Ermäßigte Besteuerung für vorzeitige Abfindung
Abfindungen oder andere Zahlungen im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses können unter weiteren Voraussetzungen nach der sogenannten Fünftelregelung tarifermäßigt besteuert werden.
Abfindung: Voraussetzungen einer Entschädigung
Das gilt aber nur, wenn die Voraussetzungen einer Entschädigung erfüllt sind. Dazu muss an Stelle der bisher geschuldeten Leistung eine andere treten und diese "andere Leistung" muss auf einem eigenständigen Rechtsgrund beruhen. Ein solcher Rechtsgrund wird regelmäßig Bestandteil der Auflösungsvereinbarung sein. Eine Entschädigung, die aus Anlass einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis vereinbart wird, setzt zudem den Verlust von Einnahmen voraus, mit denen der oder die Mitarbeitende rechnen konnte.
Als weitere Voraussetzung gemäß BFH Urteil vom 13.03.2018 - IX R 16/17, muss der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst worden sein oder der beziehungsweise die Betroffene muss unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck gestanden haben. Der oder die Arbeitnehmende darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben. Zahlt ein Arbeitgeber im Zuge der (einvernehmlichen) Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, ist nach der Rechtsprechung jedenfalls in der Regel davon auszugehen, dass die Betroffenen die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht allein aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.
Ermäßigte Besteuerung auch bei Vorliegen der "Sprinterklausel"
In einem aktuellen Urteil betont jedoch das Hessische Finanzgericht ( Hessisches FG Gerichtsbescheid vom 31.05.2021 - 10 K 1597/29), dass die einvernehmliche Auflösung eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig (auch) im Interesse des Arbeitgebers erfolgt. Eine im Gegenzug gezahlte Abfindung sei daher in der Regel als Entschädigung ermäßigt zu besteuern. Das Gericht hat die ermäßigte Besteuerung auch für eine zusätzliche Abfindung bejaht, die für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt wird.
Geklagt hatte eine Mitarbeiterin, die mit ihrem Arbeitgeber zusätzlich zum Aufhebungsvertrag mit Abfindung eine sogenannte "Sprinterklausel" vereinbart hatte. Diese besagte, dass der Mitarbeiterin das Recht eingeräumt wurde, gegen einen weiteren Abfindungsbetrag das Arbeitsverhältnis vor dem eigentlich vereinbarten Zeitpunkt zu beenden. Die Betroffene hatte dieses Recht ausgeübt und die weitere Abfindung erhalten.
Ermäßigte Besteuerung bei "Sprinterklausel" bleibt strittig
Das Finanzamt unterwarf nur die eigentliche Abfindung der ermäßigten Besteuerung, nicht aber den aufgrund der Ausübung der Sprinterklausel erhaltenen Betrag. Es verwies dabei auf eine rechtskräftige Entscheidung aus Niedersachsen ( Niedersächsisches FG Urteil vom 08.02.2018 - 1 K 279/17), welche die ermäßigte Besteuerung für Erhöhungsbeträge zur Abfindung bei vorzeitiger Kündigung durch den Arbeitnehmer verneint hatte.
Das Hessische Finanzgericht hat nun anders entschieden und der Klage stattgegeben. Nach seiner Auffassung ist auch der weitere Abfindungsbetrag ermäßigt zu besteuern, denn auch diese Abfindung finde ihren Rechtsgrund in der Aufhebungsvereinbarung und sei nicht getrennt davon zu betrachten. Die Entscheidung ist zwar ebenfalls rechtskräftig, bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung des Bundesfinanzhofs sind in diesem Punkt jedoch weitere Rechtsstreitigkeiten mit der Finanzverwaltung absehbar.
Fünftelregelung: Zusammenballung von Einkünften erforderlich
Als weitere Voraussetzung für die Anwendung der Fünftelregelung muss eine Zusammenballung von Einkünften vorliegen. Das setzt voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Jahr zufließen. Der Zufluss mehrerer Teilbeträge in unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen ist deshalb grundsätzlich schädlich (Ausnahme geringfügige Nebenleistungen bis zu zehn Prozent).
Außerordentliche Einkünfte liegen zudem nur dann vor, wenn der oder die Betroffene infolge der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einschließlich der Entschädigung in dem Jahr insgesamt mehr erhält, als er oder sie bei ungestörter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, also bei normalem Ablauf der Dinge, erhalten würde.
Kann ein Arbeitgeber die erforderlichen Feststellungen für die Vergleichsberechnung nicht treffen, muss er im Lohnsteuerabzugsverfahren die Besteuerung ohne Tarifermäßigung durchführen, also zunächst die volle Lohnsteuer einbehalten. Die ermäßigte Besteuerung kann dann gegebenenfalls erst bei der Steuererklärung im Veranlagungsverfahren durchgeführt werden.
Zu weiteren Einzelheiten hinsichtlich der Anwendung der Fünftelregelung bei Abfindungen hat die Finanzverwaltung ausführlich Stellung genommen, siehe dazu BMF, Schreiben v. 1. November 2013, IV C 4 - S 2290/13/10002, mit Änderungen durch Schreiben v. 4. März 2016, IV C 4 - S 2290/07/10007 : 031.
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