fünf Jahren sollen 10 Milliarden Euro mehr in die Kassen kommen als im November errechnet.
Verlängerung der Wirtschaftshilfen geplant
Grund für den Optimismus gibt vor allem die Wirtschaft. Dieses Jahr werde die Trendwende geschafft, kündigte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kürzlich an. Vor allem in der exportstarken Industrie läuft es gut, weil die Nachfrage aus Asien und den USA bereits kräftig anzieht. Zudem dürfte hierzulande schnell wieder mehr konsumiert werden, sobald Lockdowns aufgehoben werden. Trotzdem will Scholz die Wirtschaftshilfen nochmals verlängern und den Unternehmen eine «klare Aussage bis Jahresende» zu machen. Milliardenschwere Hilfen für die Wirtschaft sind der Hauptgrund, warum der Finanzminister in diesem und im kommenden Jahr für den Bund noch einmal hohe Schulden aufnehmen will. Gerade haben Bundestag und Bundesrat ihm für 2020 Rekordkredite von 240,2 Milliarden Euro erlaubt. 2021 sollen es dann 81,5 Milliarden sein. Erneut müsste der Bundestag dafür die Schuldenbremse im Grundgesetz außer Kraft setzen.
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