Chefsekretärin (m/w/d) gesucht
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"Kaufleute (m/w/d)" oder "Assistenz (m/w/i)" heißt es seit 2019 in vielen Stellenanzeigen. In anderen Inseraten wird der Jobtitel mit dem Hinweis ergänzt, dass die Stelle von Menschen jeglichen Geschlechts ausgefüllt werden kann. Mit diesen Formulierungen sind Arbeitgeber laut juristischer Empfehlung auf der sicheren Seite: Eine Stellenausschreibung gilt als genderneutral, wenn sie in der Tätigkeitsbezeichnung alle Geschlechter berücksichtigt.
Wenn Wörter ausgrenzen
Daran halten sich mittlerweile die meisten Firmen. "Aber wir werden den Eindruck nicht los, dass sich das Thema Gleichberechtigung in Stellenanzeigen für viele Unternehmen auf das AGG beschränkt", sagt Dr. Manfred Böcker, Initiator der Unternehmensberatung für Arbeitgeberattraktivität Employer Telling. "Es geht nicht ausschließlich darum, AGG-Fallen zu vermeiden, sondern auch darum, den Talentmarkt in seiner ganzen Breite anzusprechen und Menschen zu adressieren, die nicht dem klassischen Schema entsprechen. Vielen Arbeitgebern ist nicht bewusst, dass die Themen AGG und Diversity nicht unbedingt deckungsgleich sind", sagt er und nennt ein Beispiel aus der Untersuchung "Der Club der Gleichen – Edition Stellenanzeigen" von 2016: "Damals fanden wir den schrägen Stellentitel 'Chefsekretärin (männlich/weiblich)'. Heute würde das wahrscheinlich 'Chefsekretärin (m/w/d)' heißen." Das sei zwar AGG-konform, aber das Unternehmen signalisiere mit dem Inserat, dass es immer eine Frau für diese Stelle einstellen würde – ähnlich wie die Stellenausschreibung "Senior-Manager (m/w/d)" impliziere, dass ein älterer Mann erwünscht ist.
Wie Sascha Theisen, ebenfalls Initiator von Employer Telling, feststellte, sind solche Stellentitel auch im Jahr 2020 gängige Praxis. Er sah sich Stellenanzeigen für Führungskräfte an und fand rein männliche Bezeichnungen. "Da gab es zum Beispiel 'Marketing-Leiter (m/w/d)' und 'Leiter Presseabteilung (m/w/d)'. Es kann sein, dass es nur an dieser relativ kleinen Stichprobe lag, aber mein Gefühl ist, dass diese Titel meist männlich sind", sagt er. "Dennoch würde ich den meisten Unternehmen keine Absicht unterstellen, sondern ich habe eher den Eindruck, dass der Umgang mit Sprache wenig sorgfältig ist." Wie schon die Sprachanalyse von 120.000 Stellenanzeigen gezeigt habe, werde kaum Wert auf das Wording von Stellenanzeigen gelegt. "Viele Unternehmen verwenden hier oft die immer gleichen Formulierungen", so Theisen.
Adjektive, die Frauen abschrecken
Zu ähnlichen Schlussfolgerungen kam eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, die 2018 erstellt wurde und deshalb noch nicht den Hinweis auf das dritte Geschlecht enthält: "Anzeigen sind zwar durch den Zusatz (m/w) oder durch eine neutrale Berufsbezeichnung (wie Reinigungshilfe) im Titel der Anzeige geschlechtsneutral, sprechen aber dennoch durch die männlich beziehungsweise weiblich konnotierten Formulierungen im weiteren Text eher Männer beziehungsweise Frauen an." Die Studie nennt Beispiele für Ausgrenzung durch die jeweilige Begriffswahl: Eine Anzeige mit einem Inhalt wie "Wir suchen (…) freundliche, zuverlässige und flexible Servicekraft (m/w)" könne Männer davon abhalten, sich zu bewerben, weil sie sich mit diesen Eigenschaften nicht identifizieren. Ein Inserat, das Formulierungen enthält wie "Wir suchen Anpacker, Durchstarter, Möglichmacher" oder "Sie sind Könner, Mittler, Treiber, Brückenbauer, Botschafter, Redner" grenze möglicherweise Frauen aus.
Inwiefern Männer und Frauen von unterschiedlichen Begriffen angesprochen werden, ermittelte das Businessnetzwerk Linkedin in der internationalen Analyse "Language Matters" durch Professorin Rosie Campbell vom King’s College London. Die Wissenschaftlerin fand heraus: In Linkedin-Profilen fokussieren sich die Männer vornehmlich auf ihre technischen Fähigkeiten und Hard Skills, während Frauen eher auf ihre Ausbildung und auf persönliche Attribute eingehen. Umgekehrt fühlen sich Männer in Stellenanzeigen von anderen Wörtern angesprochen beziehungsweise abgeschreckt als Frauen, stellte Rosie Campbell fest. Während sich die meisten Frauen von Attributen wie "sympathisch" oder "unterstützend" angezogen fühlen, werden 44 Prozent von ihnen demotiviert, sich zu bewerben, wenn das Wort "aggressiv" in der Stellenbeschreibung vorkommt. Dagegen lässt das Adjektiv "aggressiv" nur ein Drittel der Männer von einer Bewerbung Abstand nehmen. Auch eine "herausfordernde" Aufgabe entmutigt ein Viertel der Frauen, allerdings kaum Männer.
Kommunikative Sorglosigkeit
Die Wortwahl in Stellenanzeigen kann nicht nur Geschlechter ausgrenzen, sondern auch bestimmte Berufsgruppen oder Altersklassen. Auch das passiert nicht selten, wie die Employer-Telling-Studie herausfand. "Das würde ich aber nicht als Diskriminierung bezeichnen, sondern erneut als kommunikative Sorglosigkeit", so Sascha Theisen. Häufig würden Unternehmen in Stellenanzeigen für Mitarbeitende im Lager oder Pflegekräfte ihre eigenen Erwartungen auf die Zielgruppe projizieren, weil die Bedürfnisse dieser Zielgruppen oft gar nicht bekannt sind.
"Der Blue-Collar-Arbeitsmarkt wurde bislang immer so nebenbei mit abgedeckt und in der Ansprache wurden Floskeln wie 'beste Karriereaussichten' oder 'internationale Entwicklungsmöglichkeiten' verwendet, die vielleicht Akademikerinnen und Akademiker ansprechen, aber keine gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer", sagt er. Allerdings ändere sich das gerade: Der starke Mangel an gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Stellenportale, die sich gezielt an Fachkräfte richten, führten dazu, dass die Firmen beginnen, sich mit dieser Zielgruppe auseinanderzusetzen.
Der Artikel ist in ungekürzter Fassung in Personalmagazin Ausgabe 03/2020 erschienen, die sich dem Schwerpunktthema "Diskriminierung" widmet. Darin lesen Sie unter anderem, wie Arbeitgeber vorgehen sollten, um genderneutrale Inserate zu formulieren. Außerdem finden Sie Beispiele für vornehmlich weiblich und männlich konnotierte Begriffe in Stellenanzeigen.
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