Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 28
Das OLG Düsseldorf hat die Beweiserhebung und -würdigung bei vorgetragener und bestrittener Testierunfähigkeit eines Erblassers instruktiv dargestellt:
Zitat
"Die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei dem Erblasser (hier: zur Zeit der Errichtung der notariellen Testamente am 8.9.2009) gegeben waren, verlangt vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen (vgl. Hamm OLGZ 1989, 271; Frankfurt NJW-RR 1996, 1159; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl. 2013, § 2229 Rn 11). Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit (KG FamRZ 2000, 912), sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären (BayObLG FamRZ 2001, 55), wobei der Sachverständige anhand von Anknüpfungstatsachen den medizinischen Befund nicht nur festzustellen, sondern vor allem dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat (BayObLG FamRZ 2002, 1066; vgl. auch Senat, NJW-RR 2012, 1100)."
Rz. 29
Danach stellt sich der Ablauf der Beweiserhebung und -würdigung zusammengefasst wie folgt dar:
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Zunächst muss das Gericht die auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers anhand der von den Parteien angebotenen Beweismittel feststellen. |
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Danach ist zu prüfen, ob die so ermittelten Tatsachen bereits ausreichen, um Rückschlüsse auf eine Erkrankung ziehen oder um Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers zur Überzeugung des Gerichts ausräumen zu können. |
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Letzteres ist regelmäßig nicht der Fall, sodass das Gericht ein Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen einholen muss. Das Gutachten hat nicht nur den medizinischen Befund anhand der Anknüpfungstatsachen darzustellen, sondern explizit auch die Auswirkungen der Erkrankung auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers. |
Rz. 30
Die gerichtliche Beauftragung eines Sachverständigengutachtens setzt voraus, dass der zu begutachtende Sachverhalt zunächst ermittelt wird, § 404a Abs. 3 ZPO. Das Gericht hat die Anknüpfungstatsachen festzustellen und dem Sachverständigen als Grundlage seiner gutachterlichen Äußerung vorzugeben.
Rz. 31
Erste Auffälligkeiten können sich aus dem eröffneten Testament ergeben: Unleserliche Schrift, Verwendung einer auffallend großen Schrift, Schreibmaterial, verwendeter Untergrund, wunderliche Formulierungen etc.
Rz. 32
Oftmals werden auffällige Zusammentreffen des Erblassers mit Verwandten bzw. Freunden vorgetragen und diese Personen als Zeugen angeboten. Hat eine Partei Zugriff auf die Kranken- oder Betreuungsakte des Erblassers, kann auch diese dem Gericht vorgelegt werden. Anderenfalls kann auf ihre Beiziehung verwiesen werden.
Rz. 33
Auch der behandelnde Arzt kommt als sachverständiger Zeuge nach § 414 ZPO zum Nachweis von auffälligen Verhaltensweisen in Betracht. Ihm steht ggf. gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zu, wenn er nicht durch den Erblasser von der Schweigepflicht entbunden worden ist, § 385 Abs. 2 ZPO.
Umstände, die die Geschäftsfähigkeit des Erblassers betreffen, gehören zur ärztlichen Schweigepflicht und sind dem Arzt auch im weit zu fassenden Sinne "anvertraut" gem. § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Die ärztliche Schweigepflicht endet nicht mit dem Tode des Patienten (§ 203 Abs. 4 StGB), maßgebend bleibt die Entbindung von der Schweigepflicht, und zwar durch den Erblasser persönlich. Primär kommt es auf eine positive Willensäußerung des Erblassers zu Lebzeiten gegenüber dem Arzt oder Dritten an. In zweiter Linie, also wenn sich eine solche positive Äußerung nicht feststellen lässt, wird der mutmaßliche Wille des Patienten relevant und die Frage gestellt, ob er die Offenlegung durch den Arzt mutmaßlich gebilligt oder missbilligt hätte.
Die h.M. nimmt an, dass der Erblasser ein Interesse an der Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Verfügung von Todes wegen habe. Deshalb kann der Arzt als von der Schweigepflicht entbunden angesehen werden.
Bei Zweifeln über das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts kann darüber gem. § 387 ZPO durch Zwischenurteil entschieden werden; das Zwischenurteil kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, § 387 Abs. 3 ZPO, vgl. § 142 Abs. 2 S. 2 ZPO.
Rz. 34
Letztlich kann auch ein Notar als Zeuge angeboten werden, wenn dieser die letztwillige Verfügung des Erblassers beurkundet hat. Denn er soll nach § 28 BeurkG Feststellungen zur Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers treffen.
Auch der Notar unterliegt gem. § 18 Abs. 1 S. 1 BNotO der Verschwiegenheit. Da der Erblasser als Auftraggeber im Erbprätendentenprozess nicht mehr lebt, muss die Aufsichtsbehörde, der Präsident des Landgerichts, den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden, § 18 Abs. 1 S. 2 BNotO.
Der BGH führt hi...