Ein arbeitsrechtlicher Rückblick auf die Ampelkoalition


Ein arbeitsrechtlicher Rückblick auf die Ampelkoalition

Die Ampelkoalition ist auseinandergebrochen, im Februar wird ein neuer Bundestag gewählt. Unser Kolumnist Alexander R. Zumkeller wirft einen Blick  zurück, schaut aber auch schon nach vorne und wünscht sich, dass die künftige Regierung mehr auf die Praktiker hören möge.

Ich bin mir unschlüssig, ob wir angesichts des abrupten Endes der Ampelkoalition froh oder traurig gestimmt sein sollen. Damit meine ich nicht die persönliche politische Frage, sondern "wir" im Sinne von "wir Arbeitsrechtler", "wir Betriebspraktiker".

Vielleicht froh gestimmt

Nun ja, es ist in den letzten Jahren viel passiert. Froh stimmen sollte, was nicht passiert ist:

  • ein Tariftreuegesetz, das praktisch nicht umsetzbar ist (siehe auch diese Kolumne). Praktische Probleme und enorme Aufwände blieben uns allen erspart. Das Gesetz wird in der jetzigen Konstellation auch nicht mehr kommen.
  • ein Homeoffice-Anspruch, vergleichbar mit dem Teilzeitanspruch. Auch das wäre kaum umsetzbar gewesen und zum anderen schlicht Gesetzesballast, der mal wieder erst dann gekommen wäre, nachdem die Unternehmen längst gehandelt haben und das Thema bereits betrieblich geregelt haben. Eine solche Regelung hätte andere Mechanismen, Fristen und dergleichen eingeführt, die wiederum eher zu Rechtsstreitigkeiten als zu Rechtsfrieden geführt hätten.
  • eine Umsetzung der Entscheidung des EuGH zur Arbeitszeiterfassung, welche über die rechtlichen Vorgaben der europäischen Richtlinie hinausgeschossen wäre, weil zwei sogenannte "Gutachten" dies empfohlen hatten.

.. aber auch traurig gestimmt

Traurig kann man sein, weil die Chance zu weiterer Entrümpelung des Arbeitsrechts, um den Tarifparteien und den Betriebspartnern mehr Handlungsspielräume zu geben, nun nicht mehr ergriffen werden kann (dazu mehr in dieser Kolumne).

Eine gesetzliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung mit den europarechtlich möglichen Ausnahmen (etwa für außertariflich Beschäftigte oder Außendienstmitarbeitende) (mehr zum Thema in dieser Kolumne) kommt nicht – und damit auch keine Flexibilisierung der Arbeitszeit selbst.

Der Wunsch nach einer echten Reform der betrieblichen Altersversorgung, die die Unternehmen vor Administrationsballast und unkalkulierbaren Kosten bewahrt und damit das Instrument – ohne staatlichen Zwang – attraktiver macht, ist wie eine Seifenblase zerplatzt.

Was nun?

Erst einmal: Stillstand. Im Arbeitsrecht wird es nicht so laufen wie bei dem außerordentlich wichtigen und dringenden Gesetz zur Änderung der Rechtslage bei der Vererbung von Bauernhöfen – das erste der jetzigen Minderheitsregierung. Nein, "unsere" Gesetzesvorhaben bleiben liegen. Vielleicht gut so. Vielleicht besser als das Hin und Her, das wir beim Nachweisgesetz erlebt haben. Erst strenge Schriftform (als einziges Land in Europa, weil es ja europarechtlich geboten gewesen ist), dann doch wieder Textform. Dumm nur, dass die Unternehmen schon all ihre Prozesse aufwändig geändert hatten als die Regierung endlich zur Vernunft gelangte.

Wir wissen nicht, wie die Wahl im Februar ausgehen wird. Ich habe in den letzten Jahren vieles dazugelernt: Da gibt es eine Partei, der man in Sachen Wirtschaft an sich gar keinen Pragmatismus zutraut, die sich aber hervorgetan hat durch Fragen und Verstehenwollen. Die Diskussionen dort in der Wirtschaftsvereinigung machen Spaß – nicht, weil man immer einer Meinung ist, sondern weil dort wirklich zugehört wird und man verstehen will. Eine andere, bekannt wirtschaftsnahe Partei, die ebenfalls lernen wollte von den Praktikern, hat sich geduldig die praktischen Einwände und Kosteneffekte für die Unternehmen angehört, um diese Erkenntnisse dann in der politischen Diskussion umzusetzen. Eine weitere Partei habe ich erlebt, die im Wesentlichen vom politischen Willen getrieben ist, fernab des Pragmatismus, den sie vor gut 20 Jahren noch hatte. Und schließlich noch eine Partei, deren Spitzenvertretung mir gesagt hat: "es macht viel Spaß mit Ihnen zu diskutieren – aber wir werden nie eine gemeinsame Meinung haben". All diesen Parteien und Parteivertretern besten Dank für die letzten Jahre. Dann war da noch eine Partei, die auch politisch stark getrieben ist, bei der man aber in Diskussionen gespürt hat, dass sie nach wie vor gedanklich in den 1960er Jahren gefangen ist. Etwas spaßfrei, wenn ich das so sagen darf, ach was, ich sag es einfach! Und noch zwei weitere Parteien, mit denen ich – glücklicherweise oder leider, wie man es sehen mag – nicht in Diskussion kam. Ich sage hier nicht welche Parteien ich damit jeweils anspreche – das mag der Fantasie des geneigten Lesers überlassen bleiben. Schließlich soll das eine unpolitische Kolumne sein.

Was wird kommen? Wünsche haben darf man ja: Ich wünsche mir eine Regierung mit starker Beteiligung von Politikern, die lernen wollen, wissen wollen und hören wollen, bevor sie umsetzen. Als Ergebnis mag kommen was will, aber ich wünsche mir, dass politische Entscheidungen im Bewusstsein der Folgen getroffen werden. Und ich wünsche mir volle Transparenz, welche Aufwände und welche Kosten man bereit ist, den Unternehmen für die Umsetzung des politischen Willens aufzuerlegen.

Ja, ist denn schon Weihnachten?

Nein, noch haben wir ein wenig Zeit bis Weihnachten, auch wenn in den Supermärkten längst Zuckergebäck und Lebkuchen feilgeboten werden. Aber wünschen darf man ja das ganze Jahr über. Dass die nächste Regierung die Praktiker befragt, bevor sie Gesetzesentwürfe veröffentlicht, ist auch so ein Wunsch. Rechtsklarheit, Rechtssicherheit, Transparenz, Umsetzbarkeit – und Deregulierung. Hat jemand gesagt, ich hätte drei Wünsche frei? Es sind nun doch fünf geworden!

Schlagworte zum Thema:  Gesetzgebung, Bundesregierung, Politik, Arbeitsrecht