Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldzuschlag. zu versteuerndes Einkommen. Grundfreibetrag. Kinderfreibetrag. Lohnsteuer. Lohnsteuerjahresausgleich. Einkommensteuerveranlagung. Steuerfestsetzung. Finanzamt. Erstattungsanspruch.
Leitsatz (amtlich)
1. Allein aus der Tatsache, daß der Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hat, folgt nicht, daß kein Anspruch auf den Kindergeldzuschlag bestehen kann.
2. Die Kindergeldkasse ist nicht verpflichtet, an Stelle der Finanzverwaltung das zu versteuernde Einkommen iS von § 11a Abs. 1 BKGG für die Entscheidung über den Kindergeldzuschlag zu ermitteln und festzusetzen, wenn die Durchführung eines Lohnsteuerjahresausgleichs, bzw eine Veranlagung zur Einkommensteuer wegen verspäteter Antragstellung nicht erfolgt ist, es sei denn, daß auch ohne Klärung durch Steuerfestsetzung das Einkommen offensichtlich den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erreicht.
Normenkette
BKGG § 11 Abs. 3 S. 5, Abs. 6, § 11a Abs. 1 S. 1, Abs. 7 S. 2; EStG § 2 Abs. 5, § 32 Abs. 6, § 32a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, §§ 32b, 38 Abs. 3, § 42 a.F., § 46 Abs. 2 S. 2, Abs. 2 Nr. 8; AO 1977 § 155 Abs. 1; BAföG § 21 Abs. 1; BErzGG § 6
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 31.08.1993; Aktenzeichen L 3 Kg 27/92) |
SG Oldenburg (Entscheidung vom 10.04.1992; Aktenzeichen S 2 Kg 46/90) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. August 1993 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung des Zuschlags zum Kindergeld für das Kalenderjahr 1986 streitig.
Der Kläger bezog für seine fünf Kinder Kindergeld. Die Beklagte bewilligte ihm den unter Vorlage der Lohnsteuerkarte 1986 beantragten Kindergeldzuschlag für das Kalenderjahr 1986 unter dem Vorbehalt der Rückforderung bis zur endgültigen Feststellung nach dem Vorliegen der Steuerfestsetzung für das Berechnungsjahr 1986 (Bescheid vom 20. November 1986).
Nach mehrfacher Erinnerung legte der Kläger der Beklagten den Bescheid des Finanzamtes Cloppenburg vom 4. Januar 1990 vor, wonach eine Veranlagung zur Einkommensteuer 1986 wegen verspäteter Antragstellung – erst nach Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum 1986 folgenden zweiten Kalenderjahres – abgelehnt worden war. Mit Bescheid vom 21. August 1990 forderte die Beklagte daraufhin den für 1986 gezahlten Kindergeldzuschlag in Höhe von 2.736,00 DM vom Kläger aufgrund des Leistungsvorbehalts zurück, weil sich aus der vorliegenden Steuerkarte ergebe, daß die Kinderfreibeträge voll ausgeschöpft worden seien. Demnach habe der Kindergeldzuschlag für das Jahr 1986 nicht zugestanden. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. April 1992). Der Kläger habe auch nach Abzug der Freibeträge den Grundfreibetrag im Kalenderjahr 1986 von 9.072,00 DM nicht unterschritten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die – vom SG zugelassene – Berufung des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger habe 1986 offensichtlich kein so geringes Einkommen erzielt, das zu keinem Steuerabzug geführt hätte, weil es den Grundfreibetrag unterschritten habe. Die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, das zu versteuernde Einkommen anstelle der Finanzverwaltung zu ermitteln.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision macht der Kläger geltend, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, das zu versteuernde Einkommen iS des § 11 a Abs. 1
Bundeskindergeldgesetz (BKGG), unter Berücksichtigung der Verluste aus Vermietung und Verpachtung nach § 7b Einkommensteuergesetz (EStG), der Werbungskosten aus der nichtselbständigen Tätigkeit und der Vorsorgepauschale, aufgrund der dazu zur Verfügung gestellten Unterlagen anstelle der Steuerverwaltung zu ermitteln. Er habe alles Erforderliche angegeben, um das Einkommen zu berücksichtigen, wie es im Falle einer Veranlagung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Zudem habe die Beklagte selbst Erkundigungen beim Finanzamt eingeholt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. August 1993, das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. April 1992 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. August 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1990 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
weil die angefochtenen Entscheidungen rechtmäßig seien.
