1. Verfahrenswert eines einstweiligen Anordnungsverfahrens auf Unterhalt
Im Gegensatz zu den Vorgängervorschriften des GKG und des RVG enthält das FamGKG keine besonderen Wertvorschriften für einstweilige Anordnungsverfahren. Das bedeutet, dass zunächst einmal der Hauptsachewert zu ermitteln ist. Hiernach ist dann gem. § 41 S. 1 FamGKG zu prüfen, ob die einstweilige Anordnung gegenüber der Hauptsache eine geringere Bedeutung hat. Sofern dies der Fall ist, ist der Hauptsachewert zu ermäßigen. Ergeben sich insoweit keine Anhaltspunkte, ist der hälftige Wert anzusetzen (§ 41 S. 2 FamGKG)
Die Frage, ob bei einstweiligen Anordnungen auf Unterhalt eine geringere Bedeutung vorliegt, ist umstritten. Nach zutreffender Auffassung ist grds. der volle Hauptsachewert anzusetzen, da eine einstweilige Anordnung hinsichtlich der begehrten Unterhaltszahlungen faktisch zu einer endgültigen Regelung führt (OLG Düsseldorf AGS 2010, 105 = NJW 2010, 1385 = JurBüro 2010, 305 = FPR 2010, 363 = NJW-Spezial 2010, 220 = RVGreport 2010, 158 = FuR 2010, 475; AG Lahnstein AGS 2010, 264 = NJW-Spezial 2010, 412).
Die ganz h.M. geht allerdings auch bei einstweiligen Anordnungen auf Unterhalt davon aus, dass nur der hälftige Wert anzusetzen sei (OLG Oldenburg MDR 2022, 1414 = JurBüro 2022, 526 = FamRZ 2023, 74 = NJW-Spezial 2022, 669 = AGS 2022, 472; OLG Celle FamRZ 2011, 757; OLG Celle, Beschl. v. 5.12.2011 – 10 WF 342/11; OLG Bamberg, Beschl. v. 7.11.2011 – 2 WF 300/11; OLG München AGS 2011, 306 = NJW-Spezial 2011, 476; OLG Köln AGS 2010, 618 = FamRZ 2011, 758 = FamFR 2011, 15; OLG Stuttgart AGS 2010, 617 m. Anm. N. Schneider = FamRZ 2011, 757 = RVGreport 2011, 76 = FamFR 2011, 16; OLG Saarbrücken FPR 2010, 364 = FamRZ 2010, 1936 = RVGreport 2010, 159). Dieser Auffassung folgt das OLG Köln.
2. Fällige Beträge
Unabhängig von der vorstehenden Streitfrage ist es aber einhellige Auffassung, dass auch bei einstweiligen Anordnungsverfahren die bei Einreichung fälligen Beträge hinzuzurechnen sind (OLG Oldenburg MDR 2022, 1414 = JurBüro 2022, 526 = FamRZ 2023, 74 = NJW-Spezial 2022, 669 = AGS 2022, 472; OLG München AGS 2011, 306 = NJW-Spezial 2011, 476; OLG Köln AGS 2010, 618 = FamRZ 2011, 758 = RVGreport 2011, 114 = FamFR 2011, 15; OLG Köln AGS 2015, 422 = FamRZ 2016, 655 = NJW-Spezial 2015, 636; OLG Bamberg AGS 2011, 454 = RVGreport 2011, 271; so auch schon zum früheren Recht (damals allerdings voller Betrag): AG Siegburg BRAGOreport 2003, 245 m. Anm. N. Schneider; OLG Köln AGS 2004, 164 m. Anm. N. Schneider).
Soweit man von einer Ermäßigung des Verfahrenswerts ausgeht (s.o.), ist dann der entsprechende ermäßigte fällige Betrag anzusetzen.
Weshalb das FamG trotz Hinweises und Beschwerdebegründung nicht in der Lage war, die fälligen Beträge zu berücksichtigen, ist nicht nachzuvollziehen. Es ist leider in der Praxis so, dass hier eine gewisse Ignoranz der Familienrichter festzustellen ist, die sich strikt weigern, diese Regelung zur Kenntnis zu nehmen. Es bedarf dann stets – wie hier – einer Beschwerde, die dann den Wert abändert. Solche Beschwerdeverfahren sind völlig überflüssig und binden nur die ohnehin knappen Ressourcen der deutschen Justiz.
Praxistipp
Bei einstweiligen Anordnungsverfahren sollte stets darauf geachtet werden, ob die fälligen Beträge berücksichtigt sind. In der Praxis wird dies – wie hier – in der Regel übersehen.
3. Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts
In zahlreichen Fällen setzen Gerichte einen Wert für einen Vergleich fest, obwohl es einen solchen Wert gar nicht gibt. Hier fehlt es bei vielen Richtern an den Grundkenntnissen des Streitwertrechts.
Der Streitwert für einen Vergleich ist nur dann festzusetzen, wenn aus dem Vergleich eine Gebühr erhoben wird.
Soweit sich die Parteien über anhängige Gegenstände einigen, entsteht aus dem Wert des Vergleichs keine Gebühr, weil der Vergleich bereits durch die Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen mit abgegolten ist. Eine Vergleichsgebühr wird bei Gericht nur erhoben, wenn die Beteiligten sich über nicht anhängige Gegenstände einigen (hier Nr. 1500 FamGKG KV; in Zivilsachen Nr. 1900 GKG KV).
Wenn aber die gerichtliche Vergleichsgebühr nur aus dem Wert der nicht anhängigen Gegenstände anfällt, dann darf auch nur ein Wert festgesetzt werden, wenn nicht anhängige Gegenstände in einem Vergleich geregelt werden. Die Wertfestsetzung darf dann sich auch nur auf die nicht anhängigen Gegenstände beschränken. Die Festsetzung eines Gesamtwertes für den Vergleich oder eines Wertes einschließlich des Mehrvergleichs ist unbehelflich und unsinnig. Der Kostenbeamte, der später die Gerichtsgebühr zu berechnen hat, kann dann nicht erkennen, welcher Anteil auf nicht anhängige Gegenstände entfällt und damit die Vergleichsgebühr auslöst.
Nach § 55 FamGKG (in Zivilsachen § 63 GKG) hat das Gericht den Wert für die zu erhebenden Wertgebühren festzusetzen. Im Falle eines Mehrvergleichs ist also der Wert des Mehrvergleichs festzusetzen, der diese Vergleichsgebühr auslöst.
4. Hauptsachewert
Das OLG hat auch zu Recht den...