"Alkoholsucht muss klar angesprochen werden"
Haufe Online-Redaktion: Eine aktuelle Studie der Dekra zeigt, dass in vielen Unternehmen Alkoholmissbrauch ein absolutes Tabuthema ist. Das ist sicherlich nicht der richtige Weg. Was können Vorgesetzte tun?
Werner Fürstenberg: Es ist leider tatsächlich so: Hat ein Mitarbeiter ein Alkoholproblem, spricht in den meisten Fällen schon das ganze Umfeld, inklusive der Führungskräfte und Kollegen hinter seinem Rücken darüber – es besteht aber eine sehr hohe Unsicherheit, den Mitarbeiter direkt darauf anzusprechen. Dabei ist genau das bei Sucht sehr wichtig.
"Den Mitarbeiter klar, aber respektvoll mit dem Verdacht konfrontieren"
Haufe Online-Redaktion: Aber wie sollte man vorgehen?
Fürstenberg: In vielen Unternehmen bestehen bereits Betriebsvereinbarungen oder andere Vereinbarungen zur Suchtprävention, an deren Vorgehensweise man sich in solchen Fällen halten kann. Grundsätzlich ist wichtig, den Mitarbeiter, sollte die Vermutung bestehen, dass er aufgrund einer Sucht seine Arbeitsleistung nicht mehr in der vereinbarten Form erbringen kann, sehr klar, aber natürlich immer auch respektvoll damit zu konfrontieren.
Haufe Online-Redaktion: Im Klartext heißt das dann: „Bekämpfen Sie Ihre Sucht oder Sie fliegen raus?“
Fürstenberg: Nein, das es heißt es nicht. Es geht darum, Mitarbeiter mit insbesondere arbeitsrechtlich relevanten Auffälligkeiten zu konfrontieren und ihnen gleichzeitig Hilfe anzubieten. Letztendlich muss der Vorgesetzte in solchen Fällen, also bei Suchtproblematiken, tatsächlich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen drohen, wenn der Mitarbeiter seine Leistungen nicht mehr erbringt und nicht bereit ist, für seine Gesundheit Verantwortung zu übernehmen. Das ist der Unterschied zum Vorgehen beispielsweise bei psychischen Belastungen oder Depressionen. Hier kann der Vorgesetzte natürlich nicht sagen: „Ich habe den Eindruck, Sie haben eine depressive Verstimmung, wenn Sie die nicht in den Griff bekommen, müssen Sie mit einer Abmahnung rechnen.“
"Ist der Mitarbeiter nicht bereit, sein Problem zu lösen, sollten arbeitsrechtliche Schritte geprüft werden."
Bei Alkohol- oder anderen Süchten sieht die Rechtsprechung das anders: Ist der Mitarbeiter selbst nicht bereit, sein Problem in eigener Verantwortung zu lösen, kann der Arbeitgeber auch arbeitsrechtlich dagegen vorgehen. In diesen Fällen steht dann allerdings nicht die Suchtkrankheit im Vordergrund, sondern die arbeitsrechtlich relevanten Auffälligkeiten. Stehen die in einem Zusammenhang mit einem vermuteten Suchtproblem, dann sind arbeitsrechtliche Schritte angebracht.
Werner Fürstenberg: Stehen arbeitsrelevante Auffälligkeiten im Zusammenhang mit einem vermuteten Suchtproblem, sind arbeitsrechtliche Schritte angebracht. #Suchtprävention #Alkohol im #Betrieb
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Haufe Online Redaktion: Können Sie uns so etwas wie eine Musterformulierung an die Hand geben?
Fürstenberg: Zunächst sollte die Führungskraft sehr sachlich die beobachteten Auffälligkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, beispielsweise häufiges Zuspätkommen oder Fehlen, ansprechen. Wörtlich könnte der Vorgesetzte dann in etwas sagen: "Ich habe den subjektiven Eindruck, dass diese Auffälligkeiten möglicherweise mit einem Suchtproblem zusammenhängen. Ist das so, erwarte ich von Ihnen, dass Sie Hilfe in Anspruch nehmen und auch mit Experten besprechen, ob ich mit meiner Vermutung richtig liege oder nicht." Auf keinen Fall sollte der Vorgesetzte eine Diagnose stellen, wie beispielsweise: „Ich glaube, du trinkst zu viel.“ Wichtig ist, immer nur eine Vermutung zu äußern, denn ob jemand tatsächlich ein Suchtproblem hat, kann nur ein Arzt oder ein Therapeut nach eingehender Untersuchung feststellen.
"Bei Workaholics liegen die Ursachen oft ganz woanders"
Haufe Online-Redaktion: Es gibt ja noch eine ganz andere Sucht, die Arbeitssucht der sogenannten Workaholics. Wie können Führungskräfte denn damit umgehen?
Fürstenberg: Hier sinkt ja in der Regel die Leistungsfähigkeit eben nicht rapide, sie ist im Gegenteil über einen längeren Zeitraum besonders hoch. Erst sehr viel später kann das dann zu einem Erschöpfungszustand oder auch Burnout führen. Theoretisch kann die Führungskraft natürlich in solchen Fällen auf die vereinbarte Stundenzahl hinweisen und den Mitarbeiter so bremsen. Aber in der Regel werden solche Mitarbeiter ja als „gute“ Mitarbeiter gesehen, weil das Unternehmen davon zunächst profitiert. Ein Ausbremsen wir also nicht allzu häufig vorkommen, zumal sich schlecht einschätzen lässt, ab wann der Mitarbeiter sich selbst überfordert. Meistens merkt man das erst, wenn die Erschöpfung so stark ist, dass es zu spät für ein proaktives Eingreifen ist.
In meiner langjährigen Beratung von Menschen mit Burnout habe ich aber festgestellt, dass die Gründe für diese Probleme häufig woanders liegen: Beispielsweise haben diese Menschen oft schon in früher Kindheit erfahren, dass sie nur für Leistung belohnt und anerkannt werden.
"Alarmzeichen für Burnout können Vorgesetzte erkennen"
Haufe Online-Redaktion: Gibt es für Burnout Alarmzeichen, die Vorgesetzte beachten sollten?
Fürstenberg: Ja, die gibt es. Menschen, die sehr stark erschöpft sind oder kurz vor einem Burn-out-Syndrom stehen, sind zunehmend reizbar. Sie verändern sich auch in ihrer Persönlichkeit, werden beispielsweise zynisch gegenüber Mitarbeitern und Kollegen, schließlich auch gegenüber Kunden. Insgesamt fallen Veränderungen im Sozial- und später auch im Arbeitsverhalten auf, so dass auch hier eine frühe Ansprache hilfreich ist.
Haufe Online-Redaktion: Viele Führungskräfte bemerken solche Auffälligkeiten dennoch oft erst in einem späten Stadium. Wie kann man dem vorbeugen?
Fürstenberg: Wir brauchen in den Unternehmen eine Kultur der Achtsamkeit. Dazu gehört ein gesundheitsfördernder Führungsstil, der sich dadurch auszeichnet, dass man Mitarbeiter mit Respekt und Achtung, aber auch klar und konsequent führt, wenn Auffälligkeiten Leistungen mindern oder auch die Arbeitsatmosphäre stören.
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