Personalmanagementkongress 2022

Dem Personalmanagementkongress, vor Corona die größte und richtungsweisende Veranstaltung für HR-Fachleute, ist ein eindrucksvolles Comeback geglückt. Die Stimmung war gut und dem Bundesverband der Personalmanager*inner (BPM) gelang es, neben vielen Praxisvorträgen auch inhaltliche Akzente zu setzen.

Acht Monate lang bereitete das Präsidium des BPM unter Führung von Inga Dransfeld-Haase den Kongress vor. Nach zwei schwierigen Pandemiejahren, in denen der Kongress zwar standfand, doch die meisten HR-Fachleute nur virtuell daran teilnahmen, gelang es dem BPM, das Publikum wieder in Berlin zu versammeln. Von den 1200 Teilnehmenden strömten 900 ins "bcc" in Berlin, nur noch 300 verfolgten das Geschehen am heimischen Bildschirm – was die Veranstalter in guter Qualität hinbekommen haben.

Angesichts von Ukrainekrieg und wirtschaftlicher Rezession ist die Situation in vielen Betrieben angespannt, doch davon war in Berlin wenig zu spüren. Die Stimmung war bei inhaltlichen Diskussionen ernst, aber unter den Teilnehmenden auch heiter, bei der "Nacht der Personaler*innen" teilweise ausgelassen. Die HR-Fachleuten freuen sich darüber, wieder Kolleginnen und Kollegen in Präsenz zu begegnen. Hajo Schumacher, der zum dreizehntenmal den Kongress moderierte und inzwischen das Gesicht des Kongresses darstellt, griff das Dilemma der Situation auf und erteilte den Anwesenden Absolution. "Ich habe mit einer Ukrainerin gesprochen, ob man während des Krieges feiern dürfte", erläuterte er und zitierte deren Antwort: "Wir sollen uns von Putin nicht die Normalität stehlen lassen. Das Feiern ist normal."

Der Kongress stand in diesem Jahr unter dem Motto "außergewöhnlich"

Der Kongress stand zwar unter dem Thema "außergewöhnlich", doch der Kongress war eher davon geprägt, Normalität nach der Coronapandemie herzustellen. Den Teilnehmenden wurden sehr viele Praxisforen geboten, die konkrete Hilfestellungen für Recruiting, Leadership, Gesundheit, Nachhaltigkeit oder Diversität gaben. Sie waren überwiegend auch gut besucht. Ein Höhepunkt des ersten Kongresstages war der Vortrag von Carlo Masala, Professor an der Bundeswehrhochschule, der über die globale Unordnung sprach. Den Ukraine-Krieg analysierte er als "Wendepunkt des internationalen Systems".

Die weltweite Vorherrschaft der liberalen Demokratien ginge zu Ende - egal wie der Krieg ausgehe. "Die Politik und die Gesellschaft haben aber noch nicht verstanden, was auf uns zukommt", so Masala. Es würde zwar häufig von der "Zeitenwende" gesprochen, doch niemand stelle sich derzeit darauf sein. Auf die Wirtschaft würden schwere Entscheidungen zukommen, sie müsse ihre Abhängigkeit von Russland und von China reduzieren. "Was mit China auf uns zukommt, wird viermal größer sein als das, was jetzt mit Russland passiert ist", so Masala. Für die nächste Dekade prophezeite er eine Re-Regionalisierung der Weltwirtschaft. Diese These wurde beim Kongress mehrfach aufgestellt. Politik und Außenwirtschaft müssten auf neue Füße gestellt werden, so seine Mahnung. 

Dialog zwischen HR und Politik

Auffällig am Kongress war, dass die Mehrzahl der Mitglieder des BPM-Präsidiums nicht nur am Kongress teilnahmen, sondern auch eine aktive Rolle im Programm übernahmen: Sie hielten Vorträge und moderierten Podien. Darin zeigte sich die Lebendigkeit des Verbandes, was wirklich außergewöhnlich in der Verbandslandschaft ist. Frank Kohl-Boas, CHRO bei der Zeit-Verlagsgruppe, moderierte beispielsweise ein Podium mit den Jungpolitkern Ye-One Rhie (SPD), Anikó Glogowski-Merten (FDP), Philip Krämer (Grüne) und Franziska Hoppermann (CDU).

Er beließ es nicht dabei, nur über Erfahrungen im politischen Betrieb zu sprechen, sondern konfrontierte diese mit den Themen, die HR-Fachleute bewegen, etwa dem Nachweisgesetz oder der Dokumentationspflicht bei den Arbeitszeiten. "Wollen Sie uns helfen, das zu ändern und für Unternehmen einfachere Regelungen zu schaffen?", fragte er in die Runde. Leider drückte sich der politische Nachwuchs um klare Antworten. 

Der Anspruch des BPM, den Dialog mit der Politik zu führen, wurde auch in der Einladung von Andrea Nahles, der Vorstandsvorsitzenden der Agentur für Arbeit, erkennbar. Diese hielt nur einen sehr kurzen Impulsvortrag und forderte das Publikum zum Dialog auf. So wurde auf sehr lebendige Weise über verfestige Langzeitarbeitslosigkeit, den sozialen Arbeitsmarkt, den Fachkräftemangel und die Aktivitäten zur Integration der Flüchtlinge aus der Ukraine diskutiert. Zweifellos ein Highlight des zweiten Kongresstages.

Außenperspektive durch CFO

Den Veranstaltern gelang es auch, eine Außenperspektive auf das HR-Management in den Kongressablauf zu integrieren. Im Eröffnungsvortrag stärkte Martina Niemann, CFO der DB Cargo, das Selbstbewusstsein der HR-Profession: "Die HR´ler werden die Unternehmen prägen", prophezeite sie und deklinierte das an den Themen Disruption, Digitalisierung, Diversity und Demographie durch, die für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen eine entscheidende Bedeutung haben. Am Panel "CEO Expectations for HR" beteiligten sich vier CEOs, die die Außenperspektive einbrachten.

Verleihung des HR-Startup Awards

Seit 2016 gehört die Verleihung des HR Startup Awards zum Programm. Die beiden Initiatoren des Awards, Elke Eller (Ehrenpräsidentin des BPM) und Michael Kramarsch (hkp Group), waren sichtlich stolz darauf, dass sich in diesem Jahr 51 HR-Startups beteiligten. Der Eröffnung der Preisverleihung fehlte es etwas an selbstkritischer Distanz, da nur die großen Erfolge des Awards in Blick genommen, die Flops aber verschwiegen wurden.

Zu nennen wäre da etwa die ursprüngliche Erwartung, das Thema Startups breiter in der HR-Community zu verankern. Das ist nur bedingt gelungen, findet die Preisverleihung immer mit einem bescheidenen Publikum in einem kleinen Nebensaal statt. Auch nicht jeder Sieger verfügte in der Vergangenheit über ein Produkt, das einer fachlichen Überprüfung Stand gehalten hat.

Das ist aber eher eine Randnotiz, die die Preisverleihung in diesem Jahr nicht schmälert. Das anwesende Publikum wählte im Jahr 2022 das Startup Evermood zum Gewinner - der Auftritt von Co-Founderin Lara von Petersdorff-Campen hat die anwesenden HR-Fachleute überzeugt. Evermood bietet eine App für mentale Gesundheitsdienstleistungen an, die sich in bestehende LMS-Umgebungen integrieren lässt. Dazu gehören Wissens-Tools, Live-Events und persönliche Beratung. Das Startup ist seit vier Jahren am Markt und eigenfinanziert. Auf Platz 2 landeten die Startups Talk'n Job ApplyZ GmbH (einfache Bewerbersuche im gewerblichen Bereich) und Certif-ID International GmbH (internationale Recruiting Plattform).

Horizonterweiterung beim Personalmanagementkongress

Thymian Bussemer, Vizepräsident des BPM, lud in diesem Jahr Thomas Sattelberger - der zur HR Hall of Fame vom Personalmagazin zählt - zum Kongress ein, der über viele Jahre zu den Kritikern des BPM gehörte. In einem kurzweiligen Podiumsgespräch enthüllte Sattelberger die Gründe für seinen überraschenden Rücktritt als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbildungsministerium. Neben der Sorge um die Gesundheit von zwei nahestehenden Menschen (Mutter und Partner), die bislang als offizielle Rücktrittsgründe galten, gab es auch eine politische Ursache. Als Sattelberger erfuhr, dass Haushälter zwei seiner Projekte stoppen wollen, habe er sofort seinen Rücktritt an die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger formuliert. Er sprach von einem Dolchstoß. Auf Nachfrage von Bussemer, ob er häufig so spontan entscheide, erläuterte Sattelberger, dass er auf ähnliche Weise auch seinen Ausstieg bei Daimler einläutete.

In einem Video-Einspieler, den Bussemer anfertigte, würdigte der Ex-CEO der Deutsche Telekom Rene Obermann die Verdienste von Sattelberger, der nicht nur innovative HR-Arbeit leistete, sondern immer das große Ganze im Blick hatte. Die Zusammenarbeit sei anstrengend gewesen, aber sehr produktiv. "Ich bin dankbar, Vorstandsvorsitzender unter Thomas Sattelberger gewesen zu sein", erläuterte er augenzwinkernd. Für den BPM-Kongress war das nicht nur ein Highlight, sondern machte den Anspruch deutlich, die gesamte HR-Community integrieren zu wollen. 


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