Kein Schmerzensgeld für Polizistin nach Hubschrauberunglück

Eine Bundespolizeibeamtin hat in einem Verfahren vor dem Landgericht Berlin erfolglos versucht, Schmerzensgeld in Höhe von 75.000 Euro durchzusetzen, nachdem sie im Rahmen einer Großübung der Bundespolizei durch den Absturz eines Hubschraubers schwer verletzt worden war.

Die klagende Polizeibeamtin wurde bei dem Unfall im Bereich des Berliner Olympiastadions so schwer verletzt, dass ihr ein Unterschenkel amputiert werden musste.

Unfall bei Hubschrauberlandung im Schneegestöber

Am 21. März 2013 veranstaltete die Bundespolizei im Bereich des Berliner Olympiastadions eine Übung, bei der Einsatzkräfte in drei Hubschraubern auf das Maifeld des Stadions eingeflogen werden sollten. An jenem Vormittag herrschte winterliches Wetter und am vorgesehenen Landeort befand sich Schnee. Die Hubschrauber sollten nebeneinander landen. Aufgrund der Schneeverhältnisse wurden auf Wunsch eines der drei Piloten, einem Bundespolizeibeamten einer Fliegerstaffel, zusätzlich Einweiser im Bereich des vorgesehenen Landeplatzes eingesetzt.

Die später verletzte Polizeibeamtin war im Bundespolizeipräsidium, Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, tätig und hatte an jenem Tag die Aufgabe, eine in einem der Hubschrauber mitfliegende Journalistin in Empfang zu nehmen. Daher befand sich die Klägerin unweit von dem Landeplatz.

Nachdem der erste Hubschrauber gelandet war, wirbelte der zweite Hubschrauber bei seiner Landung Schnee auf und geriet in die dadurch erzeugte Schneewolke, die zugleich auch den bereits gelandeten ersten Hubschrauber umhüllte. Der Pilot, der den dritten Hubschrauber lenkte, befand sich zu diesem Zeitpunkt im Anflug und beobachtete – wie sich aus den nachträglich abgehörten Cockpitaufzeichnungen ergab – die Schneeaufwirbelungen. 89 Sekunden vor dem Unfall sagte er zum Flugtechniker, dass der Schnee wieder weg sei. Während des Landeanflugs, bei dem sich die Flughöhe verringerte, entstand eine weitere Schneewolke, die den Einweiser und die gelandeten Hubschrauber vollständig einhüllte. Kurz danach bekam der Hubschrauber mit dem Bugrad und dem rechten Hauptfahrwerk Bodenkontakt, rollte um die Längsachse nach rechts und verschwand in der Schneewolke. Dort kam es zu einem Zusammenstoß mit dem ersten gelandeten Hubschrauber, dessen Pilot dadurch verstarb. Durch die umherfliegenden Metallteile wurden mehrere Personen teilweise schwer verletzt, darunter die Klägerin, bei der u.a. der linke Unterschenkel amputiert wurde.

Die verletzte Polizistin erhob Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland und den Piloten des zuletzt gelandeten Hubschraubers vor dem Landgericht Berlin erhoben und verlangte u.a., dass die Beklagten an sie 75.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Sie machte geltend, der Pilot hätte die Möglichkeit gehabt, die Landung abzubrechen, habe jedoch davon aufgrund einer besonderen mentalen Drucksituation abgesehen.

Gericht: Pilot kann nicht direkt in Anspruch genommen werden

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Pilot hafte bereits deshalb nicht, weil er den Hubschrauber in seiner Eigenschaft als Bundesbeamter gelenkt und damit hoheitlich gehandelt habe. Die Klägerin als Geschädigte könne ihn nicht direkt in Anspruch nehmen.

Kein vorsätzliches Herbeiführen des Unfalls

Aber auch die Bundesrepublik Deutschland sei nicht verpflichtet, ein Schmerzensgeld zu zahlen. Nach dem Beamtenversorgungsgesetz käme dies nur in Betracht, wenn das Unfallereignis vorsätzlich herbeigeführt worden oder im allgemeinen Verkehr eingetreten wäre. Letzteres sei nicht der Fall, da es sich um einen Dienstunfall gehandelt habe. Die Klägerin habe im Rahmen ihres Dienstes an einer Einsatzübung teilgenommen.

Der Pilot habe den Unfall auch nicht vorsätzlich verursacht. Dies könne nur angenommen werden, wenn der Pilot als Amtsträger sich bewusst über eine Amtspflicht hinweggesetzt hätte. Nach den Ausführungen eines Sachverständigen habe sich dem Piloten nicht aufdrängen müssen, den Landeanflug nicht durchzuführen. Auch habe für ihn, nachdem er die Orientierung verloren habe, nicht mehr die Möglichkeit bestanden, den Landeanflug abzubrechen und durchzustarten. Aufgrund des untersuchten Videos, das den Unfall zeigte, und den Aufzeichnungen im Cockpit lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass ein früherer Abbruch des Landeanfluges Erfolg gehabt hätte.

Pilot war erfahren und stand nicht unzulässig unter Druck

Zudem sei der Pilot ein in Landungen im verschneiten Gebirge erfahrener Pilot, der sich auch mit so genannten „White Outs“, dem völligen Verlust des Raumgefühls, auskenne. Daher handele es sich nicht bereits dadurch um eine vorsätzliche Amtspflichtverletzung, dass aufgrund der vorhandenen Schneeverhältnisse der Landeanflug durchgeführt worden sei. Auch ein unzulässiger Druck sei nicht zu erkennen gewesen, da der Druck bei einer Leistungsschau nicht größer sein könne als bei einer Landung in einem unübersichtlichen und unbekannten Gebirge.

Schließlich könne dem Piloten auch nicht vorgeworfen werden, den Landeplatz mit zu geringem Abstand zu den anderen Hubschraubern ausgewählt zu haben. Dies sei aus polizeitaktischen Gründen so festgelegt worden und der Pilot habe davon ausgehen dürfen, dass er im Rahmen der nicht offensichtlich fehlerhaften Vorgaben entsprechend handeln dürfe (Landgericht Berlin, Urteil v. 7.7.2017, 28 O 456/16).

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann gegen das Urteil Berufung beim Kammergericht innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Urteils einlegen.

Pressemitteilung LG Berlin

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