BAG: Keine Festanstellung von Leiharbeitnehmern bei Scheinwerkverträgen
Sind Arbeitnehmer als Fremdpersonal offiziell via Werkvertrag in einem Unternehmen tätig, so können diese auch dann keine Festanstellung im eingesetzten Unternehmen verlangen, wenn es sich tatsächlich um einen Scheinwerkvertrag handelt und eine – vom Werkvertrag vermeintlich verdeckte – Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die verleihende Firma – quasi als Fallschirm für den Umstand, dass der Werkvertrag nicht wirksam ist – eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung besitzt. Das hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung bei Scheinwerkvertrag
Verhandelt wurde die Klage einer Frau, die von 2004 bis 2013 als technische Zeichnerin beim Automobilhersteller Daimler gearbeitet hat. Basis war eine als Werkvertrag bezeichnete Vereinbarung mit dem Vertragsarbeitgeber der Frau. Die Mitarbeiterin argumentierte nun, ihr Arbeitgeber und der Automobilhersteller hätten Scheinwerkverträge abgeschlossen, um die Arbeitnehmerüberlassung zu verdecken.
Zwar bestünde eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung bei ihrem Vertragsarbeitgeber. Dieser könne sich jedoch aufgrund des vermeintlich vorgeschobenen Werkvertrags, also aufgrund der verdeckten Arbeitnehmerüberlassung, nicht darauf berufen. Vielmehr hätte sie damit Anspruch auf eine Festanstellung bei Daimler.
Trotz Scheinwerkvertrag: Kein Arbeitsverhältnis zum Entleiher
Das verneinten die höchsten deutschen Arbeitsrichter. Zwischen Daimler und der technischen Zeichnerin ist auch dann kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen, wenn diese auf der Grundlage eines Scheinwerkvertrags als Leiharbeitnehmerin überlassen worden wäre, stellte das BAG fest. Denn § 10 Abs. 1 Satz 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) fingiert in Verbindung mit § 9 Nr. 1 AÜG das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses ausschließlich bei fehlender Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis des Verleihers. Maßgeblich sei also die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Diese lag jedoch im konkreten Fall vor.
BAG: keine planwidrige Regelungslücke, keine analoge Anwendung
Für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift bei verdeckter Arbeitnehmerüberlassung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat für eine solche nicht offene Arbeitnehmerüberlassung bewusst nicht die Rechtsfolge der Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher angeordnet.
Damit bestätigten die Erfurter Richter die Entscheidung der Vorinstanz, des LAG Baden-Württemberg, und widersprachen gleichzeitig einer anderen Kammer desselben Gerichts. Diese hatte Ende 2014 das AÜG noch anders ausgelegt und entschieden, dass sich ein vermeintlicher Auftragnehmer bei Scheinwerkverträgen nicht auf seine bestehende (Vorrats-) Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis berufen kann.
Neuregelung zu Werkvertrag und Leiharbeit ab Januar
Allerdings: Die BAG-Richter haben ihre aktuelle Entscheidung auf Grundlage des AÜG in seiner jetzigen Fassung getroffen. Dennoch wird sich künftig die Rechtslage genau in dem vom BAG entschiedenen Sachverhalt ändern – soweit der Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf gegen Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträgen im Herbst beschließen wird.
Danach gilt voraussichtlich ab Januar 2017 eine neuer § 1 Abs.1 Satz 5 AÜG, wonach "die Überlassung von Leiharbeitnehmern […] in dem Vertrag zwischen Verleiher und Entleiher ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung zu bezeichnen" ist. Geschieht dies nicht, schreibt der Gesetzgeber künftig nach § 9 Nr. 1a AÜG vor, dass der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag unwirksam sei und dass nach § 10 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer als zustande gekommen gilt.
Hinweis: BAG, Urteil vom 12. Juli 2016, Az. 9 AZR 352/15; Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 7. Mai 2015, Az. 6 Sa 78/14
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