Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
Rz. 32
Nach § 28 BeurkG soll der Notar seine Wahrnehmungen über die Geschäftsfähigkeit des Erblassers in der Niederschrift vermerken. Daneben gilt § 11 BeurkG, wonach der Notar eine Beurkundung ablehnen soll, wenn einem der Beteiligten nach seiner Überzeugung die erforderliche Geschäftsfähigkeit fehlt. Der Notar darf bei der Beurkundung von Erklärungen eines Volljährigen im Grundsatz zwar davon ausgehen, dass der Beteiligte geschäftsfähig ist. Zu weiteren Nachforschungen ist der Notar aber verpflichtet, wenn er aufgrund des Verhaltens des Beteiligten oder wegen sonstiger Umstände Zweifel an dessen Geschäftsfähigkeit haben muss. Die Bestellung eines Betreuers hat nicht automatisch die Testierunfähigkeit zur Folge. Kann der Betreute testieren, bedarf es hierzu keiner Zustimmung seines Betreuers.
Bei schwerer Erkrankung, wozu nicht nur körperliche, sondern gerade auch psychische Erkrankungen zählen, ist der Notar in besonderem Umfang verpflichtet, die Geschäftsfähigkeit des Beteiligten zu prüfen.
Dieser Verpflichtung zur Feststellung der Geschäftsfähigkeit von schwer kranken Personen kann der Notar auch nicht dadurch entgehen, dass er es bereits an hinreichenden Ermittlungen dazu fehlen lässt, ob ein Beteiligter überhaupt schwer krank ist oder nicht. Der Notar muss deshalb zunächst durch geeignete Befragungen und Erörterungen ermitteln, ob eine Person schwer krank i.S.v. § 11 Abs. 2 BeurkG ist; ggf. kann es sich empfehlen, ein ärztliches Attest einzuholen.
Bestehen lediglich Zweifel an der Geschäftsfähigkeit, so soll der Notar dies in der Niederschrift vermerken. Dies kommt bei älteren oder bettlägerigen Erblassern nicht selten vor. Wenn der Erblasser schwer krank ist, so soll dies in der Niederschrift vermerkt und angegeben werden, welche Feststellungen der Notar über die Geschäftsfähigkeit getroffen hat, § 11 Abs. 2 BeurkG. Während in § 2229 BGB von "Testierfähigkeit" die Rede ist, spricht § 28 BeurkG von "Geschäftsfähigkeit" (zum Begriff der Testierfreiheit siehe § 9). Im Allgemeinen dürfte es genügen, dass sich der Notar von der Testierfähigkeit des Erblassers durch eine eingehende Unterhaltung, bei der er den Willen des Erblassers gemäß § 17 BeurkG zu erforschen hat, überzeugt. Da es sich bei § 28 BeurkG nur um eine Sollvorschrift handelt, hat die fehlende Feststellung über die Geschäftsfähigkeit/Testierfähigkeit des Erblassers keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Testaments. Bedeutsam ist die Feststellung sowohl in einem Erbscheinverfahren nach §§ 26, 30 FamFG als auch in einem Zivilprozess nach §§ 415 ff. ZPO. Diese Feststellungen sind im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO zu werten.
Rz. 33
BayObLG zur Testierunfähigkeit:
Zitat
"Nach § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Das Gesetz verbindet danach nicht mit jeder Geisteskrankheit oder -schwäche die Testierunfähigkeit, sondern sieht die Fähigkeit, die Bedeutung der letztwilligen Verfügung zu erkennen und sich bei seiner Entschließung von normalen Erwägungen leiten zu lassen, als maßgebend an. Eine geistige Erkrankung des Erblassers steht der Gültigkeit seiner letztwilligen Verfügung nicht entgegen, wenn diese mit der Erkrankung nicht in Verbindung steht, von ihr nicht beeinflusst ist … Aufgabe des zur Beurteilung der Testierfähigkeit hinzugezogenen psychiatrischen SV ist es daher nicht nur, den medizinischen Befund einer Geisteskrankheit oder -schwäche festzustellen, sondern vor allem deren Auswirkung auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers abzuklären … Entscheidend ist, ob die psychischen Funktionen des Auffassens, des Urteilens und des kritischen Stellungnehmens durch die Geisteskrankheit oder -schwäche so sehr beeinträchtigt sind, dass der Erblasser nicht mehr fähig ist, die Bedeutung seiner letztwilligen Verfügung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln … Der objektivierbare Befund einer Geisteskrankheit reicht … für sich allein nicht aus, um schon daraufhin den Erblasser für testierunfähig zu erklären. … Für die Beurteilung entscheidend ist nicht die Diagnose einer organischen Störung, sondern Grad und Ausmaß der nachweisbaren psychopathologischen Auffälligkeiten. Eine diagnostische Zuordnung allein genügt daher nicht; es kommt vielmehr auf Ausmaß und Intensität der psychischen Störung an."
Rz. 34
Testierunfähigkeit kann auch vorliegen, wenn paranoide Wahnvorstellungen eines Erblassers, die sich vor allem auf eine als (testamentarischer) Erbe in Betracht kommende Person beziehen, das freie Urteil darüber unmöglich machen, ob die Einsetzung anderer Personen als Erben sittlich gerechtfertigt ist.
Rz. 35
BayObLG:
Zitat
"Die Freiheit des Willensentschlusses des Testierenden beinhaltet seinem Sinn nach auch die insoweit erforderliche Unabhängigkeit des Erblassers von...