Entscheidungsgründe
II
Im Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen sind zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Bescheid der Beklagten vom 21. August 1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1990 rechtmäßig ist. Denn die Beklagte hat gegen den Kläger einen Erstattungsanspruch gemäß § 11a Abs. 8 Satz 4 BKGG iVm § 11 Abs. 3 Satz 5 BKGG. Der vom Kläger für das Jahr 1986 unter Rückforderungsvorbehalt bezogene Kindergeldzuschlag in Höhe von 2.736,00 DM ist überzahlt worden.
Die isolierte Anfechtungsklage war statthaft. Im Falle einer Aufhebung der angefochtenen Bescheide wäre der durch den Bescheid vom 20. November 1986 über die (vorläufige) Bewilligung des laufenden Kindergeldzuschlages geschaffene Zustand wieder hergestellt, der Eingriff in die Rechte des Klägers beseitigt und sein Klageziel erreicht worden (Bundessozialgericht ≪BSG≫, 10. Senat vom 15. Dezember 1992, SozR 3-1200 § 51 Nr. 3). Daran hätte auch der Umstand nichts geändert, daß es sich bei dem Vorbehaltsbescheid vom 20. November 1986 um einen vorläufigen Verwaltungsakt handelte (BSG, 10. Senat vom 28. Februar 1990, SozR 3-5870 § 11 Nr. 1); denn es geht hier nur um die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Die Beklagte hat einen Erstattungsanspruch, weil dem Kläger der Kindergeldzuschlag gemäß § 11 a Abs. 1 Satz 1 BKGG für das Jahr 1986 zu Unrecht gezahlt wurde. Nach dieser Vorschrift erhöht sich das Kindergeld für Kinder, für die dem Berechtigten der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG zusteht, um den nach § 11 Abs. 6 BKGG bemessenen Zuschlag, wenn das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) des Berechtigten geringer ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Der Gesetzgeber hat mit § 11 a BKGG mit Wirkung vom 1. Januar 1986 (Art. 1 Nr. 4 des 11. Gesetzes zur Änderung des BKGG vom 27. Juni 1986 ≪BGBl I, 1251≫) den einkommensabhängigen Zuschlag zum Kindergeld eingeführt. Ihn sollen Eltern als Ausgleich erhalten, die den steuerlichen Kinderfreibetrag wegen der geringen Höhe ihres Einkommens nicht oder nicht in vollem Umfang ausschöpfen können (Begründung zum Entwurf des 11. Gesetzes zur Änderung des BKGG, BT-Drucks 10/2886, S 6), wenn also die beabsichtigte steuerliche Entlastung nicht (in vollem Umfang) realisiert werden kann. Durch diese Regelung wurde eine enge Verbindung der Kindergeldzahlung mit der Möglichkeit der Berücksichtigung von Kindern im Einkommensteuerrecht hergestellt. Sie soll die Probleme lösen, welche sich im Rahmen des dual angelegten Familienlastenausgleichs zusammen aus steuerlicher Entlastung und dem Kindergeld ergeben (Igl, Kindergeld und Erziehungsgeld, 3. Aufl 1993, § 11a BKGG Anm. 1). § 11 a BKGG bewirkt somit, daß der Berechtigte – absolut gesehen – den Betrag ausgezahlt bekommt, den § 32 Abs. 6 EStG bei ausreichendem Einkommen als Einkommensteuerersparnis bewirken würde.
