Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 13
Gegen die allgemeine Geltung der Rechtskraft sind Bedenken erhoben worden, wenn es sich beim Feststellungsurteil um ein Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil handelt. Im Fall des Anerkenntnisurteils (§ 307 ZPO) prüft das Prozessgericht nicht einmal die Schlüssigkeit des Klägervorbringens, sondern verurteilt den Beklagten aufgrund seines Anerkenntnisses. Zwar wird beim Versäumnisurteil die Schlüssigkeit nach § 331 Abs. 2 ZPO geprüft, allerdings bleiben auch hier erhebliche Einwendungen des Beklagten unbeachtet bzw. gelangen dem Prozessgericht nicht zur Kenntnis, wenn der Beklagte keine Verteidigungsanzeige abgibt (dann ergeht Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO) oder nach Verteidigungsanzeige erhebliche Umstände, die gegen die Schlüssigkeit des Klägervortrags sprechen, nicht von ihm vorgetragen werden.
Rz. 14
Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Bedenken zur Kenntnis genommen, sich aber für den Erhalt der Rechtskraft auch in diesen missbrauchsanfälligen Bereichen entschieden.
Rz. 15
Das OLG Frankfurt zum Versäumnisurteil:
Zitat
"Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn es sich bei dem das Erbrecht feststellenden Urteil wie vorliegend um ein Versäumnisurteil nach §§ 331 ff. ZPO handelt. Teilweise wird in der Literatur (Zimmermann, ZEV 2010, 457, 461) die Auffassung vertreten, dass ein solches Urteil mangels Gestaltungswirkung über das Erbrecht, über das die Erben keine Dispositionsbefugnis haben, für sich genommen dem Nachlassgericht nicht die notwendige Überzeugung für die Erteilung eines Erbscheins vermitteln könne. Diese Ansicht vermag den Senat nicht zu überzeugen. Denn der Anknüpfungspunkt für die Bindungswirkung eines Feststellungsurteils des Prozessgerichts über das Erbrecht ist, wie ausgeführt, formeller Natur. Die Bindungswirkung, die an die materielle Rechtskraft des prozessgerichtlichen Urteils anknüpft, kann nicht in einer von der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenen Weise nach der Art des Urteils relativiert werden (vgl. J. Lange, a.a.O., Rn 7). Die sich aus den grundlegenden Unterschieden der jeweiligen Verfahrensordnungen ergebenden Folgen sind vielmehr hinzunehmen. Denn grundsätzlich muss, um abweichende Entscheidungen zu verhindern, entweder das Urteil des Prozessgerichts oder die Entscheidung des Nachlassgerichts Vorrang haben. Dann müssen aber in jedem Falle Ergebnisse, die aufgrund abweichender Prinzipien der einen Verfahrensordnung zustande gekommen sind, in einem Verfahren nach der anderen Verfahrensordnung beachtet werden. Der abzulehnenden Ansicht liegt im Ergebnis die grundsätzlich nachvollziehbare Überlegung zugrunde, dass Entscheidungen des Prozessgerichts für das Erbscheinserteilungsverfahren nicht bindend sein sollen, denen keine den Anforderungen von § 2358 Abs. 1 BGB, § 26 FamFG genügende Aufklärung der das festgestellte Erbrecht begründenden objektiven Tatsachen zugrunde liegt oder die diesen sogar widersprechen. Dass bei der Entscheidung im Zivilprozess anders als bei der im Erbscheinserteilungsverfahren nicht zwangsläufig alle objektiv zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpft werden, ist dem Zivilprozess aber immanent und wirkt sich nicht nur im Falle des Versäumnis- oder auch des Anerkenntnisurteils nach § 307 ZPO aus. Auch verspätetes (§ 296 Abs. 1 ZPO) oder von den Parteien aus anderen Gründen nicht in den Prozess eingeführtes Vorbringen ist nicht zur Grundlage der Entscheidung des Prozessgerichts zu machen, während tatsächlich unzutreffender, aber nicht bestrittener Vortrag (§ 138 ZPO) den tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Prozessgericht regelmäßig zugrunde zu legen ist. Eine umfassende Überprüfung der materiellen Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Urteil des Prozessgerichts nach den Normen der ZPO zustande gekommenen tatsächlichen Feststellungen als Voraussetzung einer Bindungswirkung für das Erbscheinserteilungsverfahren ließe die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils in einer mit den oben dargestellten gesetzlichen Grundlagen nicht zu vereinbarenden Weise im Ergebnis leerlaufen."
Rz. 16
Das KG zum Anerkenntnisurteil:
Zitat
"Auf Grund des Feststellungsurteils hätte das Nachlassgericht dem Beteiligten auf Antrag einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein zu erteilen. Auf die Testierfähigkeit käme es insoweit nicht mehr an. Daran ändert es nichts, dass das Urteil vom 19.6.2014 auf das Anerkenntnis der Tochter der Erblasserin erging."
Allerdings wird teilweise vertreten, das Nachlassgericht sei an ein Anerkenntnisurteil nicht gebunden, weil dadurch mittelbar eine Einflussmöglichkeit der Beteiligten geschaffen werde, einen ihnen genehmen Erbschein zu erhalten (J. Mayer, a.a.O., Rn 38; Zimmermann, ZEV 2010, 457, 461). Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Auch wenn das Prozessgericht bei Anerkenntnis des Beklagten die Schlüssigkeit und Begründetheit der Klage nicht mehr zu prüfen hat, § 307 S. 1 ZPO (Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 307 Rn 3a), können die Parteien auch im streitigen Zivilverfahren...