Warum eine politische Positionierung der Unternehmenskultur schaden kann
Politische Stellungnahmen von CEOs oder Personalvorständen und -ständinnen sind aus Sicht des Employer Branding grundsätzlich positiv zu betrachten. Im Idealfall steht die Unternehmensführung für eine bestimmte Identität ihres Unternehmens ein, die sich aus einer Vision und den damit verbundenen Werten und einem Leitbild ergeben kann. Dadurch entsteht Sichtbarkeit nach innen, aber insbesondere nach außen. Diese Positionierung und Abgrenzung im Sinne des C-Level-Marketings wirkt am Arbeitsmarkt, aber auch gegenüber weiteren Stakeholdern wie Politikern, Kunden, Lieferanten und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen. Sie wirkt attraktiv auf bestimmte Stakeholder - aber führt auch zur Ablehnung bei anderen Gruppen.
Insofern kann es schädlich für die Unternehmenskultur und die Leistungsfähigkeit sein, wenn Führungskräfte konkrete politische Vorgaben machen und damit einen Teil der Belegschaft vor den Kopf stoßen. Je nach Art und Charakter der Persönlichkeiten im Unternehmen, der Erwartungen und des Arbeitgeberimages in den Köpfen der Beschäftigten können die Folgen unterschiedlich sein: Vom Verlassen des Unternehmens über Opportunismus hin zur inneren Kündigung. Diese Folgen ergeben sich aus dem Verhältnis von Identität und Image einer Arbeitgebermarke.
Politische Positionierung und Employer Branding
In der Arbeitgebermarke spiegelt sich die Identität durch die Kommunikation in einem Image wider, das in den Köpfen von Mitarbeitenden, von Bewerberinnen und Bewerbern entsteht. Dabei lautet das Ziel, die Lücken zwischen Image und Identität möglichst gering werden zu lassen. Die Identität erfüllt die Bedürfnisse der Wunsch-Mitarbeitenden mit Blick auf die Aufgaben, durch Benefits, festgelegte Prozesse und Werte sowie im besten Fall durch eine gemeinsame Vision. Das dann kommunizierte Image sollte sehr nah an der Identität eines Arbeitgebers liegen. Dann erhöht sich die Chance, dass sich die passenden Arbeitnehmenden bewerben und langfristig motiviert ihre Aufgaben wahrnehmen.
Die so entstandene Identifikation zwischen Arbeitgeber und Mitarbeitenden ist an unterschiedlichen Kennzahlen messbar, insbesondere an der geringen Fluktuations-Rate und den niedrigen Krankenständen. Employer Branding kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. In diesem systematischen Prozess werden die Identität und das Image analysiert, um Lücken zu erkennen und durch Aktionsfelder zu schließen.
Ein wichtiges Aktionsfeld ist der Schritt der Positionierung, in dem auch Werte und Vision betrachtet und definiert werden. Diese sollen einerseits die Ziele des Unternehmens darstellen und andererseits von der Belegschaft mindestens akzeptiert, im besten Fall sogar aktiv mitgetragen werden. Die Positionierung entsteht dabei im Kontext der externen gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Damit ein Unternehmen am Arbeitsmarkt möglichst umfassend attraktiv ist, darf die Positionierung von den Rahmenbedingungen nicht vollständig entkoppelt sein und diesen auch nicht entgegenstehen.
Berufliche und private Dimensionen von Arbeit
Aus Sicht eines Arbeitgebers kommt es üblicherweise nicht auf die ethische Einstellung der Mitarbeitenden an, sondern auf funktionale, methodische und soziale Fähigkeiten, um einen Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Der eine Teil ist beruflicher Natur, der andere Teil speist sich aus dem Privaten. Das Private ergibt sich aus den genannten gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Es entspricht der persönlichen Wahrnehmung der einzelnen Mitarbeitenden in der jeweiligen Lebenssituation.
Arbeitgeber müssen unter diesen Bedingungen einen Rahmen geben, damit die Beschäftigten die für den Beruf notwendigen Fähigkeiten abrufen und ihren Job gut machen können. Nötig sind eine zu den Aufgaben und dem Menschen passende Führung und passende Prozesse, um dessen Potentiale zu entfalten. Hier findet sich die Identität des Arbeitgebers wieder.
Wenn dieser Rahmen nicht mehr stimmt, wenn die Kommunikation (das Image) der Führung auf den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin ablehnend wirkt, wenn Wertschätzung fehlt oder das Gefühl vorherrscht, für das eigene Verhalten, Werte und Einstellungen kritisiert zu werden, stört dies die Arbeitsbeziehung. Die Lücke zwischen Identität und Image wird größer. Kennzahlen wie Krankenstände oder Fluktuationsraten erhöhen sich.
Vertrauen sorgt für stille Effizienzsteigerungen
Regelmäßig gehört in unseren Projekten der Wunsch nach einer offenen Kommunikation in das Zentrum der Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Diese ist sichtbarster Aspekt guter Führung und für den Aufbau von beruflichen und privaten Beziehungen zwischen Beschäftigen und zum Arbeitgeber wichtig. Insbesondere führt gemäß unserer Identitäts-Analysen die direkte persönliche Kommunikation außerhalb der Arbeitsaufgabe – am symbolhaften Kaffeeautomaten – zum Aufbau latenter Strukturen und zum Vertrauen untereinander. Dieser Raum ist privat und geschützt vor offiziellen Vorgaben, Prozessen und Organisationshindernissen des Unternehmens. Das persönliche Engagement und Netzwerk erlauben stille Effizienzsteigerungen. Das Vertrauen entsteht auch dabei, wenn Mitarbeitende sich frei über gesellschaftliche, wirtschaftliche oder ökologische Themen unterhalten können.
Hier liegt nun das Problem, wenn sich Unternehmensverantwortliche klar gegen oder für eine politische Richtung positionieren und ausdrücklich gegen oder für die Wahl einer Partei aufrufen. Beispiele gibt es aktuell einige: Unternehmer Reinhold Würth erläutert, warum Mitarbeitende nicht die AfD wählen sollen, Bertelsmann-Chef Rabe fordert AfD-unterstützende Mitarbeitende direkt zum Verlassen des Unternehmens auf, Führende aus Wirtschaft und Gewerkschaft warnen öffentlich vor den Gefahren der AfD für den Wohlstand. Jüngst hat zudem Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch klargemacht, dass sich Leitende der Diakonie in Parteien nur mit Ausnahme der AfD engagieren können.
Daraus ergibt sich die Frage, was eine so konkrete politische Positionierung mit der Belegschaft macht - insbesondere, wenn die genannte Partei in der berufstätigen Bevölkerung große Akzeptanz findet. Gemäß Infratest war der AfD-Wähleranteil in den Gruppen der 25- bis 59jährigen bei den jüngsten Wahlen in Hessen und Bayern am größten. Mithin verbergen sich in diesen Kohorten dringend benötigte Fach- und Führungskräfte. Kann sich ein Mitarbeiter, kann sich eine Mitarbeiterin mit einem Unternehmen identifizieren, motiviert und im Kopf frei Aufgaben wahrnehmen, wenn Vorgesetze über bestimmte grundlegende Werte hinausgehend sagen, was das erwünschte politische Verhalten ist?
Wenn politische Positionierung Barrieren schafft
Aus Sicht der Unternehmenskultur ist eine erwartbare Folge, dass Anhänger und Anhängerinnen der Partei oder von deren politischer Positionen sich eingeschüchtert fühlen. Sie können am Arbeitsplatz nicht mehr frei ihre Meinung äußern. Sie fühlen sich im Beruf und im Privaten beobachtet. Das führt zu einem wachsenden Misstrauen zwischen den Kolleginnen und Kollegen und gegenüber dem Arbeitgeber.
Im Zweifel behaupten betroffene Beschäftigte das eine, denken aber das andere. Insbesondere in kreativen Prozessen, in denen ein Querdenken (sic!) erforderlich ist, kommt es zu Barrieren im Kopf und in der Kommunikation. Denn es ist für Menschen schwer trennbar, in welchem Umfeld sie sich befinden: Darf man hier frei sprechen oder ist eher Zurückhaltung geboten? Im weitesten Sinne kommt es dann zu einer kognitiven Dissonanz, die die Menschen physisch und psychisch belastet. Diese dauerhafte Selbstbeobachtung hemmt und kostet Energie, die zur Erfüllung der fachlichen Aufgaben nötig ist. Der Unternehmenserfolg unterliegt dann einer politischen Begrenzung des Denkens.
Aspekte der Distanz im Arbeitsverhältnis
Aber auch andere Aspekte, die eine bestimmte Einstellung zu politischen, gesellschaftlichen oder religiösen Einstellungen einfordern, führen bei einem Teil der Belegschaft zu einer distanzierenden Haltung. In vielen Gesprächen, insbesondere auf Konzernebene, ist zu erleben, dass Managerinnen und Manager bestimmte Themen wie die Teilnahme am Christopher-Street-Day oder die verpflichtende Absolvierung von Gender-Kursen nicht schätzen oder ablehnen, jedoch aus opportunistischen Gründen mittragen. Sie gehen ohne Begeisterung ins Büro, nur für das „Was bekomme ich“ (das Gehalt) arbeitend.
Ein anschauliches Beispiel für eine Störung durch eine politische vorgebliche Einheitsmeinung ist die Mund-zu-Geste der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in Katar. Auch dort gab es Diskussionen innerhalb der Mannschaft, Antonio Rüdiger soll sogar die Mannschaftssitzung verlassen haben. Am Ende hat er dann doch mitgemacht. Aber der Spieler war sicher nicht der Einzige, der diese moralisch aufgeladene Geste kritisch sah. Durch Politik wurde so eine Atmosphäre fehlender Akzeptanz und gegenseitigen Misstrauens geschaffen, die zu einer sichtbar minimierten Leistungsfähigkeit des Teams führte. Noch heute will Rüdiger nicht an die Aktion erinnert werden.
Unternehmenswerte, die dem Wettbewerb dienen
Das zeigt: Moralische Themen, die statt auf Vielfalt auf Einigkeit setzen, kosten Energie, senken die Motivation der Belegschaft und somit die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens und einer Organisation. Sie verbrauchen Ressourcen, die an anderer Stelle nötig wären.
Wichtig ist es daher, einen Rahmen aus Werten und Anforderungen zu setzen, der auf das Arbeitsergebnis und die -prozesse bezogen ist und nicht mit einer gesellschaftlich-politischen Ethik aufgeladen ist. Denn dort beginnen die Abgrenzungen innerhalb der Belegschaft, die wenig zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen beitragen. Unternehmenswerte sollten zu einer Abgrenzung gegenüber Wettbewerbern am Arbeitsmarkt und nicht innerhalb des Unternehmens dienen.
Im Employer-Branding-Prozess kommt es daher darauf an, eine Positionierung zu entwickeln, die der Schnittmenge der Erwartungen und Bedürfnisse von den Mitarbeitenden mit den notwendigen fachlichen Qualifikationen entspricht. Rigorose Ausgrenzungen sind nicht sinnvoll. Vielmehr kommt es darauf an, Werte zu definieren, die Arbeitgeber und Arbeitnehmende verbinden und zu einem guten Verhältnis führen. So entsteht eine positive Kultur, in der sich Menschen in ihren Facetten akzeptiert sehen und ihre Leistung abrufen können.
Innerhalb des Rahmens müssen politische und gesellschaftliche Diskussionen erlaubt sein und sollten nicht in patriarchalischer Weise im Vorfeld abgewürgt werden. Natürlich haben CEOs und Spitzen einer Organisation immer die Möglichkeit, ihre eigene Meinung und Einschätzungen gesellschaftlicher und politischer Entwicklungen zu kommunizieren. Allerdings sollten sie dabei gewarnt sein, Akzeptanz bei einem Teil ihrer Belegschaft zu verlieren.
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