BAG, Urteil vom 27.4.2022, 10 AZR 400/20
Begründen die Arbeitsvertragsparteien nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses im laufenden Kalenderjahr ein neues Arbeitsverhältnis, können als Bemessungszeitraum nur Zeiten des anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnisses herangezogen werden. Zeiten einer früheren Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber sind hierbei grundsätzlich unerheblich.
Sachverhalt
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin, welche seit 2005 bei dem beklagten Land als Lehrkraft (eingruppiert in EG 13 mit einem Bruttomonatsentgelt von 5.408,60 EUR bei 21 Wochenstunden) beschäftigt war, endete aufgrund Erreichens der Regelaltersgrenze im Februar 2019 nach § 33 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. § 44 Nr. 4 TV-L zum Schuljahresende am 31.7.2019. Im Anschluss daran vereinbarten die Parteien eine Weiterbeschäftigung gem. § 33 Abs. 5 TV-L und schlossen hierzu unter dem 5.7.2019 einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1.8.2019 bis zum 11.6.2020 in dem ebenfalls der TV-L in Bezug genommen wurde. Die Beschäftigung erfolgte im Umfang von 4 Wochenstunden bei einem Bruttomonatsentgelt nach EG 13 TV-L in den Monaten August und September 2019 i. H. v. 881,99 EUR.
Mit der Abrechnung für den Monat November 2019 erhielt die Klägerin eine Jahressonderzahlung i. H. v. 428,12 EUR brutto. Diese war auf Grundlage des Bruttoentgelts der Monate August und September 2019 errechnet worden. Eine höhere, unter Berücksichtigung auch des Bruttoentgelts des Monats Juli 2019 errechnete Sonderzahlung lehnte das beklagte Land ab.
Die Klägerin, die die Auffassung vertrat, dass auch ihre Vergütung für den Monat Juli 2019 in die Berechnung der Jahressonderzahlung einzubeziehen sei, da sie im Jahr 2019 nahtlos mit unveränderter Tätigkeit bei dem beklagten Land beschäftigt gewesen und zudem das befristete Arbeitsverhältnis vor dem 31. August des Jahres begründet worden war, erhob Klage.
Das beklagte Land hat dagegen die Auffassung vertreten, dass Bemessungsgrundlage für die Jahressonderzahlung nach der tariflichen Bestimmung nur das Entgelt aus dem Arbeitsverhältnis sei, welches am 1.12. des Jahres bestanden habe.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das BAG entschied, dass die Klägerin für das Jahr 2019 keinen Anspruch auf eine höhere Jahressonderzahlung nach § 20 TV-L habe; denn der Bemessungszeitraum bestimme sich nach dem anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnis, so dass nur das monatliche Entgelt aus der Zeit vom 1.8.2019 bis zum 30.9.2019 zu berücksichtigen sei.
Das Gericht führte hierzu aus, dass nach § 20 Abs. 1 TV-L Beschäftigte einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung haben, wenn sie – wie hier die Klägerin- am 1. Dezember in einem Arbeitsverhältnis stehen. Gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 TV-L sei Bemessungsgrundlage für die Höhe der Jahressonderzahlung grundsätzlich das in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlte monatliche Entgelt. Hierbei komme es nicht auf das tatsächlich gezahlte, sondern auf das für die Referenzmonate tatsächlich zustehende Entgelt an (s. hierzu auch BAG, Urteil v. 16.11.2011, 10 AZR 549/10). Ein von dieser Grundregel abweichender Bemessungszeitraum gelte jedoch gem. § 20 Abs. 3 Satz 3 TV-L für Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.8. begonnen hat. Hier sei der erste volle Kalendermonat, in dem das Arbeitsverhältnis bestand, als Bemessungszeitraum heranzuziehen.
Für den vorliegenden Fall entschied das BAG, dass als Bemessungszeitraum nur Zeiten des anspruchsbegründenden Arbeitsverhältnisses herangezogen werden können (s. hierzu auch BAG, Urteil v. 22.3.2017, 10 AZR 623/15). Zeiten einer früheren Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber seien hierbei grundsätzlich unerheblich. Dies gelte nach Auffassung des Gerichts sowohl in den Fällen, in denen das am 1.12. des Kalenderjahres bestehende Arbeitsverhältnis vor dem 31.8. des Kalenderjahres begonnen habe als auch in Fällen, in denen der Beginn dieses Arbeitsverhältnisses nach diesem Stichtag liege (so auch BAG, Urteil v. 14.7.2021, 10 AZR 485/20).
Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass für den Bemessungszeitraum nur die Zeit ab dem 1.8.2019 bis zum 30.9.2019 von Bedeutung war. Das BAG führte hierzu auch aus, dass das vorhergehende Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 33 Abs. 1 Buchst. a i. V. m. § 44 Nr. 4 TV-L mit Ablauf des 31.7.2019 geendet habe und ein Hinausschieben der Altersgrenze nach § 41 Satz 3 SGB VI nicht erfolgt sei. Die Parteien hatten hier mit Wirkung ab dem 1.8.2019 einen neuen, befristeten Arbeitsvertrag zu veränderten Arbeitsbedingungengeschlossen, sodass es sich nicht um eine bloße Abänderung und Fortführung des ursprünglichen Arbeitsvertrags, sondern um ein neues Arbeitsverhältnis im Tarifsinn gehandelt habe. Deshalb sei ausschließlich auf die Höhe des Bruttomonatsentgelts während des Laufs dieses Arbeitsverhältnisses abzustellen. Ob zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen ein enger sachlicher Zusammenhang bestanden habe, sei für die Anwendung des § 20 TV-L unerheblich.
Hinweis:
Das BAG hatte ber...