Der Kläger erfüllte für das Jahr 1986 nicht die Voraussetzungen des § 11a Abs. 1 Sätze 1 und 2 BKGG für die Zahlung des Kindergeldzuschlages. Denn es steht nicht fest, daß sein zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) geringer war als der maßgebende Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 EStG. Dieser Grundfreibetrag, über welchen hinaus Einkommensteuer zu zahlen ist, betrug für das Jahr 1986 bei Ehegatten (nach dem Splittingverfahren) 9.072,00 DM. Das dem gegenüberzustellende zu versteuernde Einkommen bestimmt sich nach § 2 Nr. 5 EStG. Es wird berücksichtigt, soweit und wie es der Besteuerung (tatsächlich) zugrunde gelegt wurde (§ 11a Abs. 1 Satz 2 BKGG). Der Kindergeldzuschlag richtet sich ausschließlich nach den Einkommensverhältnissen des gesamten Jahres, für das er zu zahlen ist (§ 11 a Abs. 7 BKGG). Daher kann über die Zahlung endgültig erst nach Ablauf dieses Jahres, wenn die steuerliche Behandlung des Einkommens abgeschlossen ist, entschieden werden. Im Falle des § 11 a Abs. 8 BKGG, wenn der Zuschlag bereits während des Jahres, für das er in Betracht kommt, unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt wurde, wird endgültig entschieden, sobald die Steuer festgesetzt ist (§ 11 a Abs. 8 Satz 4 iVm § 11 Abs. 3 Satz 4 BKGG). Damit wird der Beklagten die Last der – fiktiven – Steuerfeststellung genommen. Sie handelt nicht anstelle der Steuerbehörde, sondern übernimmt deren Ergebnisse.
Der Senat weicht hier nicht von seiner Rechtsprechung in dem Urteil vom 14. Februar 1991 (SozR 3-5870 § 11a Nr. 2) ab:
Der Kläger hat im Jahre 1986 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt. Davon wurden im Abzugsverfahren Lohnsteuern erhoben. Entgegen der Begründung im angefochtenen Bescheid kann allein aus dem Umstand, daß der Arbeitgeber des Klägers 1986 gemäß § 38 Abs. 3 EStG bei den Lohnzahlungen Lohnsteuer einbehalten und abgeführt hat, nicht bereits geschlossen werden, daß der Kinderfreibetrag ausgeschöpft worden ist. Bei der Lohnsteuer handelt es sich um keine selbständige Steuerart, sondern um eine besondere Form der Erhebung der Einkommensteuer, nämlich bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die monatlich zu entrichtende Lohnsteuer ist ihrem Charakter nach eine Vorauszahlung für die nach Ablauf des Kalenderjahres entstehende und auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfallende Einkommensteuerschuld. Da bei der Einkommensteuer als Jahressteuer erst am Jahresende eine definitive Aussage über die Höhe der Steuerschuld möglich ist, hat die Entscheidung über die bei der jeweiligen Lohnzahlung einzubehaltende Steuer nur vorläufigen Charakter. Aus ihr allein kann daher, wie der erkennende Senat bereits entschieden hat (BSG, Urteil vom 14. Februar 1991, SozR 3-5870 § 11 a Nr. 2), nicht gefolgert werden, daß das zu versteuernde Einkommen höher ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Denn erst bei der Endabrechnung in Form des Lohnsteuerjahresausgleiches nach § 42 EStG (aufgehobenen durch Steueränderungsgesetz ≪StÄndG≫ 1992 vom 25. Februar 1992 ≪BGBl I, S 92, 297 ≫ mit Wirkung ab 1. Januar 1991), in dem praktisch eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt wurde, oder der Einkommensteuerveranlagung nach § 46 EStG wird die Jahressteuerschuld ermittelt. Die Höhe der bereits einbehaltenen Lohnsteuerbeträge ist nur im Zusammenhang mit der Frage bedeutsam, ob bei der Endabrechnung Steuern zu erstatten oder nachzufordern sind.
Eine Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer für das Jahr 1986 ist nicht erfolgt. Denn der Antrag auf Steuerfestsetzung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist vom Finanzamt Cloppenburg mit Bescheid vom 4. Januar 1990 wegen verspäteter Antragstellung (§ 46 Abs. 2 Satz 2 EStG) bindend abgelehnt worden (§ 155 Abs. 1 Satz 2 Abgabenordnung ≪AO≫). In diesem Falle gilt die Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entfällt, durch den Lohnsteuerabzug als abgegolten (§ 46 Abs. 4 Satz 1 EStG), soweit der Steuerpflichtige nicht für zu wenig erhobene Lohnsteuer in Anspruch genommen werden kann.
