Zum Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und den ihm innewohnenden Umsetzungsschwierigkeiten habe ich schon mehrfach Anmerkungen gemacht. Bei uns im Süden sagt man „Du kannst einem Ochsen auch ins Horn kneifen“, wenn man sagen möchte, dass alle Anstrengungen ohnehin nichts bringen. Diese Wendung fällt mir nun ein, wenn ich den neuesten Gesetzesentwurf lese!
Zeitarbeit: Politisches Ziel und Ambition
Die Regierung will, dass Zeitarbeit nur vorübergehend eingesetzt wird. Irgendwann ist der Punkt gekommen, an dem man das nun einmal akzeptieren muss. Wir haben eine Demokratie, es hätte ja jeder anders wählen können. An diesem Punkt weiter herumzumäkeln hieße, den vorgenannten Ochsen zu kneifen. Vergebene Müh. Also: 18 Monate, mit Tarifvertrag auch länger. Das ist zumindest handhabbar, und – klar – vom Verhandlungsgeschick abhängig.
Auch sollen Leiharbeitnehmer (möglichst rasch) der Stammbelegschaft gleichgestellt werden. Das folgt zumindest einer inneren politischen Logik. Man braucht dieser ja nicht zu frönen, aber schlüssig ist das. Dies wird zwar Folgen haben, aber die scheint die Regierung ja in Kauf nehmen zu wollen.
Insofern kann man zumindest sagen: Das Gesetz ist geeignet, den politisch erklärten Willen herbeizuführen.
AÜG: Einige Details des Entwurfs
Nach dem Lapsus der vergangenen Reform – so spricht §13b AÜG vom Zugang zu "Gemeinschaftseinrichtungen", ohne diese genauer zu definieren; auch die "wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts" sind ebenfalls nicht definiert – hatte ich die Hoffnung, dass der Gesetzgeber auf die Stimmen aus der Praxis achtet.
Sehen wir uns nun den Entwurf an: Es ist zu begrüßen, dass im neuen § 8 Abs. 1 AÜG tatsächlich eine Konkretisierung erfolgen soll. Dort heißt es: "Werden im Betrieb des Entleihers Sachbezüge gewährt, kann ein Wertausgleich in Euro erfolgen". Abgesehen davon dass ich als Jurist erwartet hätte, dass der Wertausgleich "abgegolten" werden kann (in Deutschland natürlich in Euro; sollten wir zur DM zurückkehren, haben die Verlage alleine auf Grund dieser Regelung einen Anlass, die Gesetzestexte neu aufzulegen), ist die Klarstellung begrüßenswert.
Fehlanzeige: Keine Klarstellungen und Modernisierung des AÜG
Nun ja, mit einem kleinen Haken: Was ist der "Wertausgleich"? Der Aufwand des Unternehmers, den Sachbezug herzustellen? Der Aufwand des Leiharbeitnehmers, den Sachbezug ersatzweise zu beschaffen? Der steuerliche Sachbezugswert? Schade, das mit dem Versuch der Klarstellung ging nicht ganz glatt.
Nur für den Fall, dass ein Tarifvertrag den Mindestlohn unterschreitet, ist alles klar: Im Entwurf sagt § 8 Abs. 2 Satz 3, dass in diesem Fall "der Verleiher dem Leiharbeitnehmer für jede Arbeitsstunde das im Betrieb des Entleihers für eine Arbeitsstunde zu zahlende Arbeitsentgelt zu gewähren" hat. So klar wünsche ich mir auch die übrigen Regelungen zu Equal Pay und Equal Treatment.
Honi soit qui mal y pense
Es ist ja nicht so, dass die Kollegen im BMAS nicht wüssten, dass es zusätzliches Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Leistungszulagen, Akkordentgelt, Zuschläge et cetera gibt. Es ist ihnen auch klar, dass es andere "Gemeinschaftseinrichtungen" als die im Gesetz beispielhaft genannten Kinderbetreuungseinrichtungen, Gemeinschaftsverpflegung und Beförderungsmittel gibt. Und ebenso ist ihnen klar, dass die Abgrenzung zu "Sozialeinrichtungen" und "Sozialleistungen" nicht immer leicht fällt. Warum dann also wiederum keine Klarstellungen: Was gehört dazu, was nicht?
Wenn ich drei Wünsche frei hätte: Einer wäre ganz sicher, diese Regelung so konkret und rechtssicher auszugestalten, dass sie ohne Auslegungsschwierigkeiten verständlich und wirklich anwendbar ist. Oder haben wir nicht einen Anspruch auf klare, verständliche Gesetze?
Oder will die Bundesregierung gar ganz anderes mit dieser Regelung – etwa die Unternehmer an die Wand fahren indem sie erst einmal bei den Arbeitsgerichten "austesten" müssen, was geht und was nicht – das Risiko der Unwirksamkeit und dessen Folgen vor Augen?
Konzernprivileg: Chimäre oder Hybris?
Beim Lesen der Begründung des Entwurfs wird es nochmals spannend: "Die Ausnahmeregelung … ähnelt … dem für die Privatwirtschaft zugänglichen Konzernprivileg." Gemeint ist die Ausnahmeregelung für den öffentlichen Dienst. Danach soll, § 16 I Nr. 2a, 2b des Entwurfs zum AÜG, die Überlassung innerhalb des öffentlichen Dienstes grundsätzlich zulässig sein, wenn ein Tarifvertrag dies vorsieht und "Arbeitsbedingungen auf vergleichbarem Niveau" gelten, so die Begründung.
So gut hätte es die Privatwirtschaft auch gerne! Den Begriff der "Gestellung" erfinden und dann privilegiert werden. Warum dann nicht diese Regelung auch für Konzerne? Wieder Schade, eine Chance verpasst.
Nein, diese Regelung ähnelt mitnichten dem – reichlich gestutzten – Konzernprivileg. Modern, nein, modern ist das auch nicht. Und nein, diese Gespaltenheit ist auch sachlich nicht nachvollziehbar. Und warum das dann auch noch für Religionsgemeinschaften gelten soll? Vermutlich weil diese – das wissen wir ja aus etlichen obskuren Fallgestaltungen vor den Arbeitsgerichten – "per se Gutes tun"?
Umsetzbarkeit: Noch einen Wunsch zu Weihnachten?
Habe ich noch einen Wunsch frei – obwohl ich dieses Mal so böse zum BMAS bin? Vielleicht weil bald Weihnachten ist? Wenn ja: Bitte, liebes BMAS, verstehe, dass ich es nicht böse meine. Und bitte, liebes BMAS, mir geht es wirklich nur um die Umsetzbarkeit des Gesetzes. Die politische Messe ist gesungen, denke ich – aber bitte, lass uns nun an eine praktikable Umsetzung denken.
Alexander R. Zumkeller, Präsident des Bundesverbands der Arbeitsrechtler in Unternehmen (BvAU). blickt in seiner Kolumne aus der Unternehmenspraxis auf arbeitsrechtliche Themen und Trends.