Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 19
Die Abspaltung der Erträge von der Eigentümerstellung durch den Nießbrauch führt dazu, dass nicht nur zivilrechtlich, wie vorstehend kurz ausgeführt, sondern auch ertragsteuerlich Probleme bestehen. Hinzu kommt, dass generell unterschieden werden muss, ob der Nießbrauch an einer Sache (z.B. einem Grundstück) oder einem Recht (z.B. Gesellschaftsanteil) bestellt wird und ob sich der Vermögensgegenstand, auf den sich der Nießbrauch bezieht, im steuerlichen Privat- oder Betriebsvermögen gehalten wird.
Rz. 20
Allgemein gilt heute, dass “den Nießbrauchern – und nicht den Eigentümern – die Einkünfte dann zugerechnet werden, wenn
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ihre Rechtsstellung es ihnen gestattet, die Tatbestandsmerkmale zu verwirklichen, die für die jeweils betroffene Einkunftsart charakteristisch sind und |
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sie ihre Rechtsstellung auch tatsächlich in dieser Weise zur Erzielung von Einkünften nutzen.“ |
a) Vorbehaltsnießbrauch an Grundstücken
Rz. 21
Für den Vorbehaltsnießbrauch an Grundstücken im steuerlichen Privatvermögen bedeutet dies, dass die Einkünfte dem Nießbraucher zuzurechnen sind, wenn ihm die volle Besitz- und Verwaltungsbefugnis zusteht, er die Nutzungen tatsächlich zieht, das Grundstück in Besitz hat und es verwaltet. Im Falle der Nutzung des Grundstücks durch Vermietung und Verpachtung darf der Vorbehaltsnießbraucher die AfA für das Gebäude wie zuvor als Eigentümer in Anspruch nehmen.
b) Vorbehaltsnießbrauch an Kapitalvermögen
Rz. 22
Die zentrale Frage bei der einkommensteuerrechtlichen Beurteilung des Vorbehaltsnießbrauch ist, wem die Einkünfte aus dem nießbrauchbelasteten Vermögen und wem das Eigentum daran zuzurechnen ist.
Beim Vorbehaltsnießbrauch an Kapitalvermögen (z.B. Aktien, verzinslichen Forderungen und GmbH-Anteilen) ist die überwiegende Ansicht, dass dem Vorbehaltsnießbraucher – zumindest solange ihm die Dispositions- und Verwaltungsbefugnis tatsächlich zusteht und er diese ausübt – die Einkünfte zuzurechnen sind.
c) Vorbehaltsnießbrauch an Personengesellschaften
Rz. 23
Beim Vorbehaltsnießbrauch an Personengesellschaften mit betrieblichen Einkünften (sog. Mitunternehmerschaften) hängt die ertragsteuerliche Beurteilung auch davon ab, ob der Nießbraucher, der Übernehmer oder beide ertragsteuerlich als Mitunternehmer anzusehen sind. Insbesondere für die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG ist Voraussetzung, dass der Erwerber Mitunternehmer wird. Nach der einige Zeit lang h.M. war der Gesellschafter (Übernehmer) in der Regel zumindest auch als Mitunternehmer anzusehen, da eine doppelte Mitunternehmerschaft durch Nießbraucher und Gesellschafter anerkannt wurde. Seit einiger Zeit herrscht jedoch Unsicherheit, ob der BFH an seiner ursprünglichen Anerkennung der doppelten Mitunternehmerschaft festhält, da der BFH bereits in zwei Fällen im Wege eines obiter dictum angedeutet hat, das nur eine Mitunternehmerstellung an einem Gesellschaftsanteil bestehen könne. Der Nießbraucher (Übergeber) ist dann Mitunternehmer, wenn er aufgrund der getroffenen Abreden eine Stellung erlangt, die dem Typusbegriff des Mitunternehmers entspricht, d.h. über Mitunternehmerinitiative und Mitunternehmerrisiko verfügt. Der Gesellschafter (Übernehmer) erwirbt demnach keine Mitunternehmerstellung, wenn ihm aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Nießbrauchs lediglich noch Einsichts- und Kontrollrechte verbleiben oder wenn zusätzlich eine treuhänderische Rechtsübertragung vereinbart wird. Nach der bis kürzlich vorherrschenden Meinung, wurde die Mitunternehmerinitiative des Gesellschafters selbst dann bejaht, wenn eine widerrufliche Vollmacht zur Ausübung des Stimmrechts zugunsten des Nießbrauchers erteilt wurde und dem Nießbraucher ein Widerrufsrecht der Schenkung im Falle des Widerrufs der Vollmacht zustand. Ist der Nießbraucher Mitunternehmer, hat er den ihm zustehenden Gewinnanteil (entnahmefähiger Teil am festgestellten Gewinn) zu versteuern. Der restliche Teil des Steuerbilanz-Gewinnanteils ist dem Gesellschafter als weiterem Mitunternehmer zuzurechnen. Ist der Nießbraucher hingegen als alleiniger Mitunternehmer anzusehen, liegt aus ertragsteuerlicher Sicht bereits keine Übertragung des Betriebes vor. Dem Nießbraucher werden in diesem Fall sämtliche Einkünfte, die mit dem Anteil zusammenhängen, zugerechnet.