Auch ein Lohnsteuerjahresausgleich gemäß § 42 EStG aF wurde vom Finanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers nach Ablauf des Ausgleichsjahres nicht durchgeführt. Die Antragsfrist für den Lohnsteuerjahresausgleich mit Charakter einer Ausschlußfrist gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 EStG aF, die erstmals für Ausgleichsanträge des Kalenderjahres 1986 bis zum Ablauf des auf das Ausgleichsjahr folgenden zweiten Kalenderjahres verlängert wurde und damit der Fristenregelung in § 46 Abs. 2 Satz 2 EStG für Veranlagungen zur Einkommensteuer auf Antrag entspricht, die der Kläger nicht wahrte, ist abgelaufen. Nachdem außerdem der Einkommensteuerbescheid bestandskräftig geworden ist, hatte daneben ein Lohnsteuerjahresausgleich, der im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid erfolgen konnte, nicht mehr durchgeführt werden können (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl 1994, § 42 Anm. 5 f). Damit ist für den Kläger weder in einem Einkommensteuerbescheid noch in einem Bescheid über den Lohnsteuerjahresausgleich eine Festsetzung der Jahressteuerschuld erfolgt.
Es handelt sich im vorliegenden Fall auch nicht von vornherein um eine – wie im oben angeführten früheren Urteil entschiedene – eindeutige Fallgestaltung, bei der das Einkommen aus abhängiger Arbeit 1986 offensichtlich den Grundfreibetrag nicht erreichte und deshalb der unterbliebene Lohnsteuerjahresausgleich dem Anspruch auf Kindergeldzuschlag nicht entgegenstand. Denn nach den Feststellungen des LSG betrug nach dem Eintrag in der Lohnsteuerkarte 1986 der Arbeitslohn 16.446,56 DM, während sich der Grundfreibetrag auf 9.072,00 DM belief. Freibeträge waren auf der Lohnsteuerkarte nicht eingetragen, so daß nicht feststeht, in welcher Höhe die Einkünfte aus abhängiger Arbeit zu versteuern waren. Nach der Lohnsteuerkarte 1986 wurde zwar vom Arbeitsentgelt Lohnsteuer einbehalten. Darin kann aber noch keine verbindliche Entscheidung über die Lohn- oder Einkommensteuerschuld gesehen werden. Denn die Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte haben – ungeachtet der Regelung des § 46 Abs. 4 EStG – für die Festsetzung der Jahressteuerschuld keine Bedeutung (Kirchhof-Söhn-Trzaskalik, Einkommensteuergesetz, Stand 1992, § 42 Anm. RdNr. A 26). Darüber hinaus bezog der Kläger 1986 ua Unterhaltsgeld und Arbeitslosengeld, das dem Progressionsvorbehalt des § 32b EStG unterliegt, bei der Einkommensteuerveranlagung (mit einem besonderen Steuersatz) zu berücksichtigen ist und für die Höhe des Kindergeldzuschlags gemäß § 11 a Abs. 6 Satz 2 BKGG eine Rolle spielt. Der Kindergeldzuschlag ist nur dann zu zahlen, wenn das gesamte zu versteuernde Einkommen iS des § 2 Abs. 5 EStG geringer ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG. Das zu versteuernde Jahreseinkommen 1986 erfaßt nicht nur Einkommen aus abhängiger Arbeit, sondern es ist auf alle Einkünfte, die steuerpflichtiges Einkommen iS des § 2 Abs. 5 EStG darstellen, abzuheben.
Nachdem weder ein Lohnsteuerjahresausgleich noch eine Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1986 erfolgt ist, steht das zu versteuernde Einkommen iS von § 2 Abs. 5 EStG nicht fest.
