Leitsatz
Die Erklärung einer Partei, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, ist unbeachtlich, wenn sich aus dem bisherigen Prozessstoff ergibt, dass eine Vorsteuerabzugsberechtigung bestehen muss und die erklärende Partei nicht weiter erläutert, wieso die Vorsteuerabzugsberechtigung im konkreten Fall ausgeschlossen sein soll. Das gilt insbesondere dann, wenn ein Anwalt in eigener betrieblicher Sache einen Rechtsstreit geführt hat und erklärt, zum Vorsteuerabzug nicht berechtigt zu sein.
OLG München, Beschl. v. 5.6.2008 – 11 W 1497/08
I. Der Fall
In einer betrieblichen Angelegenheit war der Anwalt verklagt worden. Er war in beiden Instanzen siegreich. Nach Abschluss der ersten Instanz hatte er bereits die ihm durch einen bevollmächtigten Anwalt entstandenen Kosten zur Festsetzung angemeldet und erklärt, zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. In seinem Festsetzungsantrag hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens erklärte er nunmehr, für diese Kosten nicht (mehr) zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, da er zwischenzeitlich seine berufliche Tätigkeit eingestellt habe. Das Gericht hat daraufhin die Umsatzsteuer mit festgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Unstreitig war, dass sich der Gegenstand des Rechtsstreits auf eine betriebliche Tätigkeit des Anwalts bezog. Dafür ist der Anwalt grundsätzlich zum Vorsteuerabzug berechtigt. Zutreffend hat er auch in der ersten Instanz erklärt, vorsteuerabzugberechtigt zu sein.
Offensichtlich unzutreffende Angaben zum Vorsteuerabzug sind unbeachtlich
Dass ein Anwalt seine betriebliche Tätigkeit einstellt, führt nicht dazu, dass er Rechnungen, die noch aus seiner betrieblichen Tätigkeit herrühren, steuerlich nicht geltend machen kann. Er kann vielmehr auch noch nach Beendigung seiner betrieblichen Tätigkeit den Vorsteuerabzug geltend machen. Daher ist eine gegenteilige Erklärung offensichtlich unzutreffend und folglich im Festsetzungsverfahren nicht zu berücksichtigen.
III. Der Praxistipp
Der Erstattungsschuldner kann sich gegen unzutreffende Festsetzung der Umsatzsteuer auch mit der Vollstreckungsgegenklage wehren
Die Entscheidung des OLG München ist insoweit bedenklich, als das Gesetz ausdrücklich vorgibt, bei Erklärung, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, müsse die Umsatzsteuer festgesetzt werden (§ 104 Abs. 2 S. 3 ZPO). Der betreffende Kostenerstattungsschuldner ist insoweit auch nicht rechtlos, da er gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss im Wege der Vollstreckungsgegenklage vorgehen kann (OLG Köln OLGR 2006, 169; OLG Düsseldorf AGS 2006, 202; OLG Schleswig OLGR 2003, 375 = NJW-RR 2004, 356). Er kann damit insbesondere geltend machen, dass tatsächlich eine Vorsteuerabzugsberechtigung bestanden habe. Eine Präklusion nach § 767 Abs. 2 ZPO greift in diesen Fällen nicht (AnwK-RVG/N. Schneider Nr. 7008 VV Rn 124).
Dagegen ist der Kostenerstattungsschuldner schutzlos, wenn die Umsatzsteuer im Kostenfestsetzungsverfahren zu Unrecht abgesetzt wird. Er hat keine Möglichkeit, dann noch nachzuliquidieren oder die Umsatzsteuer einzuklagen. Daher ist größte Zurückhaltung geboten, trotz Erklärung, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein, die Umsatzsteuer abzusetzen.
Bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die erstattungsberechtigte Partei tatsächlich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, sollte sie vorsorglich im Festsetzungsantrag genau erklären, weshalb entgegen des an sich gegebenen Anscheins keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug besteht.
Erklärung sorgfältig prüfen
Unabhängig davon ist eine Partei gut beraten, genau zu prüfen, ob sie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. Falsche Erklärungen können nicht nur kostenrechtliche, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen haben.