A. Einführung
Rz. 1
Das zivilrechtliche Verfahren, das in den ersten sieben Büchern der ZPO geregelt ist, soll eine gerichtliche Entscheidung darüber ermöglichen, ob ein Anspruch nach den materiellen Normen des BGB oder von dessen Nebengesetzen besteht.
Ziel des Klägers ist es, ein zusprechendes Urteil zu erwirken, Ziel des Beklagten ist die Klageabweisung. Sofern das Gericht in der Sache entscheidet, entscheidet es regelmäßig durch Urteil. In der Praxis werden allerdings viele Prozesse durch einen sog. Prozessvergleich gütlich erledigt. Dem streitigen Prozessverfahren wird zu diesem Zweck in der Regel eine sog. Güteverhandlung vorangestellt (§ 278 Abs. 2 ZPO); aber auch bei Scheitern der Güteverhandlung kann und wird häufig noch im anschließenden streitigen Prozessverfahren ein Prozessvergleich geschlossen. Sowohl ein der Klage stattgebendes Urteil, als auch ein Prozessvergleich stellt jeweils einen sog. Vollstreckungstitel dar, aus dem die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann, falls der Zahlungsverpflichtete dann gleichwohl nicht zahlen sollte bzw. nicht das machen sollte, wozu er nach dem Urteil/Vergleich verpflichtet ist. Wird die Klage demgegenüber abgewiesen, kann der Beklagte aus einem solchen Urteil nur hinsichtlich der ihm entstandenen Kosten, insbesondere seiner Rechtsanwaltskosten, die Vollstreckung betreiben.
B. Grundsätze des zivilrechtlichen Verfahrens
Rz. 2
Sämtliche gerichtlichen Zivilverfahren – man spricht hier von Prozessarten – mit Ausnahme des Mahnverfahrens, das ein rein maschinell geführtes Verfahren ist, unterliegen im Wesentlichen gleichen Verfahrensgrundsätzen.
I. Bindung des Gerichts an Parteianträge
1. Wirkung
Rz. 3
Es ist allein Sache des Klägers, den Anspruch, den er geltend machen will, zu benennen. Man spricht hier von dem Dispositionsgrundsatz oder der Bindung des Gerichts an den Parteiwillen. Das Gericht darf nichts zusprechen, was der Kläger nicht beantragt hat (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO). Hieraus folgt im Gegenzug die Verpflichtung des Klägers, den Gegenstand seines Begehrens genau zu benennen.
Beispiel:
A verlangt mit seiner Klage in der Hauptsache 10.000,00 EUR Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall mit dem B. Das Gericht sieht aufgrund des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens, dass ihm in Wirklichkeit ein Schaden in Höhe von 15.000,00 EUR entstanden ist und wegen der klaren Alleinschuld des B auch voll zustehen würde. Das Gericht dürfte gleichwohl nur die beantragten 10.000,00 EUR zusprechen, § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO, wenn nicht der Klägeranwalt seinen Antrag nach Vorliegen des Gutachtens entsprechend anpasst, was er natürlich machen wird.
Rz. 4
Aus dem Dispositionsgrundsatz folgt weiterhin, dass der Kläger letztlich der Herr des Verfahrens ist, da allein er über den von ihm begehrten Anspruch verfügen kann. So kann der Kläger auch im Verfahren auf den Anspruch materiell-rechtlich verzichten, was im Rechtssinne das Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrages gem. § 397 BGB ist, das regelmäßig beklagtenseits angenommen wird. Der Kläger kann, wenn auch nach Beginn der Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache (Antragstellung) nur noch mit dessen Zustimmung (§ 269 Abs. 1 ZPO), die Klage zurücknehmen. Er kann sie erweitern oder beschränken (§ 264 ZPO) und er kann, gemeinsam mit der beklagten Partei, Vergleiche über den Streitgegenstand schließen oder einen Sachverhalt unstreitig stellen.
2. Büromäßige Behandlung
Rz. 5
Die Tatsache, dass das Gericht gem. § 308 Abs. 1 ZPO nur das zusprechen darf, was beantragt ist, verpflichtet den Rechtsanwalt zu besonderer Sorgfalt bei der Formulierung seiner Klageanträge. Der Klageantrag muss alles umfassen, was dem Mandanten nach Auffassung des Anwalts zusteht und was der Mandant tatsächlich beanspruchen will. Dies kann sich auch während des Verfahrens ändern, so dass man die ganze Zeit wachsam bleiben muss und natürlich dankbar ist, wenn auch seine Fachangestellten die betreffenden Akten mit offenen Augen verfolgen und den Rechtsanwalt gegebenenfalls auf ihnen auch in dieser Hinsicht auffallende Aspekte ansprechen. Andererseits bietet der Dispositionsgrundsatz auch die Möglichkeit, nur Teilforderungen geltend zu machen, z.B. um das Prozessrisiko und die Kostenlast überhaupt zu minimieren. Zu beachten ist dabei jedoch, dass der nicht geltend gemachte Teil weiterhin der Verjährung unterliegt und außerdem theoretisch in einem künftigen Prozess hinsichtlich eines anderen Teils der Forderung eine anderslautende Entscheidung des Gerichts ergehen könnte, da das erste Urteil jedenfalls rechtlich keine präjudizielle Wirkung hat. Es empfiehlt sich daher, die Verjährung des nicht geltend gemachten Restanspruchs im Fristenkalender zu notieren, um ggf. verjährungshemmende Maßnahmen fristgerecht ergreifen zu können oder den Mandanten zumindest rechtzeitig auf die drohende Verjährung hinzuweisen, um keinen Haftungsfall zu produzieren.
II. Öffentlichkeitsgrundsatz
Rz. 6
Der Zivilprozess ist im Übrigen grundsätzlich öffentlich zu führen, § 169 Abs. 1 GVG. Öffentlich bedeutet, dass jeder Zugang zu der Gerichtsverhandlung hat, der dieses wünscht. Der Öffentlichkeitsgrundsatz verhindert damit Geheimverfahren, in denen e...