Wie HR gegen Rassismus vorgehen kann

Während zahlreiche Menschen für Demokratie auf die Straße gehen, fragen sich viele Unternehmen, wie sie mit rassistischem und ausgrenzendem Verhalten in ihrer Organisation umgehen können. Die Situation in den Unternehmen ist unterschiedlich. Nach Meinung unserer Gastkommentatorin braucht es aber in jedem Fall Zivilcourage - vor allem in HR.

Vor 12 Jahren hatte ich ein prägendes Erlebnis in meinem damaligen Unternehmen. Rechtsextreme Schriften wurden in der Lobby gefunden. Ein aufmerksamer Mitarbeiter meldete den Vorfall, woraufhin die Geschäftsleitung und der Personalleiter schnell und deutlich reagierten. Sie verurteilten den Vorfall in einer Rundmail und schalteten sofort die Polizei ein. Diese klare Vorgehensweise hat meine Rolle als HR-Verantwortliche gegenüber Rassismus im Unternehmen nachhaltig geprägt – bis heute.

Von der Straße ins Büro: Politik schwappt in Unternehmen

"Nie wieder ist jetzt!" Mit dieser Forderung machen sich in Deutschland immer mehr Menschen gegen Rassismus und eine politische Verschiebung nach Rechts Luft. Dieses Signal greifen auch Vorständinnen und Vorstände sowie Geschäftsführungen und weitere Unternehmensvertretende auf. Den Rechtsdrift komplett zu vermeiden, dafür ist es zu spät. Das wird immer deutlicher, je mehr Informationen und Recherchen zur AfD und der politischen Lage in Deutschland auftauchen. Dennoch ist es jetzt besonders wichtig, dass Unternehmen eine klare Haltung entwickeln und Rassismus und Ausgrenzung keinen Raum geben.

Lange Zeit betrachteten Unternehmen politische Gesinnung als Privatsache und ihre Organisation als geschützte Räume, in denen Politik nichts zu suchen hat. Rechtsradikalismus galt als Randphänomen, während Diversity und Inklusion als „Must-have“ für das Employer Branding angesehen wurden. Etwas, das man sich gerne auf die Unternehmenswebseite schreibt. In Zeiten des Fachkräftemangels kann sich schließlich kein Unternehmen eine andere Einstellung leisten, oder…?

Rechtsextremismus ist in deutschen Unternehmen angekommen

Doch die Zeiten haben sich geändert. Wenn Politikerinnen und Politiker im deutschen Parlament offen Hetze und Ausgrenzung betreiben und damit den Diskurs in der Gesellschaft verschieben, wenn Mitarbeitende sich ermutigt durch die allgemeine Stimmung auch im Unternehmen rassistisch äußern, dann dürfen Diversity und Inclusion keine leeren Schlagwörter bleiben. Die dahinter liegende Einstellung, dass das eigene Unternehmen Vielfalt als Teil der (Unternehmens)Kultur akzeptiert, wird in Zukunft essentiell für den Unternehmenserfolg sein. Aber wie tief ist dieser Gedanke wirklich verankert? Hier wird die Brüchigkeit deutlich.

Die vergangenen Wochen und Monate haben ein erschreckendes Bild der Realität in Deutschland gezeichnet und Einblicke in die Gedankenwelt einiger deutscher Unternehmerinnen und Unternehmer gegeben. Geheime Treffen mit der AfD wurden öffentlich bekannt. Einige Unternehmenslenker sind unangenehm berührt, andere stehen dazu. Rechtsextremismus hat die Arbeitswelt längst erreicht. Es gibt jedoch auch Hoffnung, denn immer mehr Geschäftsführende, CEOs und Vorstände trauen sich endlich, klare Haltung zu zeigen. Gegen rechts, gegen Ausgrenzung und Rassismus. Und vor allem gegen die Wirtschaftspläne der AfD.

Rassistische Kommentare und Übergriffe im Arbeitsalltag 

Es ist nicht notwendig, Vorstand eines Großkonzerns zu sein, um klare Kante zu zeigen. Die Bemühungen auf dem Papier des Vorstands reichen oft nur so weit wie der erste rassistische Kommentar im Unternehmen. Und dann ist die große Preisfrage: Was tun?! Wer reagiert wie und mit welcher Konsequenz? Viele Unternehmen sind verunsichert. Auch die Betroffenen selbst reagieren lieber gar nicht auf offenen oder unterschwelligen Rassismus, den sie am Arbeitsplatz erfahren. Das zeigt eine Studie der "European Union Agency for Fundamental Rights": Deutschland steht demnach gleich nach Österreich auf Platz 2 des Rassismus-Treppchens.

Weiße Personen, die nicht von Rassismus betroffen sind, müssen die Speerspitze gegen rassistische Kommentare oder Übergriffe im Unternehmensalltag bilden. Und das unabhängig von der Hierarchiestufe, denn es geht nur gemeinsam. Gemeinsam und entschlossen gegen Rassismus vorzugehen, stärkt eine demokratische Grundhaltung im Unternehmen und verhindert Spaltung.

