Diversity Management in Krisenzeiten

Kinder lehrt man frühzeitig, dass "Der hat aber mehr"-Vergleiche oder "Die darf aber länger aufbleiben"-Verweise nicht zur eigenen Glückseligkeit führen. Sich ständig mit anderen zu messen, zu vergleichen und vermeintliche Bevorzugungen gegenüberzustellen, führt tendenziell eher zu Unzufriedenheit und Frust – egal, wie sehr man sich selbst vorher angestrengt und für eine Aufgabe etwa in der Schule eingesetzt und gelernt hat.
Diversity muss sich an eigenen Möglichkeiten messen lassen
Der Bogen zum professionellen Diversity Management, also dem Umgang mit Vielfalt in der Arbeitswelt, ist dabei leicht gespannt. Denn auch dort gibt es immer Vergleiche, etwa im Form von in Rankings, Listen und Siegeln. Die konnte man in den letzten Jahren zunehmend käuflich erwerben, um sich zu vergleichen, wie gut die Umsetzung der gesetzlichen Quote gelungen ist oder wie viele Fahnen zum CSD gehisst wurden.
Diese "Vergleicheritis" ist aber alles andere als hilfreich. Nicht nur weil die Methoden dieser Rankings oftmals unsauber und die Kriterien fragwürdig sind. Die Platzierung der Unternehmen zeigt vor allem nicht, was die beste Version ihrer selbst sein könnte. Es fehlt nämlich der Vergleich mit den eigenen Möglichkeiten. Für die einen Unternehmen mag es nämlich ein ziemlicher Kraftakt gewesen sein, sich zu LGBT-Diversity klar zu positionieren und die CSD-Fahnen vor die – möglicherweise sehr konservativen – Werkstore zu hängen. Für andere ist das eher ein geringfügiger Erfolg, stattdessen mangelt es ihnen weiterhin an Transparenz bei Beförderungsentscheidungen, was die geringe Anzahl an Frauen in Führungspositionen erklärt.
Diversity-Programme in den USA unter Druck
Nun gibt es seit den Wahlen in den USA das Ganze auch in Negativ-Form: Wer schafft die Diversity-Programme zuerst mit welchen Begründungen ab und distanziert sich so von vermeintlich "woken" Ideologien? Also Backlash in Reinkultur?
Sicher hat das bei der ein oder anderen globalen Firma, die auch in Deutschland vertreten ist, dazu beigetragen, Diversity-Programme pauschal in Abrede zu stellen. Das ist aber ganz klar die Minderheit und keineswegs repräsentativ für den Umgang mit Vielfalt insgesamt in Deutschland.
Diversity Management als unternehmerische Notwendigkeit
Denn erstens ist hierzulande für die meisten Unternehmen schon jetzt der demografische Wandel real: Die Geburtenzahlen sind seit Jahren rückgängig, der Austritt der Babyboomer (also der ab 1950-Geborenen) absehbar und die Zuwanderung ausreichender Fachkräfte aus dem Ausland viel zu gering, um die personellen Lücken zu stopfen. Das heißt, die Unternehmen – ob sie bislang von Diversity gesprochen haben oder nicht – wissen sehr wohl, dass eine Abkehr von den Anstrengungen, vielfältige Talentgruppen anzusprechen, den eigenen Geschäftsbetrieb grundlegend gefährden dürfte.
Dabei ist es im Grunde unerheblich, ob dies aus der innersten Überzeugung geschieht, Vielfalt als etwas Positives und Schätzenswertes wahrzunehmen, oder schlicht der Notwendigkeit geschuldet ist, Stellen besetzen zu müssen, um Handwerksaufträge annehmen zu können oder den Klinikbetrieb am Laufen zu halten.
Zweitens positionieren sich deutlich mehr Firmen für Vielfalt, Akzeptanz und Geschlossenheit als jemals zuvor. Initiativen wie #Zusammenland, DemokratieStärken und Demokratie-Wählen bündeln prominent ihre Stimmen für ein demokratisches und damit per Definition plurales Deutschland.
Auf dem eigenen Teller bleiben
Was ist also zu tun? Wie kann dieses "Auf-dem-eigenen-Teller"-Bleiben konkret aussehen, insbesondere bei denen, die Diversity Management im Stellentitel tragen, also täglich in HR professionell damit umgehen müssen? Ein Mittel, um sich nicht auf Nebenschauplätzen zu verlieren, ist die Orientierung am Steuerungskreis. Er basiert auf Stephan Coveys "Circle of Concern" aus dem lesenswerten Buch "The 7 Habits of Highly Effective People. Powerful Lessons in Personal Change." Dieses Modell ist hervorragend auf Diversity Management in Unternehmen anwendbar, denn es unterscheidet in eigenes Steuern, mittelbares und unmittelbares Beeinflussen und ledigliches Wahrnehmen.

Diversity Management zwischen Wahrnehmen, Beeinflussen und Steuern
Im Alltag bedeutet das, dass sich gerade im medialen Diskurs eine Verschiebung zuungunsten von Vielfalt wahrnehmen lässt, reaktive und rassistische Kräfte Aufwind erfahren und einige Unternehmen leider ihre Anstrengungen für ein respektvolles Miteinander zurückfahren. Einfluss darauf haben Diversity Managerin in ihrer Rolle im Unternehmen nicht.
Sehr wohl beeinflussen können sie aber (weiterhin), ob diversity-relevante Inhalte in die neue Betriebsvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit oder der Umgang mit Vorurteilen in das allgemeine Curriculum für die Führungskräfteentwicklung im eigenen Haus Eingang finden.
Gezielt steuern können sie schließlich auch, welche Inhalte überhaupt gesetzt und Themen bespielt werden: Ob also Maßnahmen im Generationen-Management auf die Personal-Agenda gesetzt werden, Rassismus auf der nächsten Betriebsratsversammlung ggf. mit einem externen Speaker thematisiert oder in den Handreichungen für Beurteilungsrunden auf unbewusste Vorurteile eingegangen wird.
Beim Thema Diversity gibt es noch genug zu tun
Wenn aber doch über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut und nach Vergleichen gesucht wird, dann lohnt sich ein Blick auf die Verbündeten, die Inclusion Allies, diejenigen also, die Fortschritt nicht über Ausgrenzung anderer erreichen wollen, sondern in Kooperation und fairen Wettbewerb um die besten Lösungen für alle. Davon etwa hat die Charta der Vielfalt, der größte Branchenverband in Deutschland zur Vielfalt im Arbeitsleben, nämlich mehr als 6000. So viele Unternehmen haben sich in den letzten Jahren zur Charta bekannt und ihren sechs übergeordneten Zielen verpflichtet. Dazu zählt u.a., die eigenen Personalprozesse kritisch zu überprüfen, bisherige Ausschlussmechanismen zu identifizieren und Hürden abzubauen.
Wer also ganz bei sich bleibt und die Herausforderungen des eigenen Unternehmens klar im Fokus behält, wird feststellen, dass der eigene Teller ziemlich groß ist und selbst erst mal befüllt werden muss. Es gibt schließlich noch genug zu tun.
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