I. Mahnverfahren und streitiges Verfahren
Beispiel
Der Anwalt hatte für seinen Mandanten im April 2020 den Erlass eines Mahnbescheids über 7.500,00 EUR erwirkt. Der Antragsgegner hatte dagegen im Mai 2020 Widerspruch erhoben. Daraufhin wurde die Sache an das Landgericht abgegeben. Dort ist im September ein Vergleich geschlossen worden.
Maßgebend für die Höhe des Steuersatzes ist das Ende des jeweiligen Leistungszeitraums. Dieser Zeitpunkt ist wiederum identisch mit dem Eintritt der Fälligkeit nach § 8 Abs. 1 S. 1 RVG.
Mahnverfahren und streitiges Verfahren sind gesondert abzurechnen
Da es sich beim Mahnverfahren und dem nachfolgenden streitigen Verfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt (§ 17 Nr. 2 RVG), ist die Höhe des Umsatzsteuersatzes jeweils gesondert zu prüfen. Insoweit ist es unerheblich, ob man die Vertretung im Mahnverfahren und die Vertretung im streitigen Verfahren als eigene Leistungen ansieht oder als Teilleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG.
Die Vergütung im Mahnverfahren ist mit Erhebung des Widerspruchs fällig geworden. Daher ist die Vergütung des Mahnverfahrens mit 19 % zu versteuern. Die Vergütung im streitigen Verfahren ist dagegen erst im September 2020 fällig geworden, sodass hier 16 % gilt.
Abzurechnen ist daher wie folgt:
I. Mahnverfahren |
1. |
1,0-Verfahrensgebühr, Nr. 3305 VV |
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456,00 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
476,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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90,44 EUR |
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Gesamt |
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566,44 EUR |
II. Streitiges Verfahren |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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592,80 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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2. |
anzurechnen gem. Anm. zu Nr. 3305 VV, |
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– 456,00 EUR |
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1,0 aus 7.500,00 EUR |
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3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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547,20 EUR |
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(Streitwert: 7.500,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
704,00 EUR |
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5. |
16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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112,64 EUR |
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Gesamt |
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816,64 EUR |
II. Abrechnung bei Teilfälligkeiten
Beispiel
Der Anwalt hatte im April 2020 den Auftrag erhalten, eine Klage auf Zahlung von 7.500,00 EUR einzureichen. Der Beklagte hatte seine Verteidigungsbereitschaft nicht angezeigt, sodass auf Antrag des Klägers nach § 331 Abs. 3 ZPO ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren ergangen ist. Der Beklagte hatte daraufhin durch seinen Anwalt Einspruch eingelegt. Es kam zur mündlichen Verhandlung im August, auf die im September 2020 ein Urteil erging.
In gerichtlichen Verfahren kann es nach § 8 Abs. 1 S. 2 RVG – wie hier – zu Teilfälligkeiten im Rahmen einer einheitlichen Angelegenheit kommen. Da ein Versäumnisurteil eine Kostenentscheidung erhält, ist die bis dato angefallene Vergütung gem. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG fällig geworden. Der Anwalt konnte nach Erlass des Versäumnisurteils wie folgt abrechnen, und zwar mit 19 % Umsatzsteuer, da im April 2020 noch der Steuersatz von 19 % galt.
I. Abrechnung nach Versäumnisurteil |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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592,80 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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2. |
0,5-Terminsgebühr, Nrn. 3104, 3105 VV |
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228,00 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
840,80 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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159,75 EUR |
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Gesamt |
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1.000,55 EUR |
Schlussrechnung einheitlich mit 16 % Umsatzsteuer
Da die Tätigkeit bis zum Erlass des Versäumnisurteils keine eigenständige Leistung oder Teilleistung i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1a S. 2 UStG darstellt, sondern insoweit lediglich eine vorzeitige Teilfälligkeit eintritt, folgt daraus, dass das gesamte Mandat einheitlich mit 16 % zu versteuern ist. Im Rahmen der Abrechnung müssen jetzt die 3 % Umsatzsteuer (Differenz zwischen 19 % und 16 %) dem Mandanten gutgeschrieben werden. Die Schlussabrechnung sieht daher so aus:
II. Schlussrechnung |
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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592,80 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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547,20 EUR |
|
(Wert: 7.500,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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456,00 EUR |
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(Wert: 7.500,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.616,00 EUR |
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5. |
16 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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258,56 EUR |
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Gesamt |
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1.874,56 EUR |
6. |
abzgl. gezahlter netto |
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– 840,84 EUR |
7. |
abzgl. gezahlter 19 % Umsatzsteuer |
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– 159,75 EUR |
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Restbetrag |
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874,01 EUR |
III. Beendigung durch Klagerücknahme
Beispiel
Der Kläger hatte im April 2020 eine Klage eingereicht und im Juni 2020 wieder zurückgenommen. Auf Antrag des Beklagten ist im August 2020 der Kostenbeschluss ergangen, wonach dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt worden sind.
Zeitpunkt der Klagerücknahme ist entscheidend
Die Angelegenheit ist bereits mit Klagerücknahme erledigt. Der anschließende Kostenantrag und die Kostenentscheidung sind insoweit unbeachtlich. Abzurechnen ist daher noch mit 19 % Umsatzsteuer.
Die Fälligkeit des Vergütungsanspruches des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren wird bereits mit der den Rechtszug beendenden Rücknahme eines Rechtsmittels ausgelöst, auch wenn anschließend noch eine Kostenentscheidung ergeht.
LG Bonn, Urt. v. 31.5.1990 – 8 S 520/89, AnwBl. 1992, 239
AG...