Arbeitsbefreiung und Verdienstausfallentschädigung wegen Kinderbetreuung
TVöD-Beschäftigte mit Kindern stehen aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Corona-Pandemie weiterhin vor Herausforderungen. Schulen und Kitas sind in einigen Bundesländern noch geschlossen bzw. könnten bei der Überschreitung eines Inzidenzwerts von 200 wieder schließen. Den Beschäftigten bleibt dann oftmals keine andere Möglichkeit, als ihre Kinder selbst zu Hause zu betreuen.
Entschädigungsanspruch aus dem Infektionsschutzgesetz
Sofern der Deutsche Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine epidemische Lage von nationaler Tragweite festgestellt hat, besteht nach § 56 Abs. 1a IfSG für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Fällen der Schließung von Einrichtungen zur Betreuung von Kindern ein Anspruch auf Entschädigung i. H. v. 67 Prozent des entstandenen Verdienstausfalls für nunmehr längstens 10 Wochen pro erwerbstätigen Sorgeberechtigten.
Nach dem neuen § 56 Abs. 2 Satz 5 IfSG besteht der Anspruch auf Entschädigung pro erwerbstätige Person für die Dauer der vom Deutschen Bundestag nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite pro Jahr.
Laut der Gesetzesbegründung beginnt der Jahreszeitraum mit der erstmaligen Feststellung des Deutschen Bundestages nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IfSG zum 28. März 2020. Dies gilt auch dann, wenn das Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite festgestellt wird. Damit entsteht der Anspruch auf Entschädigung in Höhe der nachfolgenden Berechnung mit Beginn des 28. März 2021 neu. Eine Übertragungsmöglichkeit von Tagen aus dem alten Gewährungszeitraum besteht nicht.
Der Deutsche Bundestag hat zuletzt am 4.3.2021 das (Fort-)Bestehen einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 IfSG festgestellt. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite gilt dann als aufgehoben, wenn der Deutsche Bundestag nicht spätestens 3 Monate nach deren Feststellung bzw. der Feststellung ihres Fortbestehens das weitere Fortbestehen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite feststellt. Sollte also bis Juni 2021 kein neuerlicher Beschluss zur Fortsetzung gefasst werden, laufen die Regelungen aus.
Arbeitsbefreiung wegen Kinderbetreuung nach dem TVöD Bund
Das Bundesinnenministerium hat zuletzt mit seinem Rundschreiben vom 30. März 2021 die Arbeitsbefreiung zur notwendigen Kinderbetreuung bei Schließung von Betreuungseinrichtungen geregelt. Für Tarifbeschäftigte wird der durch Arbeitgeber zu leistende Entschädigungsanspruch für Verdienstausfälle nach § 56 Abs. 1a IfSG mit der nachstehenden Regelung erfüllt.
Voraussetzungen für Arbeitsbefreiungen im Bereich des Bundes
Nach dem Rundschreiben des Bundes kann Tarifbeschäftigten zum Zweck der Kinderbetreuung ab dem 1. April 2021 eine Arbeitsbefreiung von bis zu 34 Arbeitstagen (bei einer 5-Tage-Woche) unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TVöD gewährt werden. Die Voraussetzungen sind:
Von der zuständigen Behörde werden in Reaktion auf die Ausbreitung von „COVID-19“
- Gemeinschaftseinrichtungen (wie Kindertagesstätten, Tagesgroßpflegestellen, Eltern-Kind-Initiativen o. ä.), Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, Horte oder Schulen geschlossen oder
- deren Betreten, auch aufgrund einer Absonderung, untersagt oder
- aus Gründen des Infektionsschutzes Schul- oder Betriebsferien angeordnet oder verlängert, oder
- die Präsenzpflicht in einer Schule aufgehoben oder
- der Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen eingeschränkt
Weitere Voraussetzungen:
- Die Schließung der vorgenannten Einrichtungen erfolgt nicht ohnehin wegen der Schul- oder Betriebsferien bzw. innerhalb der geplanten Schließzeiten.
- Die zu betreuenden Kinder sind unter 12 Jahre alt oder sie sind behindert und auf Hilfe angewiesen.
- Eine alternative Betreuung des Kindes bzw. der Kinder kann ansonsten nicht sichergestellt werden.
In besonderen Härtefällen, z. B. bei Alleinerziehenden, kann ausnahmsweise die Grenze von 34 Arbeitstagen (bei einer 5-Tage-Woche) hinaus eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts nach § 21 TVöD gewährt werden.
Wichtige Rahmenbedingungen
Der Anspruch besteht im Gewährungszeitraum ab dem 1. April 2021 unabhängig davon, ob der Dienst im Homeoffice erbracht wird bzw. erbracht werden könnte.
Positive Arbeitszeitsalden (Mehrarbeit-, Überstunden und Gleitzeitguthaben) sind vorrangig abzubauen.
Die Arbeitsbefreiung muss nicht zusammenhängend genommen werden.
Es ist möglich, einzelne Tage in Anspruch zu nehmen. Es können auch halbe Arbeitsbefreiungstage gewährt werden. Ein halber Arbeitsbefreiungstag entspricht der Hälfte der für den jeweiligen Arbeitstag festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit.
Sofern die wöchentliche regelmäßige Arbeitszeit anders als auf 5 Arbeitstage verteilt ist, erhöht oder vermindert sich der Anteil entsprechend.