Entgegen der Ansicht der Revision war die Beklagte nicht verpflichtet, im vorliegenden Fall, das zu versteuernde Einkommen anstelle der Steuerverwaltung zu ermitteln und festzusetzen. Aus § 11 a BKGG folgt keine Wahlmöglichkeit des Steuerpflichtigen, die Beklagte statt des Finanzamts entscheiden zu lassen. Dies folgt einerseits bereits aus der Formulierung des § 11 a Abs. 1 Satz 2 BKGG, wonach es darauf ankommt, welches Einkommen „der Besteuerung zugrunde gelegt wurde”. Damit hat die Beklagte bei der Prüfung, ob das zu versteuernde Einkommen geringer ist als der Grundfreibetrag, im Regelfall die Festsetzung in den Steuerbescheiden des Finanzamtes zugrunde zu legen. Auch aus § 11 a Abs. 8 Satz 4 iVm § 11 Abs. 3 Satz 4 BKGG muß geschlossen werden, daß die Entscheidung über den Kindergeldzuschlag abhängig ist von der Steuerfestsetzung der Finanzbehörde. Denn erst, wenn deren Steuerfestsetzung vorliegt, ist endgültig über die Gewährung des Kindergeldzuschlages zu entscheiden. Wäre die Beklagte zu einer eigenständigen Einkommensermittlung verpflichtet, dann müßte bis zur endgültigen Entscheidung über die Höhe des Kindergeldes bzw den Kindergeldzuschlag nicht eine Steuerfestsetzung der Steuerbehörde abgewartet werden.
Es war gerade die Absicht des Gesetzgebers, gleichartige Ergebnisse bei verschiedenen Behörden zu erreichen, doppelte Arbeit durch mit der Steuer nicht befaßte Behörden zu vermeiden und Aufgaben der Massenverwaltung willkürlich aus ihrem Sachzusammenhang zu lösen. Der Gesetzgeber wollte gerade durch die Anlehnung des Einkommensteuerbegriffes im Kindergeldrecht an das EStG die fachliche und personelle Kompetenz der Finanzbehörden nutzen. Diese verfügen, soweit es um die Einkommensteuerveranlagung sowie die dafür notwendigen Ermittlungen und Feststellungen geht, über die dazu erforderliche Sachkunde und die speziellen, das Steuergeheimnis berücksichtigende, verfahrensrechtlichen Möglichkeiten. Gerade bei steuerlichen Sachverhalten, die sich über mehrere Jahre erstrecken können (zB die vom Kläger begehrte Anwendung des § 7b EStG), verfügen nur die Finanzbehörden über die Mittel und Unterlagen, um derartige Vorgänge kontinuierlich über einen längeren Zeitraum zutreffend zu beurteilen. Im Rahmen des Steuerfestsetzungsverfahrens stehen dem Steuerpflichtigen auch Rechtsbehelfe zur Verfügung, die eine behördliche und notfalls gerichtliche Überprüfung durch die Finanzgerichte als die dazu berufenen Fachgerichte ermöglichen. Dies alles würde ins Gegenteil verkehrt, wenn die Beklagte trotz Vorliegens einer bestandskräftigen Steuerfestsetzung (§ 155 AO) für den maßgebenden Berechnungszeitraum eigene Einkommensteuerermittlungen anstellen müßte.
Gestützt wird dieses Ergebnis auch durch die in der Entstehungsgeschichte des § 11 a BKGG zum Ausdruck gekommene Absicht des Gesetzgebers. Nach der Begründung zum Entwurf des 11. Gesetzes zur Änderung des BKGG (BT-Drucks 10/2886, S 7, BR-Drucks 615/84, S 7) soll der Zuschlag sich nach den Einkommensverhältnissen des Jahres bemessen, für das er zu zahlen ist. Das lasse sich praktisch nur bewältigen, wenn über die Zahlung endgültig erst entschieden wird, wenn die steuerliche Behandlung des Einkommens abgeschlossen ist (§ 11 a Abs. 7 BKGG). Wegen der engen inhaltlichen Verknüpfung des Kindergeldzuschlages mit dem Kinderfreibetrag sollte klargestellt werden, daß der Steuerbescheid und seine Änderungen bindende Wirkung für das Kindergeldverfahren entfalten (BR-Drucks 615/84, S 4).
