Rz. 7
Für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren, also für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV), erhält der Anwalt nach Nr. 3200 VV zunächst einmal eine 1,6-Verfahrensgebühr.
Rz. 8
Vertritt er mehrere Auftraggeber gemeinschaftlich wegen desselben Gegenstands, erhöht sich die Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 VV um 0,3 je weiteren Auftraggeber, höchstens um 2,0. Vertritt er mehrere Auftraggeber wegen verschiedener Gegenstände, bleibt es bei der einfachen 1,6-Verfahrensgebühr, die sich dann allerdings aus den addierten Werten der einzelnen Berufungen berechnet (§ 23 Abs. 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG).
Rz. 9
Erledigt sich das Berufungsverfahren vorzeitig, also bevor der Rechtsanwalt die Berufung eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme der Berufung enthält, einreicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat, so reduziert sich die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 Nr. 1 VV auf 1,1, also z.B. wenn der Anwalt den Auftrag zur Berufung erhält, von deren Einlegung aber abrät und die Berufung auch nicht einlegt.
Rz. 10
Soweit der Anwalt noch nicht den Auftrag hatte, die Berufung einzulegen, sondern er zunächst die Erfolgsaussicht der Berufung prüfen sollte, und er von der Einlegung der Berufung abrät, liegt noch kein Berufungsauftrag vor. Abzurechnen ist dann nicht nach Teil 3 VV, sondern nach Teil 2 VV. Der Anwalt erhält dann lediglich eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV in Höhe von 0,5 bis 1,0 und, wenn die Prüfung der Erfolgsaussicht mit der Ausarbeitung eines Gutachtens verbunden ist, eine 1,3-Gebühr nach Nr. 2101 VV, die allerdings im anschließenden Berufungsverfahren anzurechnen ist (siehe hierzu § 6 Rdn 26).
Rz. 11
Ein weiterer häufiger Anwendungsfall der Nr. 3201 Nr. 1 VV liegt darin, dass die erstinstanzlich unterlegene Partei zunächst (fristwahrend) Berufung eingelegt, diese aber, ohne dass sie begründet worden ist, wieder zurücknimmt. Der Anwalt des Berufungsgegners, der in dieser Phase noch keinen Zurückweisungsantrag gestellt hatte, erhält dann ebenfalls nur eine 1,1-Gebühr nach Nr. 3201 Nr. 1 VV, die auch erstattungsfähig ist (siehe Beispiel 10).
Rz. 12
Ebenso entsteht nur eine 1,1-Verfahrensgebühr, soweit beantragt ist, eine Einigung der Parteien oder mit Dritten über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche zu Protokoll zu nehmen oder festzustellen (§ 278 Abs. 6 ZPO), oder soweit lediglich Verhandlungen zur Einigung über solche Ansprüche geführt werden (Nr. 3201 Nr. 2 VV).
Rz. 13
Zu beachten ist § 15 Abs. 3 RVG. Die Summe aus der vollen 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV und der ermäßigten 1,1-Verfahrensgebühr aus Nr. 3201 VV darf den Betrag einer 1,6-Gebühr aus dem Gesamtwert nicht übersteigen.
Rz. 14
Hinsichtlich der Gebühr der Nr. 3201 Nr. 2 VV ist in Anm. zu Nr. 3201 VV wiederum vorgesehen, dass diese nach dem Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche auf eine Verfahrensgebühr, die wegen desselben Gegenstands in einem anderen Verfahren entsteht, angerechnet wird (siehe § 11 Rdn 1, 11).