Ansprüche auf Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V und entsprechende Anwendung
Der Gesetzgeber hat zeitlich begrenzt auf das Kalenderjahr 2021 den Leistungszeitraum für das Kinderkrankengeld ausgedehnt. Mit § 45 Abs. 2a SGB V wurde dazu rückwirkend zum 5.1.2021 der Anspruch auf Kinderkrankengeld nach Absatz 1 abweichend von Absatz 2 für das Kalenderjahr 2021 erweitert.
Nach § 45 Abs. 2a Satz 1 SGB V besteht für das Kalenderjahr 2021 für jedes Kind längstens für 20 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte längstens für 40 Arbeitstage ein Anspruch auf Kinderkrankengeld. Der Anspruch besteht für Versicherte nach § 45 Abs. 2a Satz 2 SGB V für nicht mehr als 45 Arbeitstage, für alleinerziehende Versicherte für nicht mehr als 90 Arbeitstage.
Durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (4. Bevölkerungsschutzgesetz) vom 22.4.2021 wurde eine weitere Ausweitung und Verlängerung der Kinderkrankentage eingeführt. Im Jahr 2021 besteht damit ein Anspruch auf Kinderkrankengeld je Elternteil für jedes Kind für bis zu 30 Arbeitstage und für Alleinerziehende für bis zu 60 Arbeitstage. Jedes Elternteil hat also Anspruch auf 30 Kinderkrankentage (bisher: 20), Alleinerziehenden werden 60 Tage (bisher: 40) im Jahr gewährt.
Verhältnis von Ansprüchen auf Kinderkrankengeld zu Ansprüchen nach dem IfSG
Für die Zeit des Bezugs von Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V ruht für beide Elternteile der Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG, so dass für denselben Zeitraum zusätzlich zum Bezug von Kinderkrankengeld weder für das dem Kinderkrankengeldbezug zugrundeliegende Kind noch für ein anderes betreuungsbedürftiges Kind eine Entschädigungsleistung nach § 56 Abs. 1a IfSG beansprucht werden kann. Da in § 45 Abs. 2b SGB V explizit kein Vorrangverhältnis, sondern nur ein Ausschlussverhältnis zwischen den beiden gesetzlichen Anspruchsgrundlagen geregelt wurde, bleibt es laut dem Rundschreiben den Beschäftigten überlassen, welchen Anspruch sie wählen - sofern sie grundsätzlich einen Anspruch auf Kinderkrankengeld haben.
Für Tarifbeschäftigte, die als Versicherte Anspruch auf Krankengeld haben und deren Kinder gesetzlich krankenversichert sind (z. B. Familienversicherung gem. § 10 SGB V), gilt der Anspruch nach § 45 SGB V originär. Danach gewährt § 45 SGB V Versicherten für im Haushalt lebende, unterhaltsberechtigte Kinder unter 12 Jahren oder Kinder, die behindert und auf Hilfe angewiesen sind, einen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber. Während dieser Zeit greift § 45 SGB V unmittelbar und der Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber entfällt. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt dann Kinderkrankengeld. Das gesetzliche Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V für die Beaufsichtigung, Betreuung oder Pflege eines erkrankten Kindes ist subsidiär gestaltet und entfällt, soweit aus gleichem Grund Anspruch auf bezahlte Freistellung gegenüber dem Arbeitgeber besteht.
Regelung für Beschäftigte ohne Anspruch auf Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V
Der tarifliche Anspruch gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb TVöD auf bezahlte Freistellung greift nur für Tarifbeschäftigte, die im laufenden Kalenderjahr keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld nach § 45 SGB V haben oder hatten. Für diese Beschäftigten besteht gem. § 45 Abs. 5 SGB V im gleichen Umfang lediglich ein Anspruch auf unbezahlte Freistellung, der neben den tariflichen Anspruch auf bezahlte Freistellung tritt.
Soweit der Arbeitgeber bezahlte Arbeitsbefreiung nach den tariflichen Vorschriften gewährt, erfolgt - bei weiterem Freistellungsbedarf - allerdings eine Anrechnung auf die in § 45 SGB V geregelte Höchstdauer der Freistellung. Das Bundesinnenministerium hat sich im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen im Rahmen einer übertariflichen Regelung jedoch damit einverstanden erklärt, dass Arbeitsbefreiung bis zu 4 Arbeitstage pro Kalenderjahr für jedes Kind gewährt werden kann (Rundschreiben vom 25.8.2008, D5–220 210-2/29).
Aufgrund der besonderen Pandemiesituation haben die beiden Ministerien entschieden: Den vorgenannten Tarifbeschäftigten können für das Jahr 2021 für jedes Kind zusätzlich zu dem tariflichen Anspruch von 4 Tagen bezahlter Arbeitsbefreiung bis zu 10 weitere Arbeitstage unter Fortzahlung des Entgelts, alleinerziehenden Tarifbeschäftigten für jedes Kind bis zu 20 weitere Arbeitstage gewährt werden.
Bei mehreren Kindern besteht dieser pandemiebedingte zusätzliche Anspruch für nicht mehr als 22,5 Arbeitstage und bei alleinerziehenden Tarifbeschäftigten für nicht mehr als 45 Arbeitstage.
Der daneben für jedes Kind bestehende Anspruch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb TVöD i. V. m. dem o. g. Rundschreiben vom 25.8.2008 wird durch vorstehende Jahreshöchstgrenze nicht betroffen. Im Rahmen dieser übertariflichen Maßnahme ist es möglich, einzelne Tage in Anspruch zu nehmen. Es können auch halbe Arbeitsbefreiungstage gewährt werden. Ein halber Arbeitsbefreiungstag entspricht der Hälfte der für den jeweiligen Arbeitstag festgesetzten regelmäßigen Arbeitszeit.
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Natürlich dann ohne Lohnfortzahlung.