Daß nach dem Willen des Gesetzgebers bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens im BKGG die Feststellungen der Steuerbehörden im Steuerbescheid zugrunde gelegt werden sollen, zeigt auch die Entwicklungsgeschichte des BKGG seit dem Haushaltsbegleitgesetz (HBeglG) 1983 vom 20. Dezember 1982 (BGBl I 1587). Bei der dort eingeführten einkommensabhängigen gestaffelten Minderung des Kindergeldes vom zweiten Kind an sollte sich § 11 BKGG hinsichtlich des maßgeblichen Jahreseinkommens an die entsprechende Regelung des § 21 Abs. 1 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) idF des 7. Gesetzes zur Änderung des BAföG vom 13. Juli 1981 (BGBl I 625) anlehnen (BT-Drucks 9/2140, S 86), die gewährleisten sollte, daß der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens die Feststellungen der Finanzbehörden im Steuerbescheid zugrunde gelegt werden können; dadurch sollen die Behörden bei der Durchführung des BAföG entlastet werden. Auch das Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) folgte in § 6 BErzGG diesem Vorbild, wie die Begründung in den Materialien zu diesem Gesetz ergibt (BT-Drucks 10/3792, S 17).
Ferner bestätigt auch die weitere Gesetzesentwicklung, daß die Steuerbescheide der Finanzämter bei der Feststellung des zu versteuernden Einkommens maßgebend sein sollen. Da bei Einkünften, deren Besteuerung nach ausländischem Steuerrecht und nicht nach dem EStG erfolgt, ein Rückgriff auf den Festsetzungsbescheid der (deutschen) Steuerbehörde nicht möglich war, war der Gesetzgeber gezwungen, durch § 11 Abs. 2a BKGG idF des HBeglG 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1314) das Problem durch eine besondere Einkommensberechnung abweichend von § 11 Abs. 1, 2 BKGG zu lösen.
Der Senat hat zwar die Beklagte für verpflichtet gehalten, „bei einer eindeutigen Fallgestaltung”, den Kindergeldzuschlag auch ohne durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleich oder Einkommensteuerveranlagung zu gewähren (BSG 14. Februar 1991, SozR 3-5870 § 11 a Nr. 2). Dies kann jedoch nur gelten, wenn die für die Feststellung der Leistung notwendigen Ermittlungen ausnahmsweise ohne großen Aufwand und speziell geschultem Personal möglich sind. Sobald jedoch komplizierte steuerrechtliche Beurteilungen und steuerliche Spezialkenntnisse erforderlich sind, kann aus Gründen der vom Gesetzgeber gewollten Verwaltungspraktikabilität für die endgültige Entscheidung über die Gewährung des Kindergeldzuschlages nicht von der Durchführung der Einkommensveranlagung durch die Finanzverwaltung abgesehen werden. Der vorliegende Fall bietet keine derartige Fallgestaltung.
Der Kläger macht Werbungskosten im Zusammenhang mit der abhängigen Tätigkeit, Verluste aus Vermietung und Verpachtung nach § 7b EStG sowie eine Vorsorgepauschale geltend. Hinzu kommt die Anwendung des besonderen Steuersatzes nach § 32b EStG.
Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, ausnahmsweise das zu versteuernde Einkommen des Klägers festzustellen. Das Verlangen des Klägers, nach seinem Willen Verwaltungsaufgaben zu verlagern, ist ebenso gesetzwidrig wie unangemessen. Nachdem der Kläger das zu versteuernde Einkommen nicht durch eine entsprechende steuerliche Festsetzung durch das Finanzamt nachgewiesen hat, erfolgte die vorläufige Gewährung des Kindergeldzuschlages für das Jahr 1986 zu Unrecht. An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn die Beklagte, wie in der Revision vorgetragen, Informationen bei der Steuerverwaltung eingeholt hätte. Die Beklagte war daher berechtigt, diese Leistung entsprechend dem Vorbehalt zurückzufordern.
Die Revision des Klägers konnte demnach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen