Die Pflegeversicherung und ihr Rahmen: PUEG, DaBPV, ZfA und Co.


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Kolumne Entgelt: Die Pflegeversicherung und ihr Rahmen

Der Gesetzgeber wartet aktuell mit einem neuen digitalen Verfahren in der sozialen Pflegeversicherung auf. Die Grundlage zur Erhebung der berücksichtigungsfähigen Kinder wird ELStAM bieten. Doch ist das wirklich sinnvoll? Woran es beim sogenannten DaBPV hakt, beleuchtet Beraterin Birgit Ennemoser in ihrer ersten Entgelt-Kolumne auf unserem Portal.

Die Lohnabrechnung und die Anforderungen dazu unterliegen einem stetigen Wandel, doch manchmal ist es ein wenig viel Wandel, dem nicht immer ausreichend Planung zugrunde zu liegen scheint. Ein Eingeständnis, eine Runde länger in der  gegenwärtigen Situation zu verharren, wäre manchmal sinnvoller und ist sicher kein Scheitern oder Unfähigkeit, sondern schlicht oftmals Pragmatismus.

Worauf ich mich beziehe? Derzeit beschäftigt uns in der Lohnabrechnung das DaBPV – das Datenaustauschverfahren zur Beitragsdifferenzierung in der sozialen Pflegeversicherung. Durch das Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) ist ab dem 1. Juli 2023 der Beitragssatz in der Pflegeversicherung nach der Anzahl der Kinder differenziert worden.

Grundlage für den digitalen Datenaustausch

Am Anfang erhielten wir, als Lohnabrechner und Arbeitgeber, vom Gesetzgeber noch viel Freiheit: Wie die Daten der Kinder vorgehalten werden, schien erst einmal nicht von großer Bedeutung – von genauer Abfrage mit Nachweisen über Selbstmeldung durch die Arbeitnehmenden bis hin zu "wir tun gar nichts" waren alle Möglichkeiten zugelassen.

Der Gesetzgeber sollte bis spätestens 1. Juli 2025 ein neues digitales Verfahren zur Erhebung und zum Nachweis der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder zur Verfügung stellen. Dass dies nicht einfach werden würde, war eigentlich vorauszusehen, gibt es doch bis dato trotz vielfältiger Bemühungen nur wenige Stellen, die Kinderdaten digital abrufbar bereitstellen. Eine solche Stelle benötigt man aber, um ein digitales Verfahren wie oben beschrieben anbieten zu können. 

Dass ELStAM die Grundlage für die Daten bieten wird, verwundert teils, da anfangs extra festgelegt wurde, die Kinderdaten wären im Bereich der Pflegeversicherung unabhängig von ELStAM und den Kindergeldern zu betrachten. Ein Umschwenken ließe sich hinnehmen, wenn wir damit alle Daten in die Lohnabrechnung rückgemeldet bekämen. Das lässt sich über ELStAM aber nicht bewerkstelligen, da viele für die Pflegeversicherung maßgebliche Kinder steuerlich nicht erfasst werden und damit auch keinen Eingang in die ELStAM-Datenbank finden.

Warum keine Verlängerung des bisherigen Nachweisverfahrens?

Wäre es nicht einfacher gewesen, das bisherige Nachweisverfahren zu verlängern? Sicher hätte auch das wieder ungute Bemerkungen auf den Plan gerufen: "Warum schaffen wir denn nicht einmal eine Datenübermittlung?" und ähnliche Hinweise sehe ich da schon vor mir. Aber wäre das so schlimm gewesen? Die Unzufriedenheit ist nun hoch, da wir eine bekannte technische Lösung wie ELStAM anwenden sollen, die aber unter einem neuen Namen - Datenaustauschverfahren zur Beitragsdifferenzierung in der sozialen Pflegeversicherung (DaBPV) – eher erst einmal zu Verwirrung führt und die Lohnabrechnung in der Praxis nach wie vor dazu zwingt, weitere Nachweise für die Kinder anzufordern.  

Es ist ein schöner Ansatz, dass wir im Lohn nicht dazu verpflichtet sind, die Kinderdaten ab 1. Juli 2025 über das neue Verfahren zu hinterfragen. So sieht es das DaBPV vor. Die in der Lohnabrechnung betreuten Mitarbeitenden werden das aber tun und Fragen dazu stellen, die uns als Lohnabrechner und Arbeitgeber dann doch wieder zur Papiervariante bzw. zu den Meldungen durch die Arbeitnehmenden zurückführen. Daran hatten wir uns im Großteil schon gewöhnt und dies erfolgreich eingeführt – auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Warum also nicht einfach fortführen?

