Rz. 47
Mitverschulden an der Herbeiführung des Schadens trägt – wie gesehen – in der Regel, wer sich ohne Not bewusst einer Gefahr aussetzt oder sich der Gefahr zumindest bei gehöriger Sorgfalt bewusst sein müsste: Insofern ist eigener Alkohol- oder Drogenkonsum, der zu den Hauptgefahren im Straßenverkehr gehört und ein erhebliches Risiko für alle Verkehrsteilnehmer birgt, weil er – wie inzwischen allgemein bekannt – neben einer Enthemmung und Selbstüberschätzung u.a. auch zu einer eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit und damit einer deutlichen Gefahrenzunahme bei der Teilnahme am modernen Straßenverkehr führt, jedenfalls dann als Mitverschulden anzurechnen, wenn sich der Verletzte – zumindest – fahrlässig in diesen Zustand versetzt und sich der Umstand ausgewirkt hat. Ein nach § 254 Abs. 1 BGB zu beachtendes Mitverschulden stellt es außerdem regelmäßig dar, wenn sich ein Mitfahrer einem erkennbar – z.B. wegen Alkoholkonsums – fahruntüchtigen Fahrer anvertraut. Nicht die Kenntnis des Trinkens begründet im Übrigen dabei das Mitverschulden, sondern erst die Kenntnis der Fahruntüchtigkeit infolge Trunkenheit. Ob der Fahrgast die Fahruntüchtigkeit hätte erkennen müssen, ist nach den gesamten Umständen des Sachverhalts zu ermitteln. Die Beweislast für die Erkennbarkeit der Alkoholisierung liegt dabei grundsätzlich beim Schädiger; bei erheblicher Alkoholisierung des Fahrers und vorausgegangenem gemeinsamen Besuch eines Dorffestes und einer Diskothek mit Alkoholkonsum von Fahrer und Beifahrer in geselliger Runde kann freilich ein Beweis des ersten Anscheins dafür bestehen, dass der Beifahrer die massive Alkoholisierung des Fahrers vor Fahrtantritt erkannt hat, jedenfalls bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt im eigenen Interesse ohne Weiteres hätte erkennen müssen.
Rz. 48
Das OLG Köln hat bei einer Gefälligkeitsfahrt dem Fahrgast, der die Trunkenheit des Fahrers nicht berücksichtigt hatte, sogar ein Alleinverschulden zugemessen. Eine solche Beurteilung muss angesichts der primär den Fahrer treffenden Verantwortung freilich eine Ausnahme bleiben. Sie ist etwa dann berechtigt, wenn der Insasse selbst die Übernahme des Steuers durch den Fahruntüchtigen veranlasst hat und dabei ein Abhängigkeitsverhältnis mitspielt, z.B. Arbeitgeber/Arbeitnehmer, Elternteil/Kind oder auch nur die Autorität des Älteren gegenüber dem Jüngeren. Auch wenn der spätere Insasse das Trinken des Fahrers maßgeblich veranlasst hat und selbst verletzt wird, kann er sich dem Fahrer gegenüber nicht auf dessen Fahruntüchtigkeit berufen. Ein Mitverschulden ist des Weiteren angenommen worden, wenn der Insasse die Fahruntüchtigkeit (nur) nicht erkannte, weil er sich selbst in einen alkoholischen Zustand versetzt hat. Um eine Anrechnung von Mitverschulden in solchen Konstellationen zu vermeiden, muss der Mitfahrer von seinen Mitfahrplänen Abstand nehmen, wenn er vor Fahrtantritt bemerkt, dass der Fahrer in nicht unerheblicher Menge Alkohol konsumiert. Konnte er einen Alkoholkonsum des Fahrers vor Fahrtantritt gar nicht bemerken, gibt es aber während der Fahrt deutliche Anzeichen für eine Alkoholisierung des Fahrers – etwa durch ein kurzzeitiges Abkommen von der Fahrbahn –, muss der Mitfahrer den Fahrer zum Anhalten auffordern, um das Fahrzeug verlassen zu können.