BAG, Urteil v. 9.9.2020, 4 AZR 161/20
Soweit einem Mitarbeiter schichtbezogen von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt verschiedene Arbeitsbereiche übertragen werden (entweder die Tätigkeit als Praxisanleiter oder rein pflegerische Tätigkeiten), handelt es sich um 2 Arbeitsvorgänge im Tarifsinn.
Sachverhalt
Die Beklagte, welche mehrere Krankenhäuser betreibt, bildet Kranken- und Gesundheitspfleger aus und beschäftigt in einem Klinikum, in welchem auch der Kläger als Krankenpfleger tätig ist, 5 hauptberuflich tätige sog. Vollzeit-Praxisanleiter. Neben diesen werden zahlreiche Pflegekräfte, die eine entsprechende Fortbildung absolviert haben, teilweise als Praxisanleiter eingesetzt (sog. "Teilzeit-Praxisanleiter"). Im Jahr 2002 absolvierte auch der Kläger erfolgreich eine Fortbildung, die ihn zur Tätigkeit als Praxisanleiter berechtigt, und ist seitdem bei der Beklagten als Teilzeit-Praxisanleiter eingesetzt. Überwiegend ist er jedoch weiterhin in der Patientenversorgung tätig. Der konkrete Einsatz erfolgt durch Dienstplan, durch welchen dem Kläger im Vorhinein von der Beklagten mitgeteilt wird, an welchen Tagen und in welchen Schichten er für die Betreuung eines Auszubildenden zuständig ist. Er erhält Entgelt nach der EG P 7 Teil B Abschnitt XI Ziffer 1 der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Er begehrt nun die Eingruppierung nach der EG P 8. Er führte hierzu aus, dass es sich bei der Praxisanleitung i. S. d. Fallgruppe 2 der EG P 8 um ein sog. Funktionsmerkmal handele und die gesamte Tätigkeit von Praxisanleitern einen einzigen großen Arbeitsvorgang darstelle. Da er über die entsprechende Qualifikation verfüge, ihm auch die Funktion von der Beklagten übertragen worden sei und er diese Tätigkeit regelmäßig ausübe, sei das Tätigkeitsmerkmal erfüllt. Insbesondere seien Praxisanleitung und Pflegetätigkeit untrennbar miteinander verbunden; denn auch während der Praxisanleitung übe er pflegerische Tätigkeiten aus und trage hierfür die Verantwortung. Auch wenn keine Auszubildenden anwesend seien und er "nur" pflege, erledige er seine Arbeit als Praxisanleiter. Die Beklagte brachte dagegen vor, der Kläger werde nicht mindestens zur Hälfte seiner Tätigkeit mit Aufgaben eines Praxisanleiters beschäftigt, sondern sei weit überwiegend in der Patientenversorgung tätig.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Vergütung nach EG P 8 TVöD/VKA habe, da er trotz dem Vorhandensein der für Praxisanleiter in der Pflege geforderten berufspädagogischen Zusatzqualifikation keine "entsprechende Tätigkeit" ausübe; denn seine auszuübende Tätigkeit umfasse vorliegend nicht mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge, die die Anforderungen des tariflichen Tätigkeitsmerkmals erfüllen.
Das BAG führte hierzu aus, dass gem. § 12 Abs. 2 Sätze 1 und 2 TVöD/VKA der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert sei, deren Tätigkeitsmerkmale die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspreche, was wiederrum der Fall sei, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllten. Somit sei Bezugspunkt für die tarifliche Bewertung der Arbeitsvorgang. Gemäß der PE zu § 12 TVöD/VKA seien Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Ob hierbei eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führten, sei eine natürliche Betrachtungsweise und die durch den Arbeitgeber vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. U.U. könne die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Dagegen könnten Einzeltätigkeiten dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt seien. Hierfür reiche jedoch nach Auffassung des BAG die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus.
Auf den vorliegenden Fall bezogen handelte es sich bei der auszuübenden Tätigkeit des Klägers nicht um einen einheitlichen Arbeitsvorgang, sondern es lagen hier 2 Arbeitsvorgänge im Tarifsinn vor. Ein Arbeitsvorgang sei, so das Gericht, die Tätigkeit des Klägers als Praxisanleiter für Auszubildende. In dieser Zeit sei die Zuweisung eines Auszubildenden auch untrennbar mit der Patientenversorgung auf der Station verbunden, da die Arbeitsergebnisse "fachgerechte Patientenversorgung" und "Anleitung der Auszubildenden" in dieser Zeit tatsächlich nicht getrennt seien. Der Kläger habe während der gesamten Dauer dieser Schichten aufgrund direktionsrechtlicher Zuweisung die Funktion als Praxisanleiter auszuüben, selbst wenn er hierbei auch im Einzelfall pflegerische Aufgaben auszuführ...