Fehlender Blick auf die Blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse

Es ist sicher keine Schande, ein Projekt noch einmal zurückzustellen, wenn es bereits einen pragmatischen Weg der Nachweiserbringung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmenden gibt. Klarheit wäre hier oftmals hilfreicher als rasche Umsetzungen, die technisch nicht vollständig sind - damit meine ich auch die vermeintliche Anfangs-Option, keine Nachweise von den Arbeitnehmenden einzufordern, die uns zum 1. Juli 2023 angeboten wurde. Zum 1. Juli 2025 wird die Nutzung dieser dritten Option dann aber "unter Strafe gestellt", indem Arbeitgeber Zinsen zahlen müssen, wenn sie zu hohe Pflegeversicherungsbeiträge aufgrund fehlender Nachweise abgeführt haben. Verständlich wäre auch hier eine Umsetzung ab 1. Juli 2025 für die Zukunft. Die Zinsansprüche sollen den Arbeitnehmenden aber rückwirkend ab 1. Juli 2023 eingeräumt werden.

Als Lohnabrechner wissen wir, dass viele unserer eingesetzten Lohnprogramme Rückkorrekturen maximal auf den Beginn des Vorjahres zulassen, in diesem Fall also bis zum 1. Januar 2024. Zugelassen wird hier aber die Zinsbetrachtung ab 1. Juli 2023 - und hier wissen die Praktikerinnen und Praktiker unter Ihnen: Willkommen auf dem SV-Meldeportal; wir müssen hier manuell berechnen, was an der Pflegeversicherung korrigiert werden muss und die Meldungen/Beitragsnachweise dazu händisch über zugelassene Programme absetzen. 

Ich möchte nicht dafür votieren, jemandem ein Recht zu nehmen – aber einen Blick auf wirtschaftliche Verhältnisse zu behalten. Der höchstmögliche Beitrag zur Pflegeversicherung beläuft sich 2023 auf monatlich 99,75 Euro je Mitarbeiter. Dieser kann sich auf maximal 34,90 Euro bei fünf (!) Kindern reduzieren. Zu viel gezahlt wurden dann also im Worst Case ca. 65 Euro. Der Gesetzgeber sieht die Korrektur dazu vor, verständlich. Er nimmt aber auch noch einen Zinsanspruch von 4 Prozent Zinsen auf: das sind 2,60 Euro. Scheint diese Summe den hier entstehenden administrativen Aufwand zu rechtfertigen? Wie einfach wäre es gewesen, das Nachweisverfahren schlicht vorzuschreiben. Vermeintliche Zugeständnisse und Flexibilität, die später dann geahndet wird, sind nicht zielführend.

Mehr Zeit und klare Anweisungen sparen Kräfte

Hier passen die Überlegungen nicht zusammen - und das stimmt unzufrieden. Hätte man ab Beginn gleich ein Übergangszeitfenster von z. B. fünf Jahren angekündigt, wäre dies problemlos akzeptiert worden.

Meine Bitte daher an alle Entscheider auf diesen Positionen: Wir haben in der Lohnabrechnung großes Verständnis für komplexe Abläufe und uns ist klar, dass eine Abfrage von Kinderdaten für die Pflegeversicherung viele Stellen mit umfassen muss - Kranken- und Pflegekassen als beitragsabführende Stellen und Zahlstellen, die zur Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen verpflichtet sind, das Bundeszentralamt für Steuern, um an die Kinderdaten zu kommen, und dann noch eine Verbindungsstelle, die die Daten für die Rentenversicherung (DSRV) bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) und die Kassen aufbereitet und abruft, in unserem Fall die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen - ZfA bei der DRV Bund. Wenn also absehbar ist, dass ein solches Verfahren nicht schnell aus der Taufe gehoben werden kann, lassen Sie sich und uns mehr Zeit und überzeugen Sie uns dann mit einem finalen Verfahren und klaren Anweisungen dazu. Das würde viele Kräfte sparen und Zeit lassen, den Fokus auf wichtige Themen zu setzen.


Über die Kolumnistin: Birgit Ennemoser ist mit knapp 30 Jahren praktischer Erfahrung in den verschiedenen Sparten des Personalwesens vorrangig beratend sowie als Trainerin, Seminarleiterin und Autorin tätig. Seit 2009 leitet sie das Geschäftsfeld Personal Services der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Rechtsberatung Auren in Stuttgart.