Minderheitsgesellschaftern einer GmbH drohen hohe Nachforderungen
Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) werden zur Folge haben, dass bei Betriebsprüfungen nun verstärkt diese Statusfälle aufgegriffen werden - mit der Konsequenz der Versicherungspflicht für Minderheitsgesellschafter.
Minderheitsgesellschafter sind versicherungspflichtige Beschäftigte
Zunächst stellt sich die elementare Frage, wann eine Person als Minderheitsgesellschafter angesehen wird und was eine Stimmrechtsbindung überhaupt darstellt.
Minderheitsgesellschafter einer GmbH sind Personen, welche einen Anteil an der GmbH unter 50 % halten. Mit dieser geringen Beteiligung verfügen sie jedoch über keine „entscheidende Rechtsmacht“ und können keine Beschlüsse verhindern, z. B. die eigene Abberufung (Entlassung). Seit dem „Schönwetterurteil“ des BSG (Urteil v. 29.08.2012,B 12 KR 25/10 R) wird eben dieser häufig angetroffene Personenkreis als versicherungspflichtige Beschäftigte beurteilt. Auch die freie Einteilung der Arbeitszeit ist kein abschließendes Argument mehr, auf eine Selbständigkeit zu plädieren.
Das gilt insbesondere für Gesellschafter-Geschäftsführer, welche „Kopf und Seele“ des Unternehmens sind und über einen alten Befreiungsbescheid der Krankenkasse verfügen. Auch die Minderheitsgesellschafter mit alleiniger Branchenkenntnis sind nun grundsätzlich als Beschäftigte anzusehen
Hinweis: Die Folgen dieses Urteils werden wohl ab diesem und nächstem Jahr richtig deutlich. Denn spätestens ab 2016 verjähren die nachzufordernden Gesamtsozialversicherungsbeiträge. Für die DRV ein Grund mehr, nach dem Rechten zu schauen.
Schönwetterurteil meist unbeachtet
Mit dem „Schönwetterurteil“ entschied das BSG überraschend, dass eine familiäre Rücksichtnahme in einer GmbH bei der Beurteilung einer Beschäftigung keine Rolle mehr spielen darf. Somit sind Familienangehörige, welche keinen entscheidenden Einfluss auf die GmbH (z. B. als Minderheitsgesellschafter) haben, als versicherungspflichtig anzusehen und rückwirkend anzumelden. Das Urteil blieb in der Praxis meist unbeachtet, daher trifft dies nun eine hohe Anzahl von Firmen.
Stimmrechtsbindung sollte Versicherungspflicht verhindern
Um die hohen Nachforderungen zu verhindern, schlossen die Minderheitsgesellschafter nun gemeinsam einen Vertrag mit dem Inhalt, zukünftig nur noch einstimmig abzustimmen (Stimmbindungsvertrag). Damit sollte die 50 % Hürde überwunden und eine sog. Sperrminorität erlangt werden. Ziel war es, nicht genehme Beschlüsse oder Weisungen abzuwenden. Damit hätten diese Minderheitsgesellschafter wieder eine „Rechtsmacht“ wie ein selbständiger Unternehmer und eine Beschäftigung nach § 7 SGB IV wurde vermieden. Beflügelt wurde diese Vorgehensweise u. a. durch eine Entscheidung des LSG Hessen (Urteil v. 15.5.2014, L 1 KR 235/13).
Falle: Stimmrechtsbindungsverträge außerhalb des Gesellschaftervertrags
Die betroffenen Firmen haben jedoch versäumt, die Stimmrechtsbindung in die Gesellschaftsverträge aufzunehmen. Anlässlich der Betriebsprüfungen wurde dies festgestellt und von der DRV konsequenterweise beanstandet. In drei Musterverfahren klagte die DRV dies innerhalb kürzester Zeit bis zum BSG und bekam Recht. Stimmrechtsbindungsverträge außerhalb von Gesellschaftsverträgen entfalten keine Wirkung bei der Beurteilung einer Beschäftigung. Selbst dann nicht, soweit diese notariell beglaubigt sind.
Was sollten Unternehmen veranlassen?
Seit dem Schönwetterurteil im Jahr 2012 sollten alle Minderheitsgesellschafter einer GmbH überprüft werden. Dies gehört zu den Arbeitgeberpflichten.
Betroffen davon ist nicht nur eine GmbH. Das Schönwetterurteil greift tiefer. Es sind alle Beschäftigungsverhältnisse zwischen Angehörigen unter familiären Beziehungen zu überprüfen.
Betroffene Personenkreise:
- Geschäftsführer von UG, GmbH, GmbH & Co KG
a. Unter 50%igen Beteiligung
- Beschäftigte einer UG, GmbH, GmbH & Co KG
a. Als bisher mitarbeitende Familienmitglieder
b. Soweit diese als versicherungsfrei eingestuft worden sind
->Hier droht die Nachforderung
- Beschäftigte einer OHG, KG, GbR
a. Soweit diese mit bis zu 50 % der Stimmrechte beteiligt und als normale Arbeitnehmer anzusehen sind, als versicherungsfrei eingestuft wurden
->Hier droht die Nachforderung
Tipp: Klarheit gibt ein Statusfeststellungsverfahren. Im Ergebnis drohen aber auch hier enorme Nachforderungen, denn die Sachlage scheint klar. Wer den Antrag stellt erhält auch den Bescheid, und das rückwirkend.
Alternativ sollten die Verträge durch einen Juristen oder Experten begutachtet werden. Eine Handlungspflicht des Geschäftsführers entsteht auch nach § 43 GmbH-Gesetz. Denn dieser hat Schaden von der GmbH abzuwehren und im Schadensfalle diesen der Gesellschaft zu ersetzen.
(BSG, Urteile v. 11.11.2015, B 12 R 2/14; B 12 KR13/14; B12 KR 10/14R)
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