Rz. 4
Es ist klug, bei der Gestaltung der Nachfolge in Familienunternehmen das Augenmerk auf die Familie zu richten. Ob das Gewollte nämlich erreicht wird, hängt wesentlich von ihr ab. Die Familie schafft die Voraussetzungen, und sie setzt um. Zu einem erheblichen Teil liegen hier die Förderung, Auswahl und Unterstützung der Nachfolger. Hier werden Muster geprägt, die die Zusammenarbeit konstruktiv oder destruktiv machen. Hier werden Maßstäbe gesetzt, die Geschäftsgebaren als solide oder riskant einstufen. Hier werden Vertrauen und Kommunikation praktiziert – oder auch nicht.
Es hängt auch von der Familie ab, mit welcher zeitlichen Perspektive die Nachfolgefrage angepackt wird: Geht die Familie die Nachfolge eher mit einer kurzfristigen Perspektive an, wird sie sich auf die operative Handlungsfähigkeit konzentrieren. Die ist und bleibt in jeder Generation ein wichtiges Gestaltungsziel. Sie ist aber nicht alles. Auf mittlere Sicht geht es um Stabilität – insbesondere um Stabilität an der Schnittstelle von Unternehmen und Familie. Und langfristig bemisst sich alles am Fortbestand von Familie und Unternehmen: Wie kann die Familie Zusammenhalt bewahren? Wie sichert sie den Erhalt ihres Unternehmens bzw. Vermögens über Generationen?
Rz. 5
Als Familienunternehmen gelten "Unternehmen, deren dominanter Inhaber eine Familie mit einem generationsübergreifenden Unternehmerverständnis ist". Kennzeichnend sind also Eigentum, Einfluss und Ausrichtung auf mehrere Generationen. Diese drei Kriterien gelten auch bei einer Erweiterung des Begriffs Familienunternehmen auf Familienportfolio oder Familienvermögen.
Im Folgenden wird nicht zwischen Familienunternehmen und Familienvermögen unterschieden. Dies dient der Vereinfachung. In der Praxis ist eine genaue Bestandsaufnahme geboten. Manche Familien betrachten unterschiedliche (gedanklich) gebündelte Vermögenswerte als ihr Familienunternehmen. Andere lassen wesentliche Vermögenswerte außer Betracht und fokussieren auf ein Unternehmen, das Ursprung eines inzwischen diversifizierten Familienvermögens ist.
Wie die Familie ihren Einfluss auf das Unternehmen oder das Vermögen ausübt, ist das Ergebnis eines mehr oder weniger reflektierten Prozesses. Die Nachfolge ist Anlass und Gelegenheit, die Einflussnahme bewusst zu gestalten.
Wie will und kann die Unternehmerfamilie künftig – während des Generationswechsels und in der nächsten Generation – Führung wahrnehmen? Wer wird beteiligt? Inwieweit wird sie den Einfluss direkt, d.h. durch Personen, durch Familienmitglieder geltend machen, insbesondere in der Geschäftsführung oder im Beirat? Ist sie bereit und fähig zu kooperieren? Welche Strukturen sind förderlich? Kurz: Mit welcher Nachfolgelösung kann sie ihre Ziele für die Familie und ihre Ziele für das Unternehmen bzw. Vermögen am besten erreichen?
Rz. 6
Aber nicht nur das Wie der Nachfolge ist zu klären. Der sich im Generationswechsel neu formende Kreis ist zuvor gefordert, sich die gemeinsame Perspektive zu vergegenwärtigen: Was will die Familie gemeinsam erreichen?
Ob die Unternehmerfamilie tragfähige Antworten auf diese Fragen geben und umsetzen kann, hängt nicht zuletzt davon ab, ob sie sich auf ein gemeinsames Fundament stützen kann und ob sie in der Lage ist, eine gemeinsame Perspektive zu artikulieren.
Rz. 7
Die Fragen machen deutlich, dass eine gelungene Unternehmensnachfolge nicht allein von gut gestalteten Verträgen abhängt. Tatsächlich geht es um die Übertragung eines in ständiger Veränderung befindlichen Wertes. Dass das Ganze nämlich mehr wird als die Summe seiner Teile, ist das Ergebnis von Koordination und Kooperation. Es ist das Resultat ständigen Handelns und Entscheidens. Für das Gelingen sind daher die Legitimation der Verantwortlichen und die Unterstützung, die sie erfahren, ebenso bedeutsam wie eine gute rechtliche Gestaltung. Die nächste Generation profitiert von der Angemessenheit der Nachfolgelösung und von ihrem Zustandekommen.