Dr. Julia Bettina Onderka
Die Entscheidung beginnt mit Ausführungen zu den Folgen einer einseitigen Erledigungserklärung. Nach Ansicht des BGH reduziert eine solche den Gegenstandswert auf die bisher angefallenen Kosten. Dies ist m.E. bedenklich, denn gerade bei einer einseitigen Erledigungserklärung des Klägers streiten die Parteien nicht unbedingt nur noch über die Frage, wer die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Vielmehr kann der Streit – wenn nämlich der Beklagte der einseitigen Erledigungserklärung nicht zustimmt – sich auch darum drehen, ob die Klage vor Abgabe der Erledigungserklärung zulässig und begründet war. Damit geht es nicht nur um die Kosten, sondern auch um eine Entscheidung in der Hauptsache – der vom OLG München vorgenommene Wertabschlag von 50 % erscheint aufgrund des bloßen Feststellungsurteils durchaus gerechtfertigt. Der BGH hat allerdings diese Ansicht (Reduzierung des Gegenstandswertes auf den Betrag der bisher angefallenen Kosten) immer schon vertreten (vgl. BGH NJW-RR 1996, 1210) und im vorliegenden Fall keinen Anlass gesehen, diese langjährige Rspr. in Frage zu stellen. Dies ist allerdings gar nicht der Hauptkritikpunkt an der vorliegenden Entscheidung. Übernimmt man nämlich einmal den Standpunkt des BGH, so kann man den nachfolgenden Ausführungen durchaus zustimmen: Eine Streitwertreduzierung tritt nicht schon bei Vorliegen eines erledigenden Ereignisses (z.B. Zahlung des Beklagten), sondern erst dann ein, wenn der Kläger im Wege einer einseitigen Prozesshandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Denn andernfalls könnte der Beklagte durch die von ihm bewirkte Erfüllung der Klageforderung über den Streitwert disponieren, was schon aus dem Grunde ausgeschlossen ist, dass dieser vom Antrag des Klägers bestimmt wird. Aus diesen Erwägungen zieht der BGH den – zutreffenden – Schluss, dass bis zum Zeitpunkt der Erledigungserklärung des Klägers der Streitwert der Hauptsache für die Gebührenberechnung des Anwalts maßgeblich bleibt.
Gibt der Kläger diese Erklärung erst im Termin zur mündlichen Verhandlung ab, so hat dies – auch dies legt der Senat völlig zutreffend dar – keinen Einfluss auf die Terminsgebühr seines Anwalts. Denn diese Gebühr ist bereits entstanden, als der Anwalt bei Aufruf der Sache vertretungsbereit anwesend war, und in diesem Zeitpunkt gab es noch keine Erledigungserklärung. Die einmal aus dem vollen Hauptsachewert entstandene Terminsgebühr konnte auch nicht durch die nachträgliche Verringerung des Gegenstandswertes beeinflusst werden.
So weit, so gut, mag man meinen. Allerdings war dieses Ergebnis offenkundig nicht i.S.d. Senats – eine volle Terminsgebühr aus dem Hauptsachestreitwert für den Anwalt, obwohl es doch eigentlich um nichts mehr ging. Da aber keine Vorschrift des RVG oder der ZPO helfen konnte, griff man nun zur Allzweckwaffe für "gerechte Entscheidungen", dem Gebot von Treu und Glauben. Die Anwendung dieses Grundsatzes nimmt im vorliegenden Fall allerdings recht bizarre Auswüchse an: Die Beklagte, der Ende Juli Klage und Terminsladung zugestellt bekommt, darf bis zum 8.9. – sage und schreibe fünf Wochen – über diesen Schriftstücken brüten, bis sie sich dann doch entschließt, der Klageforderung vollumfänglich nachzukommen (die im Ergebnis nur teilweise Erledigung des geltend gemachten Betrages beruht schlicht darauf, dass sie nicht in der Lage war, die Zinsforderung richtig zu berechnen). Nachdem dann die Nachricht der Zahlung am Abend des 8.9. bei Gericht und beim Kläger eingeht, wird von diesem nun verlangt, binnen 24 Stunden einen anwaltlichen Schriftsatz mit einer entsprechenden Erledigungserklärung ans Gericht zu schicken – ob der Kläger überhaupt bereits am 9.9.die Bestätigung seiner Bank über den Zahlungseingang hatte, lässt sich den Beschlussgründen zumindest nicht zweifelsfrei entnehmen. Dem Kläger bei einem solchen Geschehensablauf ein treuwidriges Verhalten vorzuwerfen, wenn er nicht – quasi auf Zuruf der Beklagten – bestimmte prozessuale Erklärungen abgibt, um deren Kostenlast zu mindern, mutet doch reichlich überzogen an. Die Beklagte hatte es immerhin selbst in der Hand, durch frühzeitige Zahlung der Klageforderung den Gegenstandswert entsprechend zu reduzieren, was aber in der vorliegenden Entscheidung nicht problematisiert wird. Der Senat macht auch keine Ausführungen dazu, ab welchem Zeitpunkt ein fehlender Erledigungsschriftsatz des Klägers nicht mehr treuwidrig gewesen wäre. Angesichts der modernen Kommunikationsmittel dürften aber nur noch Zahlungen unmittelbar vor Beginn des Termins darunter fallen.
Die dann folgende Bezugnahme auf § 40 GKG ist nur noch ein untauglicher Versuch, dem Treu- und-Glauben-Ergebnis das Mäntelchen der Gesetzeskonformität umzulegen. Natürlich bestimmt § 23 RVG, dass sich der Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren in gerichtlichen Verfahren nach den Vorschriften des GKG richtet und natürlich ist damit auch § 40 GKG anwendbar. Was aber hat das mit dem vorliegenden Fall zu tun? In § 40 GKG heißt es schlicht und einfa...