Personalpolitik im Konjunkturabschwung

Die Konjunktur stottert, die Automobilbranche schwächelt. Bosch-Chef Volkmar kündigte jüngst einen spürbaren Stellenabbau an. Doch welche anderen Möglichkeiten haben Unternehmen in der Konjunkturflaute? Friedhelm Pfeiffer vom Leibnitz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim klärt auf.

Seit Mitte des letzten Jahres stottert die Konjunktur. Seitdem werden auch die Wachstumsprognosen für Deutschland nach unten revidiert. Aktuell gehen viele Prognosen von 0,8 bis einem Prozent Wirtschaftswachstum für 2019 aus. Das entspricht etwa einer Halbierung der letztjährigen Prognosen für dieses Jahr. Die Signale für die weitere Konjunkturentwicklung sind nicht eindeutig. Vorstellbar ist, dass sich die derzeitige Prognose als zu optimistisch oder zu pessimistisch erweist. Zu den gesamtwirtschaftlichen Risiken insbesondere für die exportorientierte deutsche Industrie zählen unter anderem der Brexit, weltweit zunehmende Handelskonflikte sowie auch eine Wachstumsdrosselung in China. Hinzu kommen Risiken, die sich aus geändertem Konsumverhalten ergeben können. Aktuelles Beispiel ist der Rückgang der Nachfrage nach PKWs mit Dieselmotoren infolge der Dieselkrise und eine Zunahme der Nachfrage nach Elektroautos. Doch wie wirkt sich der Konjunkturabschwung auf die Beschäftigung aus? Und was bedeutet das für die Personalpolitik von Großunternehmen?

Arbeitszeitverkürzung als kurzfristige Maßnahme

Einer abschwächenden Konjunktur begegnen Unternehmen zumeist mit drei personalpolitischen Maßnahmen: verkürzte Arbeitszeiten, verzögerte Neueinstellungen oder Entlassungen. Während Arbeitszeiten zu reduzieren den geringsten Aufwand darstellt, liegt dieser beim Personalabbau am höchsten. Zu welchem dieser Mittel Unternehmen greifen, hängt auch von deren Umsatzprognose ab. Verkürzte Arbeitszeiten erscheinen aus personalpolitischer Sicht besonders dann attraktiv und sind kurzfristig realisierbar, wenn ausreichend viele Beschäftigte die Arbeitszeit reduzieren möchten und/oder bereits Überstunden angesammelt haben. Es ist davon auszugehen, dass diese beiden Voraussetzungen nach rund einer Dekade mit moderaten Wachstumsraten (etwa zwei Prozent pro Jahr) erfüllt sind. Viele Erwerbstätige möchten, das zeigen Befragungen, ihre Arbeitszeit reduzieren. Noch bis Ende 2018 stieg zudem der Anteil der offenen, nicht besetzten Stellen an, so dass zeitweilig von einem Fachkräftemangel gesprochen wurde und somit Überstunden anfielen. So betrachtet sind Arbeitszeitreduktionen im derzeitigen Abschwung das erste Mittel der Wahl. Auch in der letzten größeren Rezession in Deutschland wurden bei einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 2008 auf 2009 um 5,6 Prozent die jährlich geleisteten Arbeitsstunden im produzierenden Gewerbe prozentual im gleichen Umfang reduziert.

Neueinstellungen auf Eis legen

Zweitens können, sollte der Abschwung stärker ausfallen oder länger andauern, Unternehmen Neueinstellungen hinauszögern und damit ihre Beschäftigung reduzieren. Dieses personalpolitische Instrument ist dann für Unternehmen besonders wirkungsvoll, wenn es hinreichend viele Beschäftigte gibt, die von sich aus gerne ausscheiden möchten, etwa weil sie in Rente gehen oder über andere Optionen verfügen. Ein Zahlenbeispiel kann helfen, die potenzielle Wirksamkeit der Maßnahme zur Reduktion der Beschäftigung zu verdeutlichen. 2018 wurden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 17,7 Abgänge aus Beschäftigung registriert. Im gleichen Jahr wurden 19,5 Neuzugänge in Beschäftigung registriert, so dass die Beschäftigung 2018 insgesamt zugenommen hat. Diese beachtliche Fluktuation, die je nach Alters-, Geschlechts- und Qualifikationsstruktur der Beschäftigten zwischen Unternehmen variiert, wird zwar möglicherweise geringer, wenn der Abschwung länger dauern sollte. Jedoch wird erkennbar, das Unternehmen, die sich bei Neueinstellungen zurückhalten, im Mittel relativ zügig den Beschäftigungstand reduzieren können. Diese Maßnahme bedarf einer sorgfältigen Abwägung, da neu eingestellte Beschäftigte in aller Regel eine Einarbeitungszeit benötigen. Sie wird demnach in aller Regel nur dann in Betracht kommen, wenn die Personalpolitik auch mittelfristig von einem Umsatzrückgang ausgeht.

