Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 146
Im Recht der sozialen Förderung geht es um den Ausgleich geminderter Chancen (Chancendefizit). Die dazugehörigen Gesetze sind nicht alle numerisch dem SGB zugeordnet. Nur das Jugendhilferecht ist bisher als SGB VIII ein numerisch besonderer Teil des Sozialgesetzbuchs. Die anderen gesetzlichen Regelungen, wie z.B. das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), gelten nach § 61 SGB I als besondere Teile des SGB.
(1) Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG)
Rz. 147
Wer an einer Ausbildung teilnimmt, die seiner Neigung, Eignung und Leistung entspricht, hat nach §§ 3, 18 SGB I ein soziales Recht auf individuelle Förderung seiner Ausbildung, wenn ihm die hierfür erforderlichen Mittel nicht anderweitig zur Verfügung stehen. Zum Recht der sozialen Förderung gehört deshalb u.a. auch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), das dieses soziale Recht konkretisiert.
Rz. 148
Ausbildungsförderung dient der Deckung des Bedarfs des Auszubildenden für Ausbildung und Lebensunterhalt (§ 11 Abs. 1 BAföG). Ausbildungsförderung ist eine nachrangige Leistung, bei der die förderungsrechtliche Subsidiarität durch bedarfsmindernde Berücksichtigung des Einkommens und des Vermögens des Auszubildenden und des Einkommens seines Ehegatten/Lebenspartners und seiner Eltern umgesetzt wird. Es verweist den Auszubildenden damit auf die Inanspruchnahme dieser eigenen oder fremden Mittel. Auf den Bedarf eines Auszubildenden wird insbesondere eigenes Einkommen nach den §§ 21 ff. BAföG angerechnet und das Nachrangprinzip damit konkretisiert. Vermögen des Auszubildenden wird nach Maßgabe des förderungsrechtlichen Vermögensbegriffs der §§ 27–30 BAföG auf den Bedarf des Auszubildenden angerechnet.
Rz. 149
Mittel aus Erbfall und Schenkung beim Auszubildenden sind deshalb für den Bezug von BAföG-Leistungen rechtserheblich. Sie können zum Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen führen. Und die Weggabe solcher durch Erbfall oder Schenkung erlangten Mittel – die als rechtsmissbräuchlich angesehen wird – ist ein großes Thema in der Praxis.
Rz. 150
Ein "Regress" oder Rückgriff ist gesetzlich nicht geregelt. Eine Vorausleistung wie im Sozialhilferecht oder ein Kostenbeitrag wie im SGB VIII ist nicht vorgesehen. Es gelten aber die allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung fehlerhafter Verwaltungsakte (§§ 45 ff. SGB X), die Rückforderung (§ 50 SGB X) der zu Unrecht gezahlten Leistungen und neue Verwaltungsakte bei Änderung der Verhältnisse.
Auch insoweit handelt es sich also um einen nachrangigen Normenkomplex mit einer Art sozialhilferechtlichem Regress, der nachfolgend in § 8 gesondert behandelt werden muss.
(2) Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII)
Rz. 151
Besondere Bedeutung hat im Recht der sozialen Förderung das Kinder- und Jugendhilferecht, geregelt im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Die dortigen Leistungsangebote sollen die Entwicklung junger Menschen fördern und die Erziehung in der Familie unterstützen und ergänzen.
Rz. 152
Junge Menschen und Personensorgeberechtigte haben gem. § 8 SGB I ein soziales Recht auf Leistungen der öffentlichen Jugendhilfe. § 27 SGB I ist die Einweisungsvorschrift der Kinder- und Jugendhilfe und zählt die Leistungen auf, mit denen das Ziel erreicht werden soll:
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Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Jugendschutzes, |
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Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie, |
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Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege, |
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Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche sowie Hilfe für junge Volljährige. |
Rz. 153
Das SGB VIII ist primär ein Hilfegesetz, kein Kostengesetz. Der Erziehungsanspruch als solcher ist nicht an finanzielle Maßgaben gebunden und deshalb kann der Leistungsträger die Erbringung von z.B. Erziehungshilfe nicht von ausgaben- und/oder vermögenswirksamen Zusagen und Erklärungen des Hilfebedürftigen und/oder seiner Eltern abhängig machen. Es kommt vielmehr nur eine Kostenbeteiligung aus Einkommen und Vermögen in Betracht.
Rz. 154
Normen der Einkommens- und Vermögensanrechnung konkretisieren den Grundsatz der Nachrangigkeit dieser Leistungen durch Kostenbeteiligung in den §§ 90 ff. SGB VIII. Es findet keine Anrechnung aus eigenem Einkommen bzw. Vermögen auf den jugendhilferechtlichen Bedarf statt, sondern für spezifische Leistungen werden nach § 91 SGB VIII Kostenbeiträge erhoben. Die Ausgestaltung der "Heranziehung" und die Berechnung von Einkommen und Vermögen ist ausführlich in §§ 92 ff. SGB VIII geregelt. Der "Regress" findet nach § 95 SGB VIII durch Überleitung von Ansprüchen statt, die der Kostenbeitragspflichtige gegenüber Dritten hat. Einzelheiten werden in § 7 geschildert.
Rz. 155
Fazit
Zuflüsse aus Erbfall und Schenkung können leistungsrelevant sein.