Bundesrat stimmt Steuerentlastungsgesetz 2022 zu
Nach Beratungen des Koalitionsausschusses am 23.2.2022 hatten sich die Koalitionspartner u. a. auf steuerliche Entlastungen geeinigt, weil die Preise für Heizöl, Gas, Sprit und Strom in den vergangenen Monaten drastisch gestiegen sind.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens: abgeschlossen | |
3. März 2022 | Referentenentwurf |
16. März 2022 | 1. Kabinettsbeschluss |
27. April 2022 | 2. Kabinettsbeschluss (zusätzliche Entlastungen) |
12. Mai 2022 | Verabschiedung Bundestag |
20. Mai 2022 | Zustimmung Bundesrat |
27. Mai 2022 | Verkündung |
Am 27.4.2022 hatte das Bundeskabinett eine Energiepreispauschale und ein Kinderbonus beschlossen. Diese weiteren Maßnahmen wurden im Finanzausschuss im Bundestag in das Steuerentlastungsgesetz 2022 eingearbeitet.
Folgende steuerliche Maßnahmen im Steuerentlastungsgesetz 2022 sollen den Preisanstieg für die Bürger abfedern:
Energiepreispauschale (EPP)
Anspruch auf die Energiepreispauschale (EPP) in Höhe von 300 EUR (neue §§ 112 ff. EStG) haben aktiv tätige Erwerbspersonen. Gemeint sind unbeschränkt Steuerpflichtige, die im VZ 2022 Einkünfte aus §§ 13, 15, 18 oder 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielen. Der Anspruch auf die EPP entsteht am 1.9.2022 und wird grundsätzlich mit der Einkommensteuerveranlagung festgesetzt.
Auszahlung über Arbeitgeber
Dies gilt jedoch nicht für Arbeitnehmer, die ihre Energiepreispauschale vom Arbeitgeber erhalten. Dies ist der Fall, wenn
- der Arbeitnehmer in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis steht und
- in eine der Steuerklassen 1 bis 5 eingereiht ist oder nach § 40a Abs. 2 EStG pauschal besteuerten Arbeitslohn bezieht (im letzteren Fall muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber schriftlich bestätigen, dass es sich um das erste Dienstverhältnis handelt),
- der Arbeitgeber eine Lohnsteuer-Anmeldung abgibt.
Die Arbeitgeber haben hierbei die Energiepreispauschale gesondert vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer zu entnehmen, die
- in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 1 EStG (monatlicher Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum) bis zum 10.9.2022,
- in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG (Kalendervierteljahr) bis zum 10.10.2022 und
- in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG (Kalenderjahr) bis zum 10.1.2023 anzumelden und abzuführen ist.
Übersteigt die insgesamt zu gewährende EPP den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, wird der übersteigende Betrag dem Arbeitgeber von dem Finanzamt, an das die Lohnsteuer abzuführen ist, aus den Einnahmen der Lohnsteuer ersetzt.
Der Arbeitgeber kann in den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG die EPP an den Arbeitnehmer abweichend von Abs. 2 Satz 1 im Oktober 2022 auszahlen. In den Fällen des § 41a Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 EStG kann er auf die Auszahlung verzichten.
EPP im Einkommensteuer-Vorauszahlungsverfahren
Ist eine Einkommensteuer-Vorauszahlung auch für Einkünfte aus §§ 13, 15 oder 18 EStG für den 10.9.2022 festgesetzt worden, dann ist diese Festsetzung um die EPP zu mindern.
Steuerpflicht der EPP
Die EPP ist steuerpflichtig und wird mit dem individuellen Steuersatz besteuert. Zusätzlich fallen ggf. Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag an.
Bei Anspruchsberechtigten, die im VZ 2022 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt haben, ist die EPP stets als Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG für den VZ 2022 zu berücksichtigen. Dies gilt nicht für pauschal besteuerten Arbeitslohn nach § 40a EStG. Im Lohnsteuerabzugsverfahren ist die EPP bei der Berechnung einer Vorsorgepauschale nach § 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3 Buchst. a bis c EStG nicht zu berücksichtigen.
Bei den übrigen Anspruchsberechtigten gilt die Energiepreispauschale stets als Einnahme nach § 22 Nr. 3 EStG für den VZ 2022. Die Freigrenze nach § 22 Nr. 3 Satz 2 i EStG ist insoweit nicht anzuwenden.
Die EPP ist bei einkommensabhängigen Sozialleistungen nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
Empfänger von Versorgungsbezügen (insbesondere Beamtenpensionäre) sowie Rentner, die keine der genannten Einkünfte erzielen, sowie Bezieher von ausschließlich sonstigen Einkünften erhalten keine EPP.
Kinderbonus
Zur Abfederung besonderer Härten für Familien wird für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld ein Einmalbonus in Höhe von 100 EUR über die Familienkassen ausgezahlt (§ 66 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG). Ein Anspruch auf den Kinderbonus 2022 besteht für jedes Kind, für das im Juli 2022 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Kinder, für die im Juli 2022 kein Anspruch auf Kindergeld besteht, werden ebenfalls berücksichtigt, wenn für sie in einem anderen Monat des Jahres 2022 ein Kindergeldanspruch besteht.
Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Die Zahlung erfolgt ab Juli 2022.
Höhere Entfernungspauschale
Angesichts der gestiegenen Spritpreise wird die am 1.1.2024 anstehende Erhöhung der Pauschale für Fernpendler - ab dem 21. Entfernungskilometer - vorgezogen. Sie beträgt rückwirkend zum 1.1.2022 38 Cent (§ 9 Abs. 1 Satz 3 EStG). Die Erhöhung ab dem 21. Entfernungskilometer gilt bis einschließlich 2026. Derzeit beträgt die Pauschale bis zum 20. Kilometer 30 Cent, ab dem 21. Kilometer 35 Cent.
Mit Inkrafttreten dieser Regelung kann im darauffolgenden Monat die Anpassung eines Freibetrags im Lohnsteuerabzugsverfahren beantragen werden. Die höhere Entfernungspauschale wirkt sich aber wegen des ebenfalls erhöhten Arbeitnehmer-Pauschbetrags nur insoweit aus, als der Erhöhungsbetrag den Betrag von 200 EUR überschreitet.
Auch für Steuerpflichtige mit doppelter Haushaltsführung wird die Anhebung der Entfernungspauschale vorgezogen und gilt bereits ab dem Jahr 2022.
Kritisch gesehen wurde eine höhere Pendlerpauschale vor allem vor allem bei den Grünen. Es wurde vereinbart, noch in dieser Legislaturperiode eine Neuordnung der Entfernungspauschale zu schaffen. Ökologisch-soziale Belange sollen besser berücksichtigt werden.
Höherer Arbeitnehmer-Pauschbetrag
Wer weniger weit pendeln muss, wird über einen höheren Arbeitnehmer-Pauschbetrag ebenfalls entlastet. Er wird rückwirkend zum Jahresbeginn um 200 EUR auf 1.200 EUR erhöht (§ 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. a. EStG).
Höherer Grundfreibetrag
Außerdem steigt der Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer rückwirkend zum 1.1.2022 von derzeit 9.984 EUR um 363 EUR auf 10.347 EUR steigen (§ 32a Abs. 1 EStG).
Entsprechend müsste eigentlich auch der Höchstbetrag für den Abzug von Unterhaltsleistungen auf 10.347 EUR angehoben werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies wird möglicherweise noch in einer anderen Gesetzesinitiative nachgeholt.
Rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs 2022
Die Anhebung des Grundfreibetrags und des Arbeitnehmer-Pauschbetrags schlägt unmittelbar auf die Höhe der Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer durch. Der bisher in 2022 vorgenommene Lohnsteuerabzug ist vom Arbeitgeber grundsätzlich zu korrigieren, wenn ihm dies – was die Regel ist – wirtschaftlich zumutbar ist (§ 41c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 EStG).
Die Art und Weise der Neuberechnung ist nach der Gesetzesbegründung nicht zwingend festgelegt. Sie kann danach
- durch eine Neuberechnung zurückliegender Lohnzahlungszeiträume,
- durch eine Differenzberechnung für diese Lohnzahlungszeiträume oder
- durch eine Erstattung im Rahmen der Berechnung der Lohnsteuer für einen demnächst fälligen sonstigen Bezug erfolgen.
Technisch gehe die rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs mit der Aufstellung geänderter Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2022 einher. Die Finanzverwaltung werde nach Verabschiedung dieses Änderungsgesetzes entsprechende Programmablaufpläne aufstellen und bekanntmachen.
Hinweis: Die Finanzverwaltung hat am 30.3.2022 Programmablaufpläne veröffentlicht, deren Anwendung ab 1.6.2022 vorgesehen ist. Auch ein Entwurfsschreiben zu den geänderten Programmablaufplänen wurde bereits veröffentlicht (s. hierzu unsere News "Geänderte Programmablaufpläne für den Lohnsteuerabzug 2022").
Durch die rückwirkende Änderung des Lohnsteuerabzugs ergebe sich keine Auswirkungen bei einem auf einen Zeitpunkt vor Verkündung dieses Änderungsgesetzes gebildeten Faktor (§ 39f EStG). Dieser behalte weiter seine Gültigkeit, längstens bis Ende 2023 (s. § 39f Abs. 1 Satz 9 EStG).
Hinweis: Maßnahmen aus dem zweiten Entlastungspaket in anderen Gesetzentwürfen
Zudem hatte das Bundeskabinett am 27.4.2022 die Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Änderung des Energiesteuerrechts zur temporären Absenkung der Energiesteuer für Kraftstoffe ( Energiesteuersenkungsgesetz) beschlossen. Der Bundestag hat das Gesetz am 19.5.2022 verabschiedet. Das Für die Monate Juni bis August ist darin vorgesehen, die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das Europäische Mindestmaß abzusenken. Die Steuerentlastung für Benzin beträgt damit 30 Cent je Liter, für Diesel 14 Cent je Liter.
Eine Verdoppelung der Einmalzahlung für Empfänger von Sozialleistungen auf 200 EUR wurde als Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen in den Entwurf des Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetzes eingebracht und am 12.5.2022 im Bundestag verabschiedet.
Die Bundesregierung bietet ein ÖPNV-Ticket für neun EUR im Monat an. Die Maßnahme soll bundesweit für die Monate Juni bis August 2022 gelten. Die Finanzierung des "9 für 90"-Tickets wird mit dem Siebten Gesetzes zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes umgesetzt.
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besten Dank für den Hinweis. Das wird gleich korrigiert.
MfG, Frank Holst, Haufe Online Redaktion