Die Folgen von "New Work" für HR


Jahreswechsel 2014-2015: New Work und die Folgen für HR

Das Thema „New Work“ hat 2014 viele Debatten bestimmt – schließlich geht es um nichts weniger als die künftige Arbeitswelt. Der Innovationexperte Stephan Grabmeier zeigt im Interview, wie "Freak Companies" die Arbeitswelt radikal umkrempeln und warum HR der Veränderung hinterherhinkt.

Haufe Online-Redaktion: Wo verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt am meisten?

Stephan Grabmeier: Die massivsten Veränderungen erleben wir seit Jahren in der radikalen Verschiebung von Marktmächten und der Veränderung von Geschäftsmodellen. Wir sehen immer mehr sogenannte "Freak Companies", die tradierte Wirtschaftsregeln außer Kraft setzen und neu definieren. Dieser Neuordnung und Geschwindigkeit müssen sich die Unternehmen stellen und ihre Antworten darauf finden. Probleme der Zukunft lassen sich aber nicht mit den Managementmethoden der Vergangenheit bewältigen. Es gibt kaum mehr Bereiche, Industrien oder Funktionen die davon nicht betroffen sind.

Haufe Online-Redaktion: Was genau ist eine "Freak Company"?

Grabmeier: Das Zukunftsinstitut hat den Begriff „Freak Companies“ erstmalig ins Leben gerufen. Es sind Firmen die alte Regeln brechen und auch in der Tiefe ganz anders funktionieren: Sie verändern die Definition, wofür ein Wirtschaftsunternehmen eigentlich gut ist. Solche "Freak Companies" sind keine Geldmaschinen mehr, sondern Machtapparate. Sie expandieren wie rasend und investieren in radikal neue, meist disruptive Projekte. Das ist ihnen langfristig wichtiger, als kurzfristig profitabel zu sein. Denn, so die Logik: Einfluss wird für Firmen wichtiger als Geld. Freak Companies vermitteln den paradoxen Eindruck irrational agierender Wirtschaftsunternehmen – Freaks eben.

Haufe Online-Redaktion: Können Sie ein Beispiel für eine „Freak Company“ nennen und zeigen, welche Wirtschaftsregeln diese auf den Kopf gestellt hat?

Grabmeier: Teilweise bekannte Beispiele sind Ausgründungen von Google, zum Beispiel das selbstfahrende Auto, der Wetterballon der aus dem Himmel entlegene Orte mit dem Internet verbindet oder Sun-Edison die riesigen Sonnenkraftwerke von Googles „Green Energy“ aber auch irre Entwicklungen wie "Parttime Scientist", ein Fahrzeug das alleine auf dem Mond fahren kann. Sehr bekannt sind heute bereits Uber, die das Personenbeförderungsgewerbe radikal auf den Kopf stellen, sowie Air-BnB, die die gesamte Hotelindustrie angreifen. Radikale Freak-Maschinerien wie Rocket Internet – bekannt unter anderem durch Zalando, Westwing oder Home 24 verändern die Machtverhältnisse. Massive Veränderungen bringt auch Elon Musk mit Tesla mit, der Ingebriff eines neuen Superstars unter den "Freak Companies". Beispiele der Musterbrecher gibt es viele und die Auswirkungen auf die Wirtschaft, das Arbeitsleben und auf die Gesellschaft werden immer spürbarer. Diese neuen Player halten sich nicht an Regeln.

Haufe Online-Redaktion: In Ihrem Blog haben Sie über vier Manifeste zu „New Work“ geschrieben – was ist die Quintessenz der Zukunftsvisionen darin?

Grabmeier: Die Quintessenz ist relativ einfach. Wir sprechen seit rund 15 Jahren über die Veränderung der Arbeitswelt und Wirtschaftsordnung hin zu Offenheit, Transparenz, Vernetzung, Agilität, Teilen und Sinnhaftigkeit. Es wird der Übergang der tradierten Management-Methodiken von komplizierten zu komplexen Systemen beschrieben und erklärt. Die konkreten Details und Ausprägungen sollten alle Personaler einmal selbst in den Manifesten nachlesen – denn die wenigsten kennen sie. Wenn ich in Vorträgen danach frage, wer zum Beispiel das Cluetrain Manifest gelesen hat, antworten nie mehr als fünf Prozent mit einem Ja.

Haufe Online-Redaktion: Personaler hinken den Entwicklungen also hinterher?

Grabmeier: Ich stelle fest, dass sich HR immer weiter ins Abseits schießt. Seit Jahren sprechen wir über die digitale Transformation und "Enterprise 2.0" – nur die wenigsten treiben das Thema aktiv. 70 Prozent haben heute weder das "Mindset" noch die "Skills" oder den Mut sich zu transformieren. Die Personaler, die verstanden haben, wie sich die Arbeitswelt 4.0 entwickelt, haben erste teilweise große Schritte in die richtige Richtung getan. Wenn HR nicht weiter an Boden und Reputation verlieren will sollte es jetzt eine digitale Runderneuerung und Neupositionierung  starten. HR-Leistungen werden teilweise in partizipativen Strukturen aufgehen. Deshalb ist eine Neudefinition notwendig, wenn man aktiver Teil der Veränderung sein möchte.

Haufe Online-Redaktion: Grenzen wir die Zukunft auf das kommende Jahr ein: Was können Personaler 2015 tun, um den Wandel mitzugehen und mitzugestalten?

Grabmeier: Manche Personaler glauben, wenn ihre Kinder ein Smartphone haben, sind sie persönlich im Zeitalter der Digitaliserung gelandet. Ganz konkret können und müssen Personaler anfangen, ihren Arbeitsplatz auf moderne Social Software und „Up to date“-Hardware sowie mobile Endgeräte umzustellen. HR sollte schnell beginnen, Know-how aufzubauen – damit sie wissen, was die Digitalisierung für HR bedeutet. Dann sollten sie damit starten, ihr HR-Portfolio für die Arbeitswelt 4.0 zu entwickeln. Darunter fällt unter anderem die Umsetzung zum Enterprise 2.0, die Demokratisierung und Flexibilisierung von Organisationsformen, die digitalen Wertschöpfungsprozesse, "New Leadership" und agile Managementmethoden wie Scrum, Kanban, "Design Thinking" oder "Lean Start Up". Auch Methoden wie "Jams" oder "Social Forecasting" darf heutzutage in keinem modernen HR-Werkzeugkoffer fehlen. Damit HR auch weiß, was es tut, sollte es zuerst bei sich beginnen, um dann seinen Kunden einen adäquaten Arbeitswelt-4.0-Service anzubieten. Meine Empfehlung für 2015 ist also: Nutzen Sie die Zeit und schauen Sie ihren Kindern über die Schulter – und übersetzen Sie das danach für ihre Arbeit.

Das Interview führte Kristina Enderle da Silva, Redaktion Personal.

Stephan Grabmeier hat bei der Deutschen Telekom AG als Head of Cultural Initiatives die interne Transformation zum Enterprise 2.0 vorangetrieben. Seitdem er 2013 sein Unternehmen namens Innovation Evangelists gründete, begleitet er Firmen bei der Entwicklung und Umsetzung von "Social Business". In seinem aktuellen Blogbeitrag zeigt er, wie Unternehmen auf "Social Forecasting" setzen können.

Tipp: Gerade ist die Shortlist der für den "New Work Award" nominierten Unternehmen erschienen, in der auch die Haufe Gruppe mit Haufe-Umantis vertreten ist. Nun können Sie über das beste Konzept zur Arbeitswelt von morgen abstimmen.