Emotionale Intelligenz

Der Begriff der Emotionalen Intelligenz erlangte in den 1990er Jahren Popularität. Inzwischen liegen empirische Studien und mehrere metaanalytische Aggregationen vor. So wird eine seriöse Beurteilung des Konzepts und dessen Bedeutung für die Personalpraxis möglich. Der Beitrag beschäftigt sich mit folgenden Fragen: Was ist Emotionale Intelligenz und wie lässt sie sich wissenschaftlich messen? Und wie groß ist der Zusammenhang zwischen Emotionaler Intelligenz und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen? 

Mitte der 1990er Jahre gewann der Begriff der Emotionalen Intelligenz mit dem Bestseller des Wissenschaftsjournalisten Daniel Goleman (1995), der auf den Überlegungen von Salovey und Mayer (1990) aufbaut, schnell große Popularität. Insbesondere die Gegenüberstellung zur allgemeinen Intelligenz ("Why it matters more than IQ") und die Betonung von Gefühlen und Empathie führten zu einer schnellen Rezeption und Übernahme in die Personalpraxis. Das Konzept und die Wirksamkeit sind intuitiv plausibel. Die wissenschaftliche Validierung, Abgrenzung zu bestehenden Konzepten und Abschätzung der tatsächlichen Zusammenhänge im Rahmen der personalwirtschaftlichen Forschung hinkten damals noch hinterher, was dem Erfolg des Buchs und der Verbreitung des Konzepts der Emotionalen Intelligenz keinen Abbruch tat. Heute liegen zahlreiche empirische Studien und mehrere metaanalytische Aggregationen vor, sodass eine seriöse Beurteilung des Konzepts und dessen Bedeutung für die Personalpraxis möglich ist. Im Kern wollen wir dabei auf folgende Fragen eingehen: Wie groß ist der Zusammenhang zwischen Emotionaler Intelligenz und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen und wie groß ist die inkrementelle Validität im Vergleich zu Persönlichkeitseigenschaften und allgemeiner Intelligenz? Lässt sich Emotionale Intelligenz durch Maßnahmen des Unternehmens verbessern? Zunächst gehen wir auf die Frage ein, was Emotionale Intelligenz ist und wie sie sich wissenschaftlich messen lässt. 

Emotionale Intelligenz: Konstrukt und Erfassung

Bei den Messkonzepten lassen sich drei grundsätzliche Ausrichtungen beziehungsweise Operationalisierungen unterscheiden (Ashkanasy/Daus, 2005), die für die spätere Frage der Möglichkeiten zur Beeinflussung Emotionaler Intelligenz wieder von Bedeutung sein werden: 

  1. Zunächst kann Emotionale Intelligenz als Fähigkeit interpretiert werden, die mithilfe eindeutiger Leistungstests messbar ist (Salovey/Mayer, 1990). Ein Beispiel für einen häufig eingesetzten Test ist der Mayer-Salovey-Caruso-Test zur Emotionalen Intelligenz (Brackett/Salovey, 2006), der in der deutschen Version mit 141 Items Emotionswahrnehmung, Emotionsnutzung, Emotionswissen und Emotionsregulation erfasst, wobei empirische Ergebnisse darauf hindeuten, dass sich das Konstrukt zu einem Globalfaktor für Emotionale Intelligenz zusammenfassen lässt (Fan et al., 2010). 
  2. Im gleichen fähigkeitsbasierten Modell kann die Erfassung alternativ mithilfe von Fragebögen zur Selbsteinschätzung gemessen werden. Im Gegensatz zur vorherigen Operationalisierung existieren hier keine eindeutigen richtigen oder falschen Antworten.
  3. Letztlich lässt sich Emotionale Intelligenz als Eigenschaft interpretieren und um Facetten der Persönlichkeit oder Motivation erweitern, wodurch sogenannte "mixed models" entstehen.

Kennzeichnend für das Forschungsfeld ist dabei nicht nur das Nebeneinander unterschiedlicher konzeptioneller Ansätze. Vielmehr adaptieren, erweitern und verändern wichtige Pro­tagonisten ihre Definitionen und Messkonzepte im Zeitverlauf zum Teil erheblich.

Der Einfluss Emotionaler Intelligenz auf Einstellungen und Leistung

Den Zusammenhang zwischen Emotionaler Intelligenz und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen untersucht Doǧru (2022) in einer Metaanalyse, die auf 253 Einzelstudien mit insgesamt fast 80.000 Personen beruht. Die Ergebnisse sind in Abbildung 1 zusammengefasst. 

Abb. 1: Zusammenhang Emotionaler Intelligenz mit Einstellungen und Leistung

Die Zusammenhänge sind mit Korrelationen um 0,3 als mittelstark einzustufen und bestätigen die Ergebnisse einer älteren Metastudie (O’Boyle et al., 2011). Die Autoren führten eigenständige Untersuchungen zu den drei oben genannten Operationalisierungen für Emotionale Intelligenz durch. Dabei ergeben sich je nach Erfolgskriterium leicht unterschiedliche Werte, ohne dass sich jedoch ein klar zu favorisierendes Modell ergibt. Diese Effektstärken von Emotionaler Intelligenz auf personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen sind insgesamt deutlich stärker als für die einzelnen Persönlichkeitseigenschaften der "Big Five" (Gewissenhaftigkeit, Offenheit, Extraversion, Verträglichkeit, emotionale Stabilität; Zell/Lesick, 2022) und etwa auf dem Niveau neuerer Schätzungen der prädiktiven Validität von allgemeiner Intelligenz für die Arbeitsleistung. Bei der Interpretation dieser Werte ist zu beachten, dass sich allgemeine und Emotionale Intelligenz auf einen Globalfaktor reduzieren lassen, was bei den Persönlichkeitseigenschaften nicht möglich ist.

Grobelny, Radke und Paniotova-Maczka (2021) konzentrieren sich in ihrer Metaanalyse auf die Zusammenhänge zwischen Emotionaler Intelligenz und Arbeitsleistung. Übergreifend bestätigen die Ergebnisse mit einer korrigierten Korrelation von 0,33 die Zusammenhänge aus Abbildung 1. Differenzierungen nach Berufsgruppen zeigen durchgängig mittelstarke positive Zusammenhänge (Polizeidienst r=0,42, Lehrberufe r=0,29, Vertrieb r=0,34 und Management 0,30; Grobelny, Radke und Paniotova-Maczka, 2021, S. 23). Der Befund ist somit weitgehend unabhängig von der spezifisch betrachteten Berufs­gruppe. 

Pirsoul et al. (2023) betrachten bezüglich der Ergebnisgrößen individuelle, karrierebezogene Erfolgsgrößen. Die Ergebnisse sind in Abbildung 2 zusammengefasst. Auch in dieser mitarbeiterbezogenen Perspektive zeigen sich somit mittelstarke Zusammenhänge. Zusammenfassend besteht somit ein mittelgroßer Zusammenhang zwischen Emotionaler Intelligenz und personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen.

Abb. 2: Emotionale Intelligenz und Karriere­entwicklung

Gehen die Effekte Emotionaler Intelligenz über Effekte von Persönlichkeitseigenschaften hinaus?

Vor dem Hintergrund der isolierten Ergebnisse lässt sich keine Aussage über die gemeinsame Wirkung von Emotionaler Intelligenz zusammen mit Persönlichkeitseigenschaften beziehungsweise allgemeiner Intelligenz treffen. Schon früh wurde zudem die Kritik geäußert, Emotionale Intelligenz sei nicht mehr als die Kombination verschiedener Persönlichkeitseigenschaften ohne zusätzlichen Erklärungsbeitrag und damit ohne weiteren Nutzen für die Personalpraxis. Für die Beantwortung dieser Frage nach der inkrementellen Validität, das heißt dem zusätzlichen Erklärungsbeitrag für personalwirtschaftliche Erfolgsgrößen neben Persönlichkeitseigenschaften, kann ebenfalls auf eine Metaanalyse zurückgegriffen werden (Andrei et al., 2016). Im Ergebnis zeigt sich eine statistisch signifikante, wenn auch geringe inkrementelle Validität. In der oben bereits zitierten Metaanalyse von O’Boyle et al. (2011) wird mithilfe einer hierarchischen Regression der zusätzliche Erklärungsbeitrag Emotionaler Intelligenz neben den Persönlichkeitseigenschaften und allgemeiner Intelligenz gemessen. Dabei zeigt sich eine signifikant positive inkrementelle Validität von Emotionaler Intelligenz in Ergänzung zur allgemeinen Intelligenz. Persönlichkeitseigenschaften verlieren demgegenüber in dem Gesamtmodell deutlich an Bedeutung (Offenheit, Gewissenhaftigkeit) oder werden insignifikant (emotionale Stabilität, Extraversion, Verträglichkeit). Daraus kann geschlossen werden, dass Emotionale Intelligenz einen eigenen Erklärungsbeitrag bezüglich personalwirtschaftlicher Erfolgsgrößen zusätzlich zu allgemeiner Intelligenz und den Persönlichkeitseigenschaften liefert. 

Emotionale Intelligenz und Führung

Neben der obigen Differenzierung nach unterschiedlichen Berufsgruppen ist die Vermutung naheliegend, dass Emotionale Intelligenz eine besondere Bedeutung für die Effektivität der Führung und für die Auswahl des Führungsstils besitzt. Die zentralen Ergebnisse zum Einfluss Emotionaler Intelligenz der Führungskräfte sind in Abbildung 3 zusammengefasst, wobei sich durchgängig positive Zusammenhänge nachweisen lassen. Die Darstellung basiert auf zwei unterschiedlichen Veröffentlichungen der Autorengruppe, die jedoch zum Teil auf dieselben Einzelstudien zurückgreifen.  

Einfluss Emotionaler Intelligenz bei Führungskräften

Darüber hinaus korreliert Emotionale Intelligenz der Führungskraft mit der Auswahl effektiver Führungsstile wie authentischer Führung mit r=0,49 (Miao/Humphrey/Qian, 2018b), transformationaler Führung mit r=0,23 (Hsu/Newman/Badura, 2022) und dienender Führung mit r=0,57 (Miao/Humphrey/Qian, 2021).

Lässt sich Emotionale Intelligenz beeinflussen?

Vor dem Hintergrund der beschriebenen positiven Effekte stellt sich die Frage, inwieweit es sich bei Emotionaler Intelligenz um eine feststehende Eigenschaft handelt oder ob es sich um eine Fähigkeit handelt, die beeinflusst werden kann. Die Vielzahl von Trainingsangeboten, Praxisratgebern und Checklisten deutet zumindest darauf hin, dass es sich um einen lukrativen Markt handelt, was jedoch nicht zwingend den Erfolg dieser Maßnahmen beweist. Victoria Mattingly und Kurt Kraiger (2019) untersuchen den Effekt von unterschiedlichen Interventionsmaßnahmen auf die Veränderung der Emotionalen Intelligenz. Glücklicherweise liegt für dieses Untersuchungsfeld mit 84 Einzelstudien nicht nur eine quantitativ hinreichende Datenbasis vor. Circa ein Drittel der Studien weist ein experimentelles Design auf, sodass die Veränderungen im Ausmaß Emotionaler Intelligenz auf die Intervention kausal zurückgeführt werden können. Gemessen wird der mittlere Unterschied zwischen dem Testscore der Probanden in der Untersuchungsgruppe mit dem Testscore aus der Kontrollgruppe. Als Effektstärkemaß für Mittelwertunterschiede wird Cohen’s d herangezogen, bei denen Werte von 0,20/0,50/0,80 als kleine/mittlere/große Effekte gelten. Im Durchschnitt haben Interventionen mit d=0,45 einen signifikanten, mittelgroßen positiven Einfluss auf die gemessene Emotionale Intelligenz (Mattingly/Kraiger, 2019, S. 147). Bei Studien ohne Kontrollgruppe mit einer Vorher-Nachher-Messung der Emotionalen Intelligenz fällt der Effekt etwas stärker aus (d=0,61). Die Autoren vergleichen die Ergebnisse für Interventionen zur Stärkung der Emotionalen Intelligenz mit anderen Anwendungsfeldern von Personalentwicklungsmaßnahmen. Der Vergleich zeigt, dass die hier untersuchten Effektstärken in ähnlicher Größenordnung sind wie die in einer Metastudie für Trainings durchschnittlich nachgewiesenen Effektstärken (d=0,62; Arthur et al., 2003). Leider erlauben die Untersuchungen keine detaillierteren Aussagen darüber, welche Art der Intervention (z. B. Feedback, Coaching, Diskussionsrunden) besonders effektiv ist.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

  • Emotionale Intelligenz weist einen mittelstarken Zusammenhang mit personalwirtschaftlichen Erfolgsgrößen auf.
  • Emotionale Intelligenz ist ein eigenständiges Konstrukt mit einem zusätzlichen Erklärungsbeitrag gegenüber allgemeiner Intelligenz und den etablierten Persönlichkeitseigenschaften.
  • Emotionale Intelligenz bei Führungskräften hat positive Auswirkungen auf die Leistung und Zufriedenheit der Mitarbeitenden und ist positiv korreliert mit authentischer, transformationaler und dienender Führung.
  • Emotionale Intelligenz ist durch Trainingsmaßnahmen beeinflussbar. Welche Formen der Intervention besonders effektiv sind, lässt sich heute nicht abschließend beurteilen.

Der Beitrag aus der Rubrik "State of the Art" ist erschienen im Wissenschaftsjournal PERSONALquarterly, Ausgabe 1/2025 mit dem Schwerpunktthema "Resilienz am Arbeitsplatz".


Literaturverzeichnis:
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Fan, H./Jackson, T./Yang, X./Tang, W./Zhang, J. (2010): The factor structure of the Mayer–Salovey–Caruso Emotional Intelligence Test V 2.0 (MSCEIT): A meta-analytic structural equation modeling approach. Personality and Individual Differences, 48(7), 781–785.
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