Rz. 445
Da grundsätzlich davon auszugehen sein sollte, dass gemeinsame Kinder eines Ehepaares ein Interesse am Bestand einer sozial intakten Familie haben, kann die sogenannte Kinderschutzklausel des § 1568 Abs. 1 Alt. 1 BGB nur in seltenen Ausnahmefällen greifen. Das Interesse des Kindes muss sich auf das äußere Band der Ehe, also das Verheiratetsein der Eltern, beziehen.
Rz. 446
Ausnahmefälle liegen nicht vor, wenn es sich um Konfliktsituationen handelt, die regelmäßig im Zusammenhang mit der Scheidung auftreten. Also selbst der Fall, dass ein Ehegatte wegen der Scheidung dem anderen Ehegatten den Umgang mit den gemeinsamen Kindern behindert oder gar verweigert, reicht für das Eingreifen der Kinderschutzklausel nicht aus. Denn wenn man derartige Konflikte zwischen den Eltern ausreichen lassen würde, eine Scheidung zu verhindern, könnten nur Partner, die sich kooperativ und rücksichtsvoll zueinander verhalten, geschieden werden. Nur wenn schädliche Folgen für das Kindeswohl zu befürchten sind, beispielsweise ein Kind seelisch krank zu werden droht oder Selbstmordabsichten äußert, darf das Familiengericht ausnahmsweise die Scheidung der Ehegatten verweigern.
Rz. 447
Hinzu kommt, dass das Gericht die Kinderschutzklausel nur berücksichtigen darf, wenn sie von dem Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, vorgetragen worden ist, § 127 Abs. 3 FamFG. Es darf nicht von Amts wegen die Scheidung wegen Kindeswohlgefährdung verweigern. Aber es kann, sobald der Sachvortrag der Kindeswohlgefährdung erfolgt unter Umständen auch ohne Beweisantritt von Amts wegen ermitteln. In Fällen, in denen von dem Antragsgegner eine Kindeswohlgefährdung vorgetragen wurde und eine hierauf gerichtete Beweisaufnahme zu keinem eindeutigen Beweisergebnis geführt hat, entsteht eine Beweislast auf Seiten des scheidungswilligen Ehegatten. Dieser muss nun beweisen, dass keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Es widerspräche der Systematik im Familienrecht, der Kindeswohlgefährdung stets gesondert Rechnung zu tragen, wenn es möglich wäre, eine reine Beweislastentscheidung zu Lasten eines Kindes ergehen zu lassen.
Rz. 448
Hinweis
Das Gericht kann bei Eingreifen der Kinderschutzklausel die Scheidung der Ehe verweigern.
Die Kinderschutzklausel umfasst nur seltene Ausnahmefälle, die über die regelmäßig mit der Scheidung einhergehenden Konfliktsituationen, denen Kinder ausgesetzt sind, hinausgehen.
Für die Berücksichtigung der Kinderschutzklausel ist ein entsprechender Sachvortrag des Antragsgegners, also des Ehegatten, der die Scheidung ablehnt, notwendig. Das Gericht darf nicht von Amts wegen die Kinderschutzklausel in Erwägung ziehen.
Sobald allerdings entsprechender Vortrag vorhanden ist, kann das Gericht von Amts wegen ermitteln.
Eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Kinder ist nicht möglich. Statt dessen dreht sich in dem Fall, in dem das Gericht das Eingreifen der Kinderschutzklausel lediglich wegen der fehlenden Beweisbarkeit ablehnt, die Beweislast insofern um, als nun der scheidungswillige Ehegatte darlegen und beweisen muss, dass das Kindeswohl nicht gefährdet ist.