Entscheidungsstichwort (Thema)
Freizeitausgleich für Arbeit an Sonntagen
Orientierungssatz
In Betrieben/Betriebsteilen, deren Aufgaben Sonntagsarbeit erfordern, muss gemäß § 15 Abs. 6 Unterabs. 1 MTArb dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden. Nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb wird die an einem Sonntag geleistete dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag oder ausnahmsweise an einem Wochenfeiertag der nächsten oder der übernächsten Woche ausgeglichen. Diese Tarifbestimmung begründet keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung für dienstplanmäßige Sonntagsarbeit. Die Tarifbestimmung ist ausschließlich eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit.
Normenkette
GG Art. 3; ArbZG § 11 Abs. 3, § 1; BGB § 362 Abs. 1; EFZG § 2 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um Lohn für den Ausgleichstag, der dem Kläger für von ihm geleistete Sonntagsarbeit gewährt wurde.
Der Kläger trat am 1. November 1970 in die Dienste des beklagten Landes ein und war seit dem 1. November 1995 als Brückenwärter bei der K… im 3-Schicht-Betrieb beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags der Parteien vom 24. Oktober 1995 der Manteltarifvertrag für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) vom 6. Dezember 1995 Anwendung. Dort heißt es:
Ҥ 15
Regelmäßige Arbeitszeit
…
(6) In Verwaltungen oder Verwaltungsteilen bzw. Betrieben oder Betriebsteilen, deren Aufgaben Sonntags-, Feiertags-, Wechselschicht-, Schicht- oder Nachtarbeit erfordern, muß dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden.
Bei Sonntags- und Feiertagsarbeit sollen jedoch im Monat zwei Sonntage arbeitsfrei sein, wenn die dienstlichen oder betrieblichen Verhältnisse es zulassen. Die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Sonntag ist durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag oder ausnahmsweise an einem Wochenfeiertag der nächsten oder der übernächsten Woche auszugleichen.
Auf Antrag des Arbeiters ist auch die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag durch entsprechende zusammenhängende Freizeit auszugleichen. Für diese Freizeit wird – bei Ausgleich an einem Wochenfeiertag neben dem Lohn nach § 34 Abs. 2 – der Monatsregellohn fortgezahlt.”
Der Kläger leistete am Sonntag, dem 4. April 2004 Frühschicht von 5.00 Uhr bis 13.30 Uhr. Er erhielt dafür Freizeitausgleich am 13. April 2004. An diesem Tag hatte der Kläger nach Dienstplan eine Freischicht. Der Kläger arbeitete an wenigstens 30 Sonntagen pro Jahr und erhielt hierfür immer unbezahlten Freizeitausgleich während der Freischicht. Für die Arbeit am Sonntag wurden ihm zuzüglich zum Lohn die tariflichen Zuschläge gezahlt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm sei kein Freizeitausgleich im tariflichen Sinne gewährt worden, indem er seinen Ausgleichstag an einem für ihn ohnehin arbeitsfreien Tag erhalten habe. Ihm stehe je ein bezahlter freier Tag als Ausgleich für die Arbeit an einem Sonntag zu. Dies ergebe sich aus § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 MTArb. Außerdem liege eine Ungleichbehandlung vor, weil Straßenwärterkollegen durch die Zahlung von Zuschlägen besser behandelt würden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 147,65 Euro brutto nebst 5 %-Punkte Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15. April 2005 zu zahlen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen tariflichen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung. Der Kläger verlange im Ergebnis mit seiner Klage für die Arbeit am Sonntag eine Bezahlung in Höhe von 200 % des normalen Lohns zuzüglich der Sonntagszuschläge. Die Regelung in § 15 Abs. 6 MTArb sehe dagegen vor, dass für die Arbeitszeit an einem Sonntag entsprechend zusammenhängende Freizeit an einem Werktag zu gewähren sei. Eine Ungleichbehandlung mit den Straßenwärterkollegen bestehe nicht, da diese nur von Montag bis Freitag arbeiteten. Bei einem Arbeitseinsatz am Sonntag handele es sich für diese Arbeitnehmer um Überstunden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf zusätzliche Bezahlung. Das beklagte Land hat dem Kläger für die Sonntagsarbeit am 4. April 2004 entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag, dem 13. April 2004, gewährt. Damit ist der tarifliche Anspruch des Klägers nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB).
1. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf weiteren Freizeitausgleich nach § 11 Abs. 3 ArbZG, der eventuell abzugelten wäre. Werden Arbeitnehmer an einem Sonntag beschäftigt, müssen sie einen Ersatzruhetag haben, der innerhalb eines den Beschäftigungstag einschließenden Zeitraums von zwei Wochen zu gewähren ist (§ 11 Abs. 3 Satz 1 ArbZG). Nach dem Wortlaut der Norm kommt als Ersatzruhetag jeder Werktag, also auch ein ohnehin arbeitsfreier Samstag oder ein schichtplanmäßig freier sonstiger Werktag in Betracht. Eine bezahlte Freistellung an einem Beschäftigungstag kann nicht verlangt werden (BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 294/00 – BAGE 100, 124, zu II 1a der Gründe mwN; so auch schon BAG 27. Januar 1994 – 6 AZR 597/93 – ZTR 1995, 117; zuletzt Senat 23. März 2006 – 6 AZR 497/05 – EzA ArbZG § 12 Nr. 1). Dies entspricht dem Zweck des ArbZG, das von einer 6-Tage-Woche ausgeht. Im Vordergrund steht der Arbeitsschutz (§ 1 ArbZG). § 11 Abs. 3 ArbZG dient in erster Linie dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer aus öffentlichem Interesse. Der Arbeitnehmer soll mindestens einen Ruhetag pro 7-Tage-Zeitraum haben. Das Gesetz will auch für den Schichtarbeiter, der an Sonntagen oder Wochenfeiertagen arbeitet, das gesetzliche Minimum an arbeitsfreien Tagen sicherstellen.
2. Der Kläger hat auch keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung für den gewährten Ersatzruhetag.
a) In Betrieben/Betriebsteilen deren Aufgaben Sonntagsarbeit erfordern, muss gemäß § 15 Abs. 6 Unterabs. 1 MTArb dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich entsprechend gearbeitet werden. Der Kläger war als Brückenwärter bei der K… im 3-Schicht-Betrieb beschäftigt. Dies ist eine Dienststelle, in der typischerweise Sonntagsarbeit zu leisten ist. Nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb wird die an einem Sonntag geleistete dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit an einem Werktag oder ausnahmsweise an einem Wochenfeiertag der nächsten oder der übernächsten Woche ausgeglichen. Diese Tarifbestimmung begründet schon nach ihrem Wortlaut keinen Anspruch auf eine bezahlte Freistellung für dienstplanmäßige Sonntagsarbeit.
b) Sinn und Zweck der Regelung bestätigen das Auslegungsergebnis.
aa) Die tarifliche Bestimmung soll sicherstellen, dass derjenige Arbeitnehmer, der sonntags dienstplanmäßig gearbeitet hat, an einem anderen Wochentag im Ausgleichszeitraum eine der Sonntagsarbeit entsprechende Freizeit zum Zwecke der Erholung erhält. Es handelt sich ausschließlich um eine Regelung zur Verteilung der Arbeitszeit. Der Ausgleichstag für den Sonntag dient neben dem beabsichtigten Erholungszweck auch und gerade dem rechnerischen Ausgleich zur Einhaltung der vereinbarten regelmäßigen bzw. dienstplanmäßigen Arbeitszeit und erfolgt deshalb ohne Fortzahlung der Vergütung (vgl. zuletzt Senat 27. Mai 2004 – 6 AZR 300/03 – unter Fortsetzung der Rspr. des Senats vom 30. Juli 1992 – 6 AZR 283/91 – AP BAT § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 16 Nr. 2; vgl. auch Scheuring/Steingen/Banse/Thivessen MTArb Ausgabe Bund Stand Januar 2006 § 15 – Regelmäßige Arbeitszeit Erl. 14). Demgemäß führt die zum Ausgleich der Sonntagsarbeit zu gewährende unbezahlte Freizeit auch nicht zu einer Verkürzung der regelmäßigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Vielmehr wird die Freizeit durch Ausgleich nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb vom normalerweise arbeitsfreien Sonntag auf einen anderen Wochentag der nächsten oder der übernächsten Woche verlagert. Für die Sonntagsarbeit erhält der Schichtdienstleistende einen Zuschlag. Im Übrigen leistet er nicht mehr als seine dienstplanmäßige Arbeitszeit, für die die monatliche Vergütung zu zahlen ist.
Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung vom 30. Juli 1992 zu dem insoweit inhaltsgleichen § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 BAT (– 6 AZR 283/91 – AP BAT § 16 Nr. 1 = EzBAT BAT § 16 Nr. 2, zu II 2 der Gründe) ausgeführt, dass diese Vorschrift die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage einer Woche regele und damit gewährleiste, dass auch der Arbeitnehmer, der an einem Sonntag arbeiten müsse, zeitlich nicht mehr als die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit arbeite. Die zu diesem Zweck zu gewährende Freizeit ist hiernach unbe- zahlte Freizeit, die von einem Sonntag auf einen anderen Wochentag der nächsten oder der übernächsten Kalenderwoche verlegt wird, und führt demgemäß nicht zu einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit.
bb) Auch aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang der in § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 MTArb getroffenen Regelungen ergibt sich, dass es sich bei dem Freizeitausgleich um unbezahlte Freizeit handelt.
In § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 MTArb ist ausdrücklich festgelegt, dass die dienstplanmäßige bzw. betriebsübliche Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag auf Antrag des Arbeiters durch eine entsprechende zusammenhängende Freizeit auszugleichen ist. Anders als § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 MTArb (für die Sonntagsarbeit) regelt § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 MTArb für den Fall der dienstplanmäßigen Arbeitszeit an einem Wochenfeiertag eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Monatsregellohns. Die Bestimmung in § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 MTArb bezweckt damit eine Freistellung von der Arbeitspflicht, die sich bei im Schichtdienst eingeteilten Arbeitern aus dem Schichtplan ergibt, und führt so zur Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit, wobei der Lohnanspruch für die Zeit der Arbeitsbefreiung bestehen bleibt (vgl. hierzu Senat 27. Mai 2004 – 6 AZR 300/03 –, zu 2a bb der Gründe). Damit wird der von Ulber (AiB 1999, 181, 182 unter 3.) problematisierten Fallgestaltung, dass die Arbeitnehmer, die bei einer 5-Tage-Woche feiertags arbeiten müssen, einen bezahlten arbeitsfreien Tag weniger erhalten würden, durch diese Tarifbestimmung Rechnung getragen.
Durch den Freizeitausgleich an einem Wochenfeiertag hat der Schichtdienstleistende einen freien Tag weniger als der Arbeiter, der keinen Schichtdienst leistet und der deshalb an dem Wochenfeiertag frei hat; zum Ausgleich dafür erhält er gem. § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 Satz 2 MTArb neben der Entgeltfortzahlung nach § 2 Abs. 1 EFZG, § 34 Abs. 2 MTArb den Monatsregellohn fortgezahlt. Entgegen der Ansicht der Revision lässt sich aus dieser besonderen Regelung des Freizeitausgleichs an einem Wochenfeiertag nicht ableiten, dass der Freizeitausgleich nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb unter Fortzahlung der Vergütung zu erfolgen hat. Vielmehr ergibt sich im Umkehrschluss, dass der Freizeitausgleich für Sonntagsarbeit nach § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 MTArb im Gegensatz zu der in § 15 Abs. 6 Unterabs. 3 MTArb für die Arbeit an Wochenfeiertagen getroffenen Regelung grundsätzlich unbezahlt ist.
c) Es liegt auch keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nach Art. 3 GG vor. § 15 Abs. 6 Unterabs. 2 und Unterabs. 3 MTArb regeln unterschiedliche Sachverhalte. Wie oben ausgeführt, bezweckt Unterabs. 2 den Ausgleich der Sonntagsarbeit an einem Werktag, ohne dass dies zu einer Arbeitszeitverkürzung führt. Unterabs. 3 regelt in seinem Satz 1 den Ausgleich für Arbeit an einem Wochenfeiertag und bei Ausgleich wiederum an einem Wochenfeiertag einen zusätzlichen Vergütungsanspruch. Deshalb liegt die von der Revision gerügte Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte nicht vor. Für eine Richtervorlage nach Art. 100 GG fehlt es schon an deren Voraussetzungen, da nicht die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, sondern einer Tarifbestimmung gerügt ist, über deren Verfassungsmäßigkeit der Senat selbst zu entscheiden hat.
3. Der Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine unzulässige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitern im Schichtdienst und den Kollegen des Klägers im Straßenwärterdienst, die nicht im Schichtdienst, sondern üblicherweise von Montag bis Freitag arbeiten, ist nach den tariflichen Bestimmungen nicht gegeben.
Wenn diese Arbeiter zusätzlich an Sonntagen arbeiten, handelt es sich um Überstunden iSv. § 19 Abs. 2 MTArb, da diese Arbeitsstunden auf Anordnung über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit geleistet werden. Diese Überstunden werden dann gemäß § 19 Abs. 4 MTArb grundsätzlich durch entsprechende Arbeitsbefreiung – möglichst bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ableistung der Überstunden – ausgeglichen. Demgegenüber leistet der Kläger seine Arbeit im Schichtdienst. Der Einsatz an einem Sonntag bedeutet für ihn daher grundsätzlich nicht gleichzeitig auch die Ableistung von Überstunden. Der Schichtdienst bedingt, dass die normale arbeitsvertragliche Arbeitszeit auch an Sonntagen geleistet wird. Um dies auszugleichen, ist in § 15 Abs. 6 MTArb vorgesehen, dass die Mitarbeiter im Schichtdienst für Sonntagsarbeit als Ausgleich entsprechende freie Tage erhalten. Mit der Gewährung dieses Freizeitausgleichs an anderen Tagen werden sie im Ergebnis mit den Arbeitern, die in einer 5-Tage-Woche von Montag bis Freitag arbeiten, gleichbehandelt. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht zutreffend hingewiesen.
Unterschriften
Fischermeier, Dr. Armbrüster, Friedrich, Hinsch, Reimann
Fundstellen
Haufe-Index 1641504 |
DB 2006, 2820 |