Probleme und Lösungen zum Arbeitsstättenbegriff
Unter einer regelmäßigen Arbeitsstätte versteht man den ortsgebundenen Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit eines Arbeitnehmers.
Früher konnte ein Mitarbeiter, der in mehreren betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers tätig war, durchaus mehrere regelmäßige Arbeitsstätten nebeneinander haben. Die Finanzverwaltung ging bereits von einer regelmäßigen Arbeitsstätte aus, wenn eine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers 46mal im Jahr aufgesucht wurde, unabhängig von der Verweildauer und der dortigen Tätigkeit.
Neuerdings sind folgende Grundsätze zu beachten:
- Der BFH hat in seinen Urteilen zur regelmäßigen Arbeitsstätte bei mehreren Tätigkeitsstätten vom 9.6.2011 (VI R 55/10, VI R 36/10 und VI R 58/09, BStBl 2012 II S. 38, 36 und 34) entschieden, dass ein Arbeitnehmer nicht mehr als eine regelmäßige Arbeitsstätte je Arbeitsverhältnis innehaben kann.
- Der Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit bestimmt sich nach den qualitativen Merkmalen der Arbeitsleistung, die der Mitarbeiter an dieser Arbeitsstätte wahrnimmt sowie nach dem konkreten Gewicht dieser dort verrichteten Tätigkeit. Lässt sich eine herausgehobene bzw. zentrale Bedeutung einer betrieblichen Einrichtungen des Arbeitgebers nicht feststellen, dann gibt es keine regelmäßige Arbeitsstätte und es liegt insgesamt eine Auswärtstätigkeit vor.
- Regelmäßige Arbeitsstätten sind dadurch gekennzeichnet, dass sich der Arbeitnehmer auf einen immer gleichen Weg einstellen und so die Fahrtkosten mindern kann – etwa durch Bildung von Fahrgemeinschaften, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Wahl seines Wohnsitzes.
Zur Anwendung der neuen Rechtsprechung hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 15.12.2011 (IV C 5 - S 2353/11/10010, BStBl 2012 I S. 57) Stellung genommen. Die neuen Grundsätze der Urteile sind in allen offenen Fällen allgemein anzuwenden.
Dies bedeutet für den Lohnsteuerabzug im Regelfall eine Anwendung ab 2012. Ausnahmen können sich ergeben, wenn der Lohnsteuerabzug 2011 oder eines früheren Jahres noch nicht abgeschlossen ist. Im Rahmen ihrer Steuererklärung können sich Mitarbeiter auch für frühere Jahre, insbesondere für 2011, auf die Neuregelungen berufen.
Darüber hinaus trifft die Verwaltung folgende „Vereinfachungsregelungen“:
I. d. R. ist von einer regelmäßigen Arbeitsstätte auszugehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der dienstrechtlichen/arbeitsvertraglichen Festlegungen einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist oder in einer betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers
- arbeitstäglich,
- je Arbeitswoche einen vollen Arbeitstag oder
- mindestens 20 % seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
tätig werden soll (Prognoseentscheidung).
Wird im Einzelfall hiervon abweichend geltend gemacht, dass eine andere betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers eine regelmäßige Arbeitsstätte ist oder keine regelmäßige Arbeitsstätte vorliegt, ist dies anhand des inhaltlichen (qualitativen) Schwerpunktes der beruflichen Tätigkeit nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.
Auch nach dem Anwendungserlass blieben viele Einzelfragen offen. Die meisten beantwortet nun eine ergänzende Verfügung der OFD Rheinland (S 2338 - 1015 - St 215) und der OFD Münster (S 2353 - 20 - St 22 - 31) vom 29.3.2012 anhand einer ganzen Palette von Beispielsfällen.
Auswirkungen
Die Reduzierung der regelmäßigen Arbeitsstätten auf maximal eine bringt vor allem Vorteile für die Firmenwagenbesteuerung und bei der Reisekostenerstattung.
Firmenwagen
Liegt eine regelmäßige Arbeitsstätte vor, sind - neben der 1 %-Regelung für Privatfahrten - pauschal monatlich 0,03 % des Listenpreises für jeden Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu versteuern, wenn das Fahrzeug auch zu diesem Zweck genutzt werden kann. Durch Wegfall bzw. Reduzierung der regelmäßigen Arbeitsstätte(n) ergeben sich für die Betroffenen deutliche Lohnsteuerentlastungen. Fahrten zu Betriebsstätten des Arbeitgebers, die keine regelmäßige Arbeitsstätte darstellen, sind dann nämlich beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten. Stellt der Arbeitgeber dem Mitarbeiter für solche Fahrten einen Firmenwagen zur Verfügung, handelt es sich um steuerfreien Reisekostenersatz.
Verpflegungsspesen
Bei der Spesengewährung hängen die Abwesenheitsdauer und damit die Höhe des Verpflegungsmehraufwandes davon ab, dass der Mitarbeiter von zu Hause und außerhalb einer regelmäßigen Arbeitsstätte tätig ist. Durch Reduzierung der regelmäßigen Arbeitsstätten steigen die Möglichkeiten für steuerfreien Spesenersatz. Liegt eine mindestens 8-stündige Abwesenheit vor, können pro Tag 6 EUR steuerfrei erstattet werden.
Achtung: Für Auswärtstätigkeiten am gleichen Ort gilt unverändert die sog. 3-Monats-Frist für die Tagesspesen. Die Tagesspesen sind für eine Tätigkeit am gleichbleibenden Ort (z.B. Kundeneinsatz, Großbaustelle) auf die ersten 3 Monate begrenzt. Danach werden evtl. weitergezahlte Verpflegungsspesen steuerpflichtig. Die 3-Monats-Frist findet allerdings keine Anwendung, wenn die auswärtige Tätigkeitsstätte an nicht mehr als (1 -) 2 Tagen wöchentlich aufgesucht wird.
Fahrtkosten
In der Praxis wird zudem häufig übersehen, dass durch eine regelmäßige Arbeitsstätte auch der Fahrtkostenersatz bezüglich der Auswärtstätigkeit deutlich eingeschränkt wird. Für eine Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist keine steuerfreie Erstattung möglich, sondern nur ein Abzug der Entfernungspauschale beim Arbeitnehmer. Für Fahrten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit können dem Mitarbeiter die Fahrtkosten steuerfrei ersetzt werden. Für Fahrten mit dem Pkw zum Betrieb sind dies ohne Einzelnachweis 0,30 EUR je gefahrenen Kilometer. Hier gibt es keine zeitliche Befristung.
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