KI spielt in der Bewerbung noch keine große Rolle

Nur elf Prozent der Deutschen haben KI bereits für Bewerbungszwecke genutzt, wie eine aktuelle Studie zeigt. Arbeitgeber müssen also nicht befürchten, dass Bewerbungen durch Chat GPT und Co. austauschbar werden. Trotzdem müssen sie sich verstärkt ins Zeug legen, denn nur wenige Talente sind aktiv auf Jobsuche. Tipps für ein besseres Recruiting.

Generative KI wie Chat GPT oder Jasper Chat ist in der Lage, Texte, Bilder und Videos maschinell zu erstellen – auch Anschreiben und andere Texte in Bewerbungen. Doch aktuell geben lediglich zehn Prozent der Bewerberinnen und Bewerber an, schon öffentlich zugängliche künstliche Intelligenz genutzt zu haben, um Inhalte wie Lebenslauf und Anschreiben zu erstellen oder sich auf ein Vorstellungsgespräch vorzubereiten.

Verhaltene Nutzung von Chat GPT für die Bewerbung

Auch in naher Zukunft können sich nur zwei von zehn der Befragten vorstellen, KI für den Bewerbungsprozess einzusetzen, ergab eine Umfrage von Clever Connect in Zusammenarbeit mit dem You Gov-Institut. Befragt wurden 3.019 Personen ab 18 Jahren in Deutschland, Frankreich und Italien.

Am weitesten ist die Technologie bei den 25- bis 34-Jährigen verbreitet. Knapp ein Viertel hatte sie bereits im Einsatz. Wenig überraschend: IT-Spezialistinnen und -Spezialisten haben als "Early Adopters" die Nase vorn, was den Einsatz von Generativer KI angeht. 24 Prozent haben sie bereits im Bewerbungsprozess genutzt und 34 Prozent planen es.

Diese Zahlen machen deutlich: Die Befürchtung von Recruiterinnen und Recruitern, dass Technologien wie Chat GPT Bewerbungsunterlagen beliebig und austauschbar machen, ist aktuell völlig unbegründet. In dem Bestreben, den KI-Trend nicht zu verpassen, sollten Recruiting-Verantwortliche nicht ausblenden, dass Bewerberinnen und Bewerber andere Prioritäten setzen. So lange die Hausaufgaben rund um Reaktionszeiten, ansprechenden Content und gute Candidate Experience nicht gemacht sind, wird auch künstliche Intelligenz keinen Recruiting-Boost bringen.

Talente ansprechen: proaktiv und über persönliche Kontakte

Fakt ist: Lediglich 16 Prozent aller Befragten sind derzeit aktiv auf der Suche nach einem neuen Job. Aber knapp ein Drittel (31 Prozent der Erwerbstätigen) hört sich nach neuen Möglichkeiten um. Das betrifft insbesondere die Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen. Hier ist der Anteil der passiv Stellensuchenden mit 35 Prozent am höchsten. Demnach stecken große Chancen für Unternehmen in der Ansprache passiver Kandidatinnen und Kandidaten.

Somit nehmen Recruiting-Alternativen wie Active Sourcing, Talent Pools oder Talent Marketing (auch Nurturing genannt) immer weiter an Bedeutung zu. Doch in Deutschland scheinen die Recruiting-Teams bei der Talentsuche weniger experimentierfreudig unterwegs zu sein. Abseits von der klassischen Bewerbung auf eine Stellenanzeige finden Talente hierzulande im Moment am häufigsten über die Empfehlung aus dem Bekanntenkreis einen neuen Job (29 Prozent). Andere Ansätze wie Active Sourcing (20 Prozent), Talent Pools (zwölf Prozent) oder Nurturing (14 Prozent) werden bisher wenig genutzt.

Talente anziehen: mit konkreten Stellenbeschreibungen und Gehaltsangaben

Der Bewerbungsprozess ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt, wenn es darum geht, Talente für sich zu gewinnen. Viele Unternehmen verlieren aufgrund komplizierter Verfahren und unvernetzter Systeme interessante Kandidatinnen und Kandidaten. 38 Prozent der Befragten geben an, dass sie sich nicht auf eine offene Vakanz bewerben würden, wenn das Stellenangebot nicht detailliert beschrieben ist. 35 Prozent sehen bei fehlenden Angaben zur Vergütung von einer Bewerbung ab.

Weitere 31 Prozent verzichten auf die Einreichung der Bewerbungsunterlagen, wenn die Benutzeroberfläche der Webseite schlecht und das Absenden der Bewerbung dadurch sehr umständlich ist. 27 Prozent der Befragten erwarten Informationen zu Unternehmenskultur und Werten. Sind diese nicht in der Stellenbeschreibung zu finden, kommt für sie eine Bewerbung nicht in Frage.

Talente pflegen: den Talent Pool aktiv fürs Recruiting einsetzen

Eine Absage heißt nicht, dass diese für immer sein muss: 60 Prozent der Befragten wollen, dass ein Unternehmen weiterhin mit ihnen in Kontakt bleibt, auch wenn sie für den aktuellen Job nicht genommen wurden. Ein Drittel der Befragten erhofft sich durch die Aufnahme in einen Talent Pool weitere Stellenangebote des Unternehmens, die dem eigenen Profil entsprechen.

Diese Möglichkeit wird von Unternehmen in Deutschland noch nicht richtig genutzt: Lediglich 14 Prozent der Berufstätigen wurden bisher von einem Unternehmen kontaktiert, bei dem sie sich bereits beworben und eine Absage erhalten haben. In Frankreich und Italien wird deutlich häufiger auf die Kandidaten im Talent Pool zugegriffen: 27 Prozent der französischen Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer sowie 24 Prozent der Befragten aus Italien wurden auf diese Weise bereits erneut kontaktiert.

Fazit: Aktiv werden und auf eine gute Candidate Experience achten

Unternehmen verschenken bei Recruiting noch zu viel Potenzial, wie die Ergebnisse der Studie zeigen. Der derzeitige Arbeitsmarkt ist mit passiven Kandidatinnen und Kandidaten gut ausgestattet und Arbeitgeber können sich dieses Arbeitskräftepotenzial gut erschließen, wenn sie neben dem klassischen "Post and Pray"-Ansatz auf weitere Recruiting-Maßnahmen wie Active Sourcing oder richtig genutzte Talent Pools setzen. Diese Maßnahmen lassen sich übrigens auch hervorragend kombinieren. Zudem muss der Bewerbungsprozess eine nahtlose, intuitive Candidate Experience sicherstellen. Andernfalls verlieren Unternehmen auf ganzer Linie: Talente, Geld und ihre innovative Zukunft.


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