Leitsatz
Die Einigungsgebühr für den Gegenstand eines sogenannten Mehrvergleichs beträgt auch dann gem. Nr. 1000 VV 1,5, wenn Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich beantragt ist und das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus am Zustandekommen des Mehrvergleichs mitgewirkt hat (a.A. die h.M.). Denn der Antrag ist auch in diesem Fall lediglich auf Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Mehrvergleichs gerichtet (Rückausnahme der Anm. Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1003 VV).
LAG Düsseldorf, Beschl. v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer begehrt im Rahmen der Abrechnung seiner Prozesskostenhilfegebühren die Festsetzung einer Einigungsgebühr für den Mehrwert eines Vergleichs in Höhe von 1,5.
Die Parteien schlossen im 2. Rechtszug ihres Kündigungsrechtsstreits im Termin am 31.7.2014 "nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage auf Vorschlag des Vorsitzenden" einen gerichtlich protokollierten Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung geendet hat sowie Abwicklungsmodalitäten, eine Abfindungszahlung und eine Ausgleichsklausel vereinbart wurden. Im Anschluss an die Genehmigung des Vergleichs und noch in der mündlichen Verhandlung beantragte der Kläger, die bereits zuvor für diesen Rechtszug "erteilte Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrvergleich zu erstrecken". Das Landesarbeitsgericht bewilligte daraufhin unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten die Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich und setzte anschließend den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 4.800,00 EUR und für den Vergleich auf 6.000,00 EUR fest.
Mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag v. 31.7.2014 beantragte der Klägervertreter für den Mehrwert des Vergleichs von 1.200,00 EUR die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV mit dem Faktor 1,5. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts setzte lediglich eine Einigungsgebühr i.H.v. 1,0 gem. Nr. 1003 VV an und führte zur Begründung aus, eine Gebührenreduzierung nach Nr. 1003 VV finde immer schon dann statt, wenn der Mehrvergleich Gegenstand der gerichtlichen Erörterung gewesen ist, sodass das Gericht nicht mehr allein als Beurkundungsorgan für einen außergerichtlich erreichten Vergleich in Anspruch genommen wird. Der hiergegen eingelegten Erinnerung hat er nicht abgeholfen und sie dem Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle war die Einigungsgebühr für den Mehrvergleich nach Nr. 1000 VV mit dem Faktor 1,5 anzusetzen.
Nach Nr. 1000 VV beträgt die Einigungsgebühr grundsätzlich 1,5. Die erhöhte Gebühr soll einen Anreiz zur Vermeidung streitiger Entscheidungen setzen und damit zur Entlastung der Gerichte beitragen. Nach Nr. 1003 VV ermäßigt sich die Gebühr auf 1,0, wenn über den Gegenstand der Einigung ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Dies gilt nach Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1003 VV unter anderem auch, wenn in Bezug auf den Gegenstand ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für die gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs beantragt wird.
Die Voraussetzungen für die Ermäßigung nach Nr. 1003 VV liegen nicht vor. Als gerichtliches Verfahren über den Gegenstand des Mehrvergleichs kommt hier von vornherein nur das Verfahren über die beantragte Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich in Betracht. An einem solchen Verfahren könnte