§§ 5, 10 RVG; Vorbem. 7 Abs. 1 VV RVG; §§ 670, 675 BGB; § 91 ZPO
Leitsatz
Beauftragt der Hauptbevollmächtigte den Terminsvertreter im eigenen Namen (entsteht die Vertragsbeziehung also nicht zwischen Partei und Terminsvertreter), kann der Hauptbevollmächtigte die von ihm dem Terminsvertreter geschuldete Vergütung gegenüber dem Mandanten nicht als "Auslage" i.S.v. Vorbem. 7 Abs. 1 VV i.V.m. §§ 675, 670 ff. BGB geltend machen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.7.2011 – IV ZB 8/11, AGS 2011, 568 = zfs 2011, 582 m. Anm. Hansens = RVGreport 2011, 389 [Hansens]; OLG Koblenz, Beschl. v. 25.7.2012 – 14 W 400/12, AGS 2013, 150 – "Wer die Musik bestellt, bezahlt").
OLG München, Beschl. v. 12.8.2022 – 11 W 467/22
I. Sachverhalt
Der in München ansässige Kläger hatte gegen die Beklagte Ansprüche aus einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Abgasskandal" geltend gemacht. Für seine Prozessvertretung vor dem LG München I beauftragte der Kläger eine Rechtsanwaltskanzlei in Düsseldorf. In der mündlichen Verhandlung sowohl vor dem LG München I als auch in der Berufungsinstanz vor dem OLG München trat für den Kläger mit Terminsvollmacht jeweils ein anderer Rechtsanwalt auf.
Der Kläger obsiegte in beiden Instanzen und machte in seinem Kostenfestsetzungsantrag sowohl für die erste als auch für die zweite Instanz für die Tätigkeit der Düsseldorfer Rechtsanwaltskanzlei je eine Verfahrensgebühr und eine Terminsgebühr nebst Auslagen geltend. Außerdem beantragte er für das erstinstanzliche Verfahren die Festsetzung der von den Hauptbevollmächtigten dem jeweiligen Terminsvertreter gezahlten Vergütung i.H.v. 200,00 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer und für die Berufungsinstanz i.H.v. 220,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer als Auslage nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV i.V.m. §§ 675, 670 BGB. Hierzu legte der Kläger die Rechnungen der beiden Terminsvertreter vor, die als Rechnungsempfänger unter Hinweis auf eine Honorarvereinbarung die Prozessbevollmächtigten des Klägers aufwiesen.
Der Rechtspfleger des LG München setzte die vom Kläger für die Tätigkeit der Düsseldorfer Prozessbevollmächtigten angesetzten Gebühren und Auslagen fest, lehnte hingegen die Festsetzung der für die Terminsvertreter geltend gemachte Vergütung ab. Dies hat der Rechtspfleger damit begründet, die Terminsvertreter seien als Erfüllungsgehilfen der Hauptbevollmächtigten aufgetreten. Die hierfür angefallene Vergütung sei mit der Terminsgebühr abgedeckt. Folglich seien weder fiktive Reisekosten der Hauptbevollmächtigten noch die Vergütung der Terminsvertreter festsetzungsfähig.
Mit seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat sich der Kläger gegen die Absetzung der Vergütung für die Terminsvertreter gewandt. Er hat zunächst die Auffassung vertreten, dass die Hinzuziehung des Hauptbevollmächtigten als auswärtiger Rechtsanwalt notwendig gewesen sei. Folglich wären für die Terminswahrnehmung durch die Düsseldorfer Prozessbevollmächtigten fiktive Reisekosten i.H.v. 436,60 EUR pro Termin entstanden (Fahrtkosten 2 x 611 km x 0,30 EUR/km + 70,00 EUR Abwesenheitsgeld). Selbst wenn die Hinzuziehung der auswärtigen Prozessbevollmächtigten nicht notwendig gewesen sei, wären fiktive Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im jeweiligen Gerichtsbezirk in Ansatz zu bringen. Für das erstinstanzliche Verfahren hat der Kläger 49,00 EUR (2 x 40 km x 0,30 EUR/km + 25,00 EUR Abwesenheitsgelt) und für das Berufungsverfahren 181,00 EUR (2 x 235 km x 0,30 EUR/km + 40,00 EUR Abwesenheitsgelt) angesetzt. Ferner hat der Kläger vorgetragen, seine Düsseldorfer Prozessbevollmächtigten hätten die Rechnungen der beiden Terminsvertreter bezahlt und ihm – dem Kläger – als Auftraggeber in Rechnung gestellt.
Der Rechtspfleger des LG München I hat der sofortigen Beschwerde des Klägers nicht abgeholfen und die Akten dem OLG München als Beschwerdegericht vorgelegt. Das OLG München hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
II. Notwendigkeit der Hinzuziehung der Düsseldorfer Prozessbevollmächtigten
Zunächst hat das OLG München festgestellt, der Kläger habe nicht hinreichend dargetan, dass die Hinzuziehung der Düsseldorfer Rechtsanwälte als Prozessbevollmächtigte, somit Rechtsanwälte am dritten Ort, notwendig gewesen wäre. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist (sog. Rechtsanwalt am dritten Ort), sind nach der Rspr. des BGH regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (BGH BRAGOreport 2004, 155 [Hansens] = NJW-RR 2004, 855, 856; BGH AGS 2004, 260 = zfs 2004, 473). Wenn die Partei – wie hier – ihren Wohnsitz am Gerichtsort hat – so fährt das OLG München fort – hätte dies zur Folge, dass die tatsächlich entstandenen Reisekosten bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines Anwalts erstattungsfähig wären, der an dem vom Gerichtsgebäude am weitesten entfernte Ort innerhalb des Gerichtsbezirks ansässig ist (BGH AGS 2019, 251 = RVGreport 2019, 106 [Hansens]).
Letztlich hat das OLG München die Frage der Notwendigkeit der Einschaltung der Düsseldorfer Anwalt...