Und ewig grüßt der Wandel
Nach einer gelungenen Comeback-Veranstaltung im Vorjahr lag die Messlatte für den Personalmanagementkongress (PMK) 2023 hoch. Das sollte sich für den Bundesverband der Personalmanager*innen jedoch nicht als Nachteil erweisen. Im Gegenteil: Die Tickets waren fast ausverkauft, die Teilnehmerzahlen – nach Angaben des Verbandes rund 1.400 Besucherinnen und Besucher an zwei Tagen – sogar noch etwas besser als im vergangenen Jahr. Die Stimmung im Berlin Congress Center und bei der "Nacht der Personaler und Personalerinnen" im Café Moskau war gut. Die Programmpausen wurden zum Netzwerken rege genutzt.
Nach ihrer Wiederwahl am Vorabend des PMK eröffnete die Präsidentin Inga Dransfeld-Haase, inzwischen in ihrer dritten Amtszeit an der Spitze des Verbandes, den Kongress. "Je häufiger man gewählt wird, desto mehr kann man Gas geben", kündigte sie an. Dabei kann sie auf ihr Präsidium bauen, das geschlossen zur Wiederwahl antrat und ebenfalls bestätigt wurde. Damit stehen beim Verband die Zeichen auf Kontinuität. Das müsse kein Nachteil sein, sagte Dransfeld-Haase. Ihr Team sei eingespielt und keinesfalls amtsmüde. Noch immer sei der Tatendrang groß.
"Metamorphose" als Motto des Personalmanagementkongress
Das Motto des Kongresses lautete Metamorphose – und zielte darauf ab, dass in Zeiten der Veränderung und multipler Krisen wie Ukrainekrieg, Arbeitskräftemangel und Strukturwandel, Wandlungsfähigkeit zu einer der wichtigsten Fähigkeiten für Unternehmen und ihre Beschäftigen würde. Wie Veränderungsfähigkeit in sehr radikaler Form aussehen kann, erklärte der Cyborg-Aktivist Neil Harbisson, der durch verschiedene Implantate seine natürlichen Sinne erweitert hat. So ließ er sich beispielsweise eine Antenne in den Schädel pflanzen, über die er Farben als Töne wahrnehmen kann. Ob die Veränderungen für Arbeitnehmende künftig ähnlich drastisch ausfallen, darf zwar bezweifelt werden, doch für Staunen sorgte der Avantgarde-Künstler allemal.
Arbeitskräftemangel und Transformation prägen die Agenda
Das Programm war anhand vier thematischer Stränge gegliedert: Meistern, Entwickeln, Transportieren und Analysieren. Im Zentrum standen also die Themen Transformation, Nachhaltigkeit, Weiterbildung und Weiterentwicklung, die die meisten Konzerne und auch weite Teile des Mittelstandes längst auf dem Zettel haben sollten – denn ewig grüßt der Wandel. Inhaltliche Überraschungen blieben aus. Stattdessen war die Themensetzung Ausdruck dafür, dass die Dringlichkeit derselben wohl doch noch nicht in allen Betrieben angekommen zu sein scheint – oder die konkreten Ideen zur Herangehensweise und Umsetzung noch fehlen. Veränderung, das betonte Dransfeld-Haase, sei ein Marathon und kein Sprint. Doch das Loslaufen scheint manchen Betrieb Überwindung zu kosten.
Als weitere Handlungsfelder nannte sie Mitarbeitergewinnung, Mitarbeiterbindung und Employer Branding. Die Unternehmen müssten sich auf absehbare Zeit auf einen Arbeitnehmermarkt einstellen. Der Arbeitskräftemangel bliebe weiterhin die größte Herausforderung für Personalerinnen und Personaler. "Ich erwarte eine Diversifizierung der Strategien, mit denen die Unternehmen auf den Personalmangel reagieren", sagte Dransfeld-Haase im Gespräch mit dem Personalmagazin. Bei der Suche nach geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten müssten die Betriebe künftig stärker auf Kompetenzen als Auswahlkriterium achten und weniger auf den Lebenslauf. Eine Offenheit für Quereinsteiger sei in manchen Berufsfeldern unerlässlich. Andernfalls drohten Stellen unbesetzt zu bleiben. Das gelte auch für HR, sagte Claudia Heser, Leiterin der Personal- und Organisationentwicklung beim Bundesverband der Deutschen Industrie und BPM-Präsidiumsmitglied. Früher hätten sich Personalerinnen und Personaler darüber empört, wenn es hieß: Personalmanagement könne doch jeder. Heute könne man den Spruch als Aufforderung verstehen, offener für Bewerberinnen und Bewerber ohne klassische HR-Vita zu sein.
Steigende Mitgliederzahlen, engagiertes Präsidium
Wie das gelingen kann, darüber sprach Felicitas von Kyaw, Personalchefin von Vodafone Deutschland und ebenfalls Mitglied im Präsidium des BPM. Sie bezeichnete Kompetenzen als "das neue Gold" für Unternehmen. Beim Telekommunikationsanbieter möchte von Kyaw einen Kulturwandel vorantreiben, während sie gleichzeitig rund 1.300 Stellen abbauen muss. Damit dürfte sie in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nicht die einzige Personalchefin in Deutschland sein. Wie sich Kompetenzen gemeinsam aufbauen lassen, machte "Working-Out-Loud"-Begründer John Stepper in seinem Vortrag deutlich. Das Ziel seiner Bewegung: Ein Umfeld zu schaffen, das gemeinsames Lernen ermöglicht.
Was auffiel, war, dass das BPM-Präsidium fast vollständig am Kongress teilnahm – und dabei, wie bereits im Vorjahr, auch eine aktive Rolle im Programm übernahm. Sie hielten Vorträge oder moderierten Podien und präsentierten sich beim Abendevent als leidenschaftliche, wenn auch nicht ganz tonsichere, Karaoke-Sänger. Die Botschaft war klar: Expertise, Engagement und Nahbarkeit. Darauf setzt der Verband und ist damit durchaus erfolgreich. Fast 5.000 Mitglieder zählt der im Jahr 2009 gegründete BPM heute.
Bleibt der inhaltliche Schwung erhalten?
Wie fällt also das Fazit aus? Positiv, ganz klar. Der Personalmanagementkongress zählt auch weiterhin zu den angesagtesten und inhaltlich hochwertigsten Events der Personalszene. Die Teilnehmerzahlen bestätigen das, ebenso wie persönliche Gespräche mit den Besucherinnen und Besuchern. Bleibt lediglich ein Kritikpunkt, der gleichzeitig auch Auszeichnung ist: Wer so viel neuen Schwung in einen Verband bringt, wie es Dransfeld-Haase seit ihrem Amtsantritt getan hat, dem dürfte es zunehmend schwerer fallen, immer weiter Impulse zu setzen. Für den Moment sind jedoch keine Ermüdungserscheinungen sichtbar.
Für den emotionalsten Moment der zwei Kongresstage sorgt der Auftritt des "Circus Sonnenstich", einer Artistengruppe, deren Mitglieder mit Trisomie 21 leben. Zeitgleich zu den Special Olympics in Berlin sorgten sechs junge Menschen dieser Gruppe dafür, dass sich der voll besetzte Kuppelsaal komplett erhob und applaudierte. Die Euphorie und der Enthusiasmus dieser Künstler schien ansteckend zu sein.
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