LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.7.2023, 5 Sa 139/22
Der Arbeitgeber hat bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit u. a. auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen. Die Tatsache, dass es anderen Arbeitnehmer/innen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, rechtfertigt es nicht, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber einer alleinerziehenden Arbeitnehmerin zu benachteiligen.
Sachverhalt
Die Klägerin ist als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale der Beklagten beschäftigt. Arbeitsvertraglich war eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden festgesetzt. Zudem kann die Klägerin laut Arbeitsvertrag in sämtlichen Filialen der Beklagten eingesetzt werden und ist verpflichtet, in dem gesetzlich zulässigen Rahmen Sonntags-, Feiertags- und Mehrarbeit zu leisten.
Im Juli 2020 gebar die Klägerin Zwillinge. Mit Schreiben vom 27.9.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung. Grund war, dass sie an diesem Tag nicht zur Arbeitsaufnahme um 5:30 Uhr erschienen war und bis jedenfalls 12:15 Uhr eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mitgeteilt hatte. Mitte Dezember 2021 beantragte die Klägerin, nach dem Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit, voraussichtlich Mitte Januar 2022, nur noch an den Wochentagen Montag bis Freitag (also nicht samstags) und nur noch zwischen 7:40 Uhr und 16:40 Uhr eingesetzt zu werden. Zudem beantragte sie zum 1.4.2022 eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Wochenstunden. Sie begründete beides mit ihren Betreuungspflichten als alleinerziehende Mutter.
Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 11.1.2022 zwar nicht die beantragte Arbeitszeitverkürzung ab, widersprach jedoch der beantragten Arbeitszeitverteilung. Sie begründetet dies mit vergleichbaren Situationen der übrigen Mitarbeiterinnen. Die Klägerin erhob Klage.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 8 Abs. 4 TzBfG darauf, dass die Beklagte der gewünschten Arbeitszeitverteilung zustimmt.
Das Gericht führte aus, dass bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit der Arbeitgeber nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen müsse, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer/innen nicht entgegenstehen. Die Frage, ob betriebliche Gründe entgegenstehen, sei grundsätzlich in 3 Schritten zu prüfen:
Zunächst sei festzustellen, ob der vom Arbeitgeber als erforderlich angesehenen Arbeitszeitregelung überhaupt ein betriebliches Organisationskonzept zugrunde liege und um welches Konzept es sich hierbei handele. Danach sei zu untersuchen, inwieweit die aus dem Organisationskonzept folgende Arbeitszeitregelung dem Arbeitszeitverlangen tatsächlich entgegenstehe und schließlich sei das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe zu prüfen. Bei der Prüfung sei zudem zu klären, ob das betriebliche Organisationskonzept oder die zugrundeliegende unternehmerische Aufgabenstellung durch die vom Arbeitnehmer gewünschte Abweichung wesentlich beeinträchtigt werde.
Im vorliegenden Fall war zu berücksichtigen, dass das Organisationskonzept der Beklagten durch die Öffnungszeiten der Filialen bestimmt werde; und diesem Konzept stehe, so das Gericht, die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Arbeitszeit entgegen, da die von ihr gewünschte Verteilung der Arbeitszeit nicht nur zu einer geringfügigen, sondern zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Organisationskonzepts führe.
Der Arbeitgeber dürfe sich bei der Interessenabwägung auf die ihm ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen; denn es sei für ihn, unabhängig davon, dass ihm dies schon aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre seiner Beschäftigten verwehrt sei, regelmäßig nicht feststellbar, welche Anstrengungen seine Mitarbeiter/innen jeweils unternehmen bzw. unternehmen müssen oder können, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Insbesondere rechtfertige die Tatsache, dass es anderen Mitarbeiterinnen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und ihre familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, es nicht, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber einer alleinerziehenden Arbeitnehmerin zu benachteiligen.