Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 17
Die bestmöglich gestaltete letztwillige Verfügung verfehlt ihren Zweck, wenn sie nicht schnellstmöglich nach dem Erbfall aufgefunden wird. Die Auffindbarkeit ist gerade für den Testamentsvollstrecker essentiell, denn ohne Testament gibt es keine Testamentsvollstreckung.
Praxishinweise
Für den Umgang mit nicht bzw. nur teilweise auffindbaren Testamenten ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
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Wer sich auf ein unauffindbares Testament beruft, muss die formgültige Errichtung und den Inhalt des Testaments beweisen und trägt im Erbscheinverfahren insoweit die Feststellungslast; |
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ist nur ein Teil der Verfügungen des unauffindbaren Testamentes feststellbar, können sie Grundlage eines erbrechtlichen Anspruchs nur dann ausnahmsweise sein, wenn der Gesamtwille des Erblassers insoweit erkennbar ist, dass ohne Rücksicht auf den Inhalt und Umfang des nicht festgestellten Teils des Testamentes der feststellbare Teil Bestand haben soll und dieser Teil durch die Unbestimmtheit der nicht bekannten Verfügungen seinem Umfang nach nicht wesentlich berührt wird; |
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ist bewiesen, dass der Erblasser ein zwar nicht auffindbares, aber formgültiges Testament mit einem bestimmten Inhalt errichtet hat, trägt die Feststellungslast hinsichtlich einer späteren absichtlichen Vernichtung des Testaments als Widerruf gemäß § 2255 BGB derjenige, der sich auf die Ungültigkeit des Testaments zur Begründung seines Erbrechts beruft. |
I. Amtliche Verwahrung und zentrale Registrierung
Rz. 18
Vor einem Notar errichtete Testamente werden stets in die besondere amtliche Verwahrung gegeben. Auch eigenhändige bzw. privatschriftliche Testamente können in die besondere amtliche Verwahrung gegeben werden. Der Mitwirkung eines Notars oder Rechtsanwaltes bedarf es hierzu nicht. Die Verwahrung ist kostenpflichtig. Unabhängig vom Nachlasswert und der Verwahrungsdauer belaufen sich die Kosten auf 75 EUR, Nr. 12100 KV GNotKG.
Die amtliche Verwahrung erfolgt beim Nachlassgericht am Wohnort des Testierenden. Dort wird ein begehbarer Tresorraum vorgehalten, der Schutz vor Feuer und unbefugtem Zugriff bietet. Über die Verwahrung wird ein Hinterlegungsschein ausgestellt. Außerdem informiert das Nachlassgericht das Geburtsstandesamt des (künftigen) Erblassers automatisch über jedes bei ihm in die Verwahrung gegebene Testament. Das Geburtsstandesamt ist zeitlebens Anlaufstelle für alle wichtigen Informationen betreffend den Personenstand der in seinem Zuständigkeitsbereich geborenen Person. Auch nichteheliche Abkömmlinge werden dort vermerkt.
Rz. 19
Der Todesfall eines Menschen wird automatisch an sein Geburtsstandesamt gemeldet. Aufgrund der Information, die das Geburtsstandesamt von der Hinterlegung des Testamentes hat, wird die Nachricht vom Tod an das Nachlassgericht weitergeleitet, gemeinsam mit den Informationen über die Abkömmlinge oder sonstigen gesetzlichen Erben. Das hinterlegte Testament wird eröffnet.
Mit Wirkung zum 1.1.2012 wurde dieses Hinterlegungsverfahren durch ein modernes, EDV-gestütztes zentrales Testamentsregister abgelöst, das bei der Bundesnotarkammer geführt wird. Es enthält die Verwahrangaben zu sämtlichen erbfolgerelevanten Urkunden, die in amtliche Verwahrung gegeben werden, und zwar unabhängig davon, ob sie notariell oder eigenhändig errichtet wurden. Das zentrale Testamentsregister wird in jedem Sterbefall von Amts wegen auf vorhandene Testamente und andere erbfolgerelevante Urkunden geprüft. Es unterrichtet daraufhin das zuständige Nachlassgericht, ob und welche Verfügungen von Todes wegen zu eröffnen sind.
II. Rechtsfolgen der Testamentseröffnung
Rz. 20
An die Testamentseröffnung sind verschiedene Rechtsfolgen geknüpft. Mit Zugang des Testamentseröffnungsprotokolls beginnt für den Erben grundsätzlich die sechswöchige Frist zur Ausschlagung der Erbschaft, § 1944 Abs. 2 BGB. Gemäß § 7 ErbStDV ist das Erbschaftsteuerfinanzamt durch das Nachlassgericht über die Eröffnung des Testamentes zu unterrichten. Die Eröffnung eines Testamentes erfolgt in der Praxis dadurch, dass die letztwillige Verfügung aus dem verschlossenen Umschlag entnommen wird. Hierüber wird ein Protokoll erstellt. Auf das so eröffnete Testament wird durch das Gericht ein sogenannter Eröffnungsvermerk in Form eines Stempels mit einer Unterschrift gesetzt. Das Testament verbleibt sodann im Original bei den Nachlassakten. Die Beteiligten erhalten regelmäßig eine Kopie mit einer Ausfertigung des Eröffnungsprotokolls.
Praxishinweis
Anders als in vielen Kino- und Fernsehfilmen vermittelt, erfolgt die Testamentseröffnung regelmäßig nicht vor den Erben. Im Gegenteil: In der Rechtswirklichkeit werden sie aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht geladen, sondern nur abschriftlich unterrichtet.