André Schah-Sedi, Dr. Michael Nugel
Rz. 78
Die Verjährung einer Ordnungswidrigkeit bestimmt sich gem. § 31 Abs. 2 OWiG nach der Höhe des angedrohten Bußgeldes. Gem. § 31 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 OWiG verjähren Ordnungswidrigkeiten, die mit einer Geldbuße von nicht mehr als 1.000 EUR bedroht sind, in 6 Monaten.
Gem. § 26 Abs. 3 StVG gilt jedoch für den Bereich der Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG, dass die Frist der Verfolgungsverjährung 3 Monate beträgt, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist; danach beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung 6 Monate.
Nach Erlass des Bußgeldbescheides beträgt die Verjährungsfrist gem. § 26 Abs. 3, Abs. 2 StVG 6 Monate. Die Verjährung wirkt hierbei unter der Voraussetzung, dass der Bußgeldbescheid innerhalb der Zweiwochenfrist wirksam zugestellt wird, auf den Erlasszeitpunkt zurück, vgl. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG.
Rz. 79
Der reine Wortlaut des § 26 Abs. 3 StVG stellt lediglich auf den Erlass des Bußgeldbescheides ab, nicht jedoch auf die wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides innerhalb der Zweiwochenfrist des § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG.
Nach Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber es jedoch versäumt, § 26 Abs. 3 Hs. 2 StVG i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG zu ändern.
Alkohol- und Drogenordnungswidrigkeiten gem. § 24a StVG sind in § 26 Abs. 3 StVG nicht genannt, so dass sich die Verjährung bei Alkohol- und Drogenordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG nach den allgemeinen Regeln des § 31 OWiG bestimmt.
Rz. 80
Da es sich bei der Verfolgungsverjährung um ein formell-rechtliches Verfahrenshindernis handelt, muss das Gericht im Falle der Verjährung das Verfahren einstellen.
Im Rahmen der Beurteilung der Verfolgungsverjährung sind die Unterbrechungstatbestände des § 33 Abs. 1 OWiG von Bedeutung.
§ 33 Abs. 1 Nr. 1–15 OWiG enthält eine Aufzählung von verschiedenen Unterbrechungshandlungen.
Gem. § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wird die Verfolgungsverjährung durch die erste Vernehmung des Betroffenen, die Bekanntgabe, dass gegen ihn das Ermittlungsverfahren eingeleitet ist oder die Anordnung dieser Vernehmung oder Bekanntgabe unterbrochen.
Die in § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG genannten Unterbrechungsmöglichkeiten können nur alternativ nicht kumulativ genutzt werden, mit der Folge, dass die Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG nur einmal unterbrochen werden kann.
Rz. 81
Erfolgt daher an dem Ort, an dem die Ordnungswidrigkeit begangen worden sein soll, z.B. im Rahmen eines Lasermessverfahrens eine mündlichen Anhörung des Betroffenen, so wird durch die spätere Versendung eines Anhörungsbogens durch die Behörde nicht erneut die Verjährung gem. § 33 OWiG unterbrochen.
Einige Behörden berücksichtigen dies im Rahmen der Fristenberechnung des § 26 Abs. 3 StVG nicht, so dass bereits eine Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Dies ist seitens des Verteidigers bezogen auf ein Ordnungswidrigkeitenverfahren zu beachten.
Keine verjährungsunterbrechende Wirkung i.S.d. § 33 OWiG hat zudem ein Anhörungsbogen, aus dem der Betroffene nicht eindeutig erkennen kann, dass er als Betroffener angehört werden soll. Einige Anhörungsbögen lassen nicht eindeutig erkennen, ob der Halter als Zeuge oder als Betroffener angehört werden soll.
Rz. 82
Die von einigen Ordnungswidrigkeitenbehörden versandten Anhörungsbogen erfüllen diese klare Kennzeichnung, dass der Betroffene als Betroffener und nicht als Zeuge angehört werden soll, nicht, so dass der Verteidiger in diesen Fällen genau prüfen muss, ob ein solcher Anhörungsbogen tatsächlich verjährungsunterbrechende Wirkung i.S.d. § 33 OWiG hat bzw. ob wegen der fehlenden Unterbrechung zwischenzeitlich Verfolgungsverjährung i.S.d. § 26 Abs. 3 StVG eingetreten ist.
Die Versendung eines Anhörungsbogens an eine GmbH, die Halter des Fahrzeuges ist, unterbricht die Verjährung gem. § 33 OWiG nicht, auch nicht gegenüber dem Geschäftsführer der GmbH.
Verjährungsunterbrechende Wirkung haben nur Maßnahmen, die sich gegen einen namentlichen bereits bekannten Betroffenen richten.
Gem. § 33 Abs. 4 S. 1 OWiG wirkt die Unterbrechung der Verjährung nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Handlung bezieht.
Weiterhin ist zu beachten, dass die Versendung des Anhörungsbogens bzw. bereits die Abverfügung des Anhörungsbogens durch die Behörde die Verjährung unterbricht.
Der Zugang des Anhörungsbogens ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verjährungsunterbrechung, so dass Verjährungsunterbrechung auch dann eintritt, wenn der Anhörungsbogen nicht zugegangen ist.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 10 OWiG wird die Verjährung nach Erlass des Bußgeldbescheides auch durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht unterbrochen.
Nach § 33 Abs. 1 Nr. 11 OWiG wird die Verjährung zudem durch jede Anberaumung einer Hauptverhandlung unterbrochen.
Der Rechtsanwalt sollte daher vor dem Hauptverhandlungstermin – in den Fällen, in denen der Erlass des Bußgeldbescheides schon längere Zeit zurückliegt – nochmals bei dem zuständigen Amtsgericht Akteneinsicht nehmen, um so überprüfen zu können, ...