Letzter Ausweg: Stellenabbau

Drittens können Unternehmen schließlich Entlassungen vornehmen, um auf einen Rückgang ihrer Umsätze zu reagieren. Zu diesem dritten Mittel werden Unternehmen in aller Regel ebenfalls nicht auf einen rein konjunkturell bedingten Umsatzrückgang reagieren. Das hat vor allem mit den erheblichen Kosten der Entlassung und Neueinstellung zu tun. „Hire and fire“ ist mit hohen Kosten verbunden, die, so eine Daumenregel, dem Durchschnittsjahresgehalt eines Beschäftigten entsprechen. Aus diesem Grund entlassen Unternehmen im konjunkturellen Abschwung nur dann Beschäftigte, wenn sie auch langfristig von einem Umsatzrückgang ausgehen.  

Die genannten personalpolitischen Maßnahmen stehen allen Unternehmen zur Verfügung, kleinen wie großen. Da in großen Unternehmen die Wertschöpfung je Beschäftigten deutlich höher als in kleinen ist, sind Entlassungen im bisherigen konjunkturellen Abschwung in Großunternehmen die Ausnahme. Vielmehr wird zunächst die Arbeitszeit reduziert und dann werden, falls der Abschwung anhält, auch Neueinstellungen hinausgezögert. Die Beschäftigungspolitik orientiert sich an den mittel- bis langfristigen Umsatzerwartungen und am Produktivitätszuwachs, weniger am konjunkturellen Auf und Ab. Zwar hängt auch der Umsatz von großen Unternehmen von der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur ab. Jedoch spielen oftmals spezifische Einflussfaktoren eine ebenso wichtige Rolle für ihren Umsatz. So hat etwa eine Reduktion des Wirtschaftswachstums in China für Industrieunternehmen stärkere negative Auswirkungen als für Einzelhandlungsunternehmen. Oder, die Dieselkrise trifft Autobauer mit einem höheren Dieselanteil stärker als andere.

Beschäftigungsrückgang eher unwahrscheinlich

Diese unterschiedlichen Entwicklungen in den Unternehmen summieren sich aktuell zu einem bislang moderaten konjunkturellen Abschwung. Einzelne Unternehmen weichen von den aggregierten Daten mehr oder weniger stark ab. Zeichnet sich für die Gruppe der großen Unternehmen eine spezifische Entwicklung ab? Das statistische Bundesamt veröffentlicht regelmäßig Statistiken für die Gruppe der Unternehmen mit über 249 Beschäftigten oder über 50 Millionen Euro Umsatz, die als große Unternehmen gelten. In dieser Gruppe lag die Beschäftigung 2008 bei 9,74 Millionen. 2009 fiel die Zahl auf 9,55 Millionen, um im Jahr darauf, 2010, wieder auf 9,75 Millionen zu steigen. Der erhebliche gesamtwirtschaftliche Abschwung hatte damals demnach nur geringe Auswirkungen auf die Zahl der Beschäftigten in der Gruppe der großen Unternehmen. Seit 2008 ist der Anteil der der Beschäftigten, die in diesen Großunternehmen arbeiten, von 42 auf 39 Prozent (2016) etwas gefallen. Die Personalpolitik der großen Unternehmen hat demnach weiterhin Auswirkungen für einen signifikanten Teil der Beschäftigten (39 Prozent), der aber gesamtwirtschaftlich moderat gefallen ist. Betrachtet man nur die hundert größten Unternehmen in Deutschland, so ist ihr Beschäftigungsanteil auch rückläufig und liegt derzeit bei etwa 13 Prozent. 

So lässt sich davon ausgehen, dass die Personalpolitik in den meisten Unternehmen im aktuellen Konjunkturabschwung zunächst mit einer Anpassung der Arbeitszeit reagiert. Dauert der Abschwung deutlich länger als gedacht, werden wohl mit der Zeit auch Neueinstellungen hinausgezögert. Aus rein konjunkturellen Gründen sollte eine vorausschauende Personalpolitik in aller Regel jedoch nicht zu Entlassungen führen.


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Dieser Artikel ist zuvor in Personalmagazin 05/2019 erschienen. Lesen Sie die Ausgabe auch in der Personalmagazin-App.


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