Überhöhte Vergütung rechtfertigt keine fristlose Kündigung
Auf welche Kündigungsgründe kann ein Arbeitgeber sich berufen? Das Arbeitsgericht Hamm hatte über die Kündigung eines in Teilzeit tätigen Facharztes für Gefäßchirurgie zu entscheiden. Der Arbeitgeber wollte das Arbeitsverhältnis auflösen, weil die vereinbarte Vergütung von zuletzt 9.166 Euro im Monat angesichts der Anzahl der von ihm durchgeführten Operationen nicht angemessen sei. Das Arbeitsgericht Hamm konnte schon keinen Grund erkennen, der an sich geeignet war, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Außerordentliche Kündigung wegen unangemessener Vergütung
Der Fall im Detail: Nach einem Wechsel im Dezember 2019 in der Geschäftsführung kündigte der Klinikbetreiber im Jahr 2020 das Arbeitsverhältnis mit dem Chirurgen außerordentlich, hilfsweise ordentlich. Die Kündigung begründete der Arbeitgeber mit einer überhöhten und nicht angemessenen Vergütung des Arztes. Sie liege um ein Vielfaches über dem, was üblicherweise ein Krankenhaus an einen Arzt zahle.
Der Chirurg ist seit 2008 bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 13 Stunden als Facharzt für Chirurgie mit dem Schwerpunkt Gefäßchirurgie tätig. Der Arbeitsvertrag aus dem Jahre 2008 sah dafür eine monatliche Grundvergütung in Höhe von 2.112,50 Euro plus Bonuszahlung vor. Seit 2014 erhielt er eine monatliche Vergütung in Höhe von 11.500 Euro zuzüglich einer Bonuszahlung, eine Gehaltszahlung in der Vergangenheit auf 9.166 Euro hatte er akzeptiert.
Gekündigter Chirurg legt Kündigungsschutzklage ein
Der Arbeitgeber bezweifelte, dass der Chirurg als niedergelassener Arzt überhaupt 13 Stunden die Woche habe arbeiten können. Insgesamt habe er zu wenig Operationen durchgeführt. Daher bestehe der Eindruck, dass den Gehaltszahlungen keine entsprechende Gegenleistung gegenübergestanden habe. Der Facharzt betreibt neben dieser Tätigkeit als niedergelassener Arzt eine Fachambulanz für Gefäß- und Endovaskuläre Chirurgie. Vor Gericht wehrte er sich gegen seine Kündigung. Mit seiner Kündigungsschutzklage machte er geltend, dass er entsprechend seiner arbeitsvertraglichen Bestimmungen tätig geworden sei.
LAG Hamm: Kündigung des Chirurgen war unwirksam
Das Arbeitsgericht Hamm hat die Kündigung des Chirurgen für unwirksam erklärt. Aus Sicht des Gerichts lag kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor. Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG, da dem Chirurgen keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung zur Last gelegt werden könne.
Zu wenig Leistung für zu viel Gehalt?
Ein Fehlverhalten des Chirurgen war für das Gericht auch sonst nicht ersichtlich. Die konkrete Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses müsse der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts gemäß § 106 GewO festlegen und dem Arbeitnehmer die entsprechenden Tätigkeiten zuweisen. Der Arzt könne die Anzahl der durchgeführten Operationen nicht selbst beeinflussen. Der Arbeitgeber könne daher mit der Anzahl der vorgenommenen Operationen nicht belegen, dass der Facharzt keine seiner Vergütung entsprechenden Tätigkeit verrichtet habe.
Zu hohe Vergütung als Kündigungsgrund?
Der Arbeitgeber konnte aus Sicht des Gerichts auch eine zu hohe Vergütung nicht als Kündigungsgrund heranziehen. Der Arbeitsvertrag sowie die Änderungsverträge hätten ihre Grundlage in der Vertragsfreiheit. Dass der Facharzt das Angebot angenommen habe, begründe keine Pflichtverletzung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass er durch irgendein Verhalten auf den Arbeitgeber eingewirkt habe, um einen unangemessenen Vertrag zu erhalten.
Für den Fall, dass die Höhe der an den Chirurgen gezahlten Vergütung tatsächlich wirtschaftlich nicht vertretbar sei, habe der Arbeitgeber als milderes Mittel zunächst einer Änderungskündigung in Erwägung zu ziehen.
Hinweis: Arbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17.12.2020, Az: 1 Ca 330/20
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