Rassistische Verhaltensweisen oder rechtes Gedankengut zeigen sich im Unternehmenskontext oft subtiler als beim eingangs beschriebenen Beispiel mit den rechtsextremen Schriften. Vieles passiert auch außerhalb der Unternehmensmauern. Trotz des hohen Stellenwerts der Privatsphäre und Meinungsfreiheit in Deutschland stellt sich die Frage: Inwiefern dürfen sich Unternehmen in das Privatleben der Mitarbeitenden einmischen? Ist das überhaupt "rechtens"? Als HRlerin, Geschäftsleitung und vor allem als Bürgerin sehe ich es als meine Pflicht, aktiv zu werden, wenn die Werte des demokratischen Zusammenlebens bedroht werden. Denn Zivilcourage im Unternehmenskontext ist ein Muss für die Demokratie.

Zivilcourage in Unternehmen: Wo hört Meinungsfreiheit auf?

Ein ausdrückliches Beispiel für Zivilcourage kenne ich aus meinem engsten Kreis. Ein Unternehmen erhielt Screenshots mit rechten Kommentaren eines Mitarbeiters. Die Mail mit dem "Beweismaterial" mit Klarnamen ging an die öffentliche Empfängeradresse info@firmaxy.de, die einem größeren Personenkreis zugänglich war. Damit war das Unternehmen im Zugzwang. Wie reagieren? Wo hört private Meinung und Meinungsfreiheit auf? Nachdem der Vorgesetzte des Mitarbeiters sich anfänglich zurückhielt, setzte die Personalleitung ein klärendes Gespräch durch. So klein dieser Schritt zunächst scheint, so groß war die Wirkung. Der Mitarbeiter war im Gespräch schnell kleinlaut und ging in die Defensive. Es fand eine soziale Regulation statt, ohne dass Drohgebärden oder rechtliche Schritte im Raum standen.

Das heißt: Man muss nicht erst die strafrechtliche Relevanz wasserdicht abklären lassen, um ein solches Gespräch zu führen. Aber kein Gespräch zu führen – das wäre ein fatales Signal an die Belegschaft. Gerade in der Personalarbeit geht es schließlich darum, für die Mitarbeitenden eine sichere Arbeitsumgebung zu schaffen.

Eine demokratische Grundhaltung entwickeln

In einem demokratischen Unternehmen zu arbeiten bedeutet auch, andere Meinungen auszuhalten. Es geht nicht darum, die Mitarbeitenden zu missionieren, sondern eine gemeinsame Grundhaltung zu entwickeln und unterschiedliche Sichtweisen zu akzeptieren. Ich möchte von meinen Kolleginnen und Kollegen gar nicht wissen, wen sie wählen, sondern wofür sie stehen. Der Diskurs über Demokratie darf kein einmaliger Moment bleiben. Diesen Diskurs kann man beispielsweise in einer Initiative für Corporate Political Responsibility verfestigen.

Als Gründungsmitglied der Initiative "Love HR, hate Racism" zeige ich deutlich, wofür ich stehe. Oft werde ich gefragt, welche Nachteile das für mich hätte. Aber meiner Meinung nach ist das die falsche Frage. Vielmehr sollten wir uns fragen, welche Nachteile meine Mitstreiterinnen haben, die von (Alltags-)Rassismus betroffen sind. Es gibt viele Nachteile, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Wenn weiße Personen mehr darüber erfahren möchten, empfehle ich beispielsweise das Handbuch "Exit Racism" von Tupoka Ogette.

Aufgabe für HR: Gespräche suchen – Verbündete finden

"Eva, kannst du auch mal sagen, dass es nicht einfach ist, in rechtextremen Hochburgen antirassistisch zu sein!" Das mache ich hiermit. Es ist nicht leicht, sich gegen die in den letzten Jahren immer lauter und offener betriebene rechte Hetze zu wehren. Nicht im eigenen Arbeitsumfeld, schon gar nicht in der eigenen Nachbarschaft. Nicht alle haben das Privileg, einfach wegziehen zu können. Nicht alle haben die Kraft und das Selbstbewusstsein, offen dagegen zu sein, was im Dorf, im Landkreis, in der Kleinstadt abgeht. Die Gegenwehr von rechts wird immer aggressiver und brutaler. Aber Schweigen ist keine Lösung. Es kann ein demokratischer Akt sein, zur Wahl zu gehen und mit Zähneknirschen den CDU-Kandidaten zu wählen, um die AfD zu verhindern, wie zuletzt im Saale-Orla-Kreis passiert. Es kann die anonyme Spende an ein anti-rassistisches Projekt sein, das kleine unscheinbare "Like" in Social Media. Das Abonnieren von Tageszeitungen oder Fachzeitschriften, die ausgewogen berichten.

In einer Zeit, in der die Grenzen zwischen demokratischen Grundwerten und Rechtsextremismus langsam verwischen, gibt es für uns Bürgerinnen und Bürger und für uns als Mitarbeitende keine Ausreden mehr. Es sind die kleinen, aber entschlossenen Schritte. Nie wieder ist jetzt!


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Schlagworte zum Thema:  Unternehmenskultur, Diskriminierung, Diversity