Interview: Arbeitgeber sollten Sachverhalt umfassend aufklären
Haufe Online-Redaktion: Herr von Alvensleben, das BAG hat zuletzt entschieden, dass die private Nutzung von Dienstcomputern etwa zur Herstellung von Raubkopien grundsätzlich einen Kündigungsgrund darstellt. Worauf müssen Arbeitgeber nun achten?
Volker von Alvensleben: Für die Beurteilung, ob die private Nutzung eines Dienstcomputers eine Kündigung rechtfertigen kann, kommt es maßgeblich darauf an, ob dem Arbeitnehmer dies erlaubt oder verboten wurde. Ein Dienstcomputer stellt letztendlich nichts anderes als ein Betriebsmittel dar. Dieses ist grundsätzlich zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke bestimmt. Dem Arbeitgeber steht es frei, die private Nutzung von Dienstmitteln arbeitsvertraglich näher zu regeln. Hierzu bietet es sich an, die Nutzung zu privaten Zwecken ausdrücklich zu untersagen. Nutzt ein Arbeitnehmer entgegen eines solchen Verbots ein Betriebsmittel, wie beispielsweise einen Computer, so verletzt er damit auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten. Ein solcher Verstoß kann ein wichtiger Grund zur Kündigung darstellen.
Haufe Online-Redaktion: Ist dann immer eine Kündigung möglich?
von Alvensleben: Ob die unmittelbare Kündigung gerechtfertigt ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls. Hier gilt es eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Eine Rolle spielt hierbei insbesondere der Umfang und die Schwere des Verstoßes und ob das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber nachhaltig geschädigt ist. Insbesondere strafrechtlich relevantes Verhalten sowie die Verletzung der Vermögensinteressen des Arbeitgebers wiegen hier schwer. So hat der betroffene Arbeitnehmer im erwähnten Urteil gegen geltendes Urheberrecht verstoßen und DVD-Rohlinge des Arbeitgebers entwendet. Hat der Arbeitnehmer hingegen beispielsweise nur einmalig in seiner Mittagspause mit dem Computer des Arbeitgebers eine Foto-CD mit Erinnerungsbildern auf einen eigenen Rohling kopiert, dürfte die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen nur sehr gering sein. Das lässt sich zumindest aus einem Urteil des LAG Köln vom 15.12.2003, Az. 2 Sa 816/03, schließen. In einem solchen Fall kommt zunächst der Ausspruch einer Abmahnung zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit in Betracht.
Haufe Online-Redaktion: Im konkreten Fall ging es ja um den Verdacht der Urheberrechtsverletzungen. Worauf müssen Arbeitgeber achten, wenn Mitarbeiter bei einem solchen Verdacht gekündigt werden sollen?
von Alvensleben: Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das BAG in seiner Pressemitteilung zu seiner Entscheidung bisher lediglich klargestellt hat, dass im Missbrauch von Dienstmitteln, unabhängig davon, ob darin zugleich ein strafbewehrter Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz liegt, grundsätzlich ein Grund zur fristlosen Kündigung liegen kann. Das Gericht hat die Entscheidung in der Sache zur weiteren Aufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Darin kommt auch zum Ausdruck, wie wichtig und bedeutend die Sachverhaltsermittlung und -feststellung ist. Der Arbeitgeber hatte sich in dem Fall etwas voreilig auf den Vorwurf eingeschossen, dass der Kläger alleinig nach § 106 UrhG strafbare Vervielfältigungen mit seinem Dienstrechner erstellt hat. Im Rahmen seiner Ermittlungen hat der Arbeitgeber den Sachverhalt jedoch umfassend aufzuklären. In einem späteren Kündigungsschutzprozess trägt er nämlich auch die Beweislast dafür, dass nicht solche Tatsachen vorgelegen haben, die das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigen oder entschuldigen. Im benannten Fall betraf dies insbesondere die Mitwirkung anderer Bediensteter beim Erstellen der Kopien. Der Arbeitgeber sollte daher stets darauf achten den Sachverhalt umfassend aufzuklären und die zu Tage tretenden Beweise zu sichern.
Haufe Online-Redaktion: Was ändert sich durch das BAG-Urteil?
von Alvensleben: Dem BAG-Urteil kommt insoweit eine klarstellende Funktion zu, Arbeitnehmern wieder ins Bewusstsein zu rufen, welchen Zweck die ihnen zur Verfügung gestellten Betriebsmittel haben. Dies betrifft insbesondere auch den Bereich der Kommunikation wie beispielsweise Messenger- und E-Mail-Programme, aber auch die Nutzung von Browser-Applikationen. Ob die Arbeitgeber aufgrund des Urteils etwaige Missbrauchsfälle verstärkt verfolgen werden, bleibt abzuwarten.
Volker von Alvensleben ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner bei DLA Piper in Hamburg.
Das Interview führte Michael Miller, Redaktion Personal.
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