Rücksicht auf Familienverhältnisse kein rechtliches Kriterium mehr

Das BSG hat in seinen Urteilen vom 29.8.12 B 12 KR 25/10 R und B 12 R 14/10 R bestätigt, dass die familiäre Rücksichtnahme kein rechtlich entscheidendes Kriterium mehr darstellt. Frühere Rechtsprechungen nach der entscheidungsrelevant war, ob die zu beurteilende Person mit dem Gesellschafter familiär verbunden ist, sind überholt.
Rechtsmacht maßgebend
Dem Merkmal der Rechtsmacht in der Firma wird eine entscheidende Bedeutung beigemessen; es steht damit im Vordergrund. Tatsächliche gelebte Verhältnisse im Betrieb sind bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung nur zu berücksichtigen, soweit sie rechtlich zum Beispiel im Gesellschaftervertrag klar vereinbart sind.
Familiäre Konfliktsituation kann Folgen haben
Das jeweilige Vertragsverhältnis ist von wichtiger Bedeutung. Bisheriges freies Schalten und Walten in der Firma führt künftig nicht mehr unmittelbar zur Feststellung einer selbstständigen Tätigkeit. Im ggf. auftretenden Konfliktfällen, zum Beispiel bei einem familiären Zerwürfnis, kommt es nicht mehr auf die vorher gelebten Verhältnisse an, sondern allein auf die den einzelnen Familienmitgliedern in der Firma zustehende Rechtsmacht.
Insgesamt bedeutet dies: Bei mitarbeitenden Familienangehörigen ist nicht von einer selbstständigen Tätigkeit, sondern von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Voraussetzung ist, dass die Vertragsverhältnisse keine ausreichende Rechtsmacht zum Beispiel durch eine Sperrminorität beinhalten, um unternehmenspolitische Entscheidungen zu treffen oder solche zu verhindern.
50-Prozent-Hürde bei Kapitalbeteiligungen
Maßgebend für eine zutreffende Beurteilung kann auch die Höhe der Kapitalbeteiligungen sein. Bei Gesellschafter-Geschäftsführern mit mindestens 50 Prozent Besitz am Stammkapital scheidet ebenso eine Beschäftigung aus wie bei einem mitarbeitenden Gesellschafter ohne Geschäftsführerfunktion der über mehr als 50 Prozent Besitz des Stammkapitals verfügt.
Zweifelsfälle im Voraus klären
Für die Beurteilung in der Sozialversicherung kommt es insgesamt allein auf die rechtlichen Verhältnisse an. In Zweifelsfällen bietet es sich an, bei der Clearing-Stelle der Deutschen Rentenversicherung ein optionales Statusfeststellungsverfahren einzuleiten. Nähere Informationen zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen gibt es bei der deutschen Rentenversicherung oder im Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 9.4.2014 – Anlage 3.
Kein Vertrauensschutz
Nach Auffassung der Spitzenorganisationen der Spitzenverbände stellen die Urteile des BSG aus dem Jahr 2012 eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung dar. Ein Vertrauensschutz vor dem 29.8.12 (Datum der Urteile) kommt nicht in Betracht. Es gilt daher die allgemeine Verjährungsfrist von 4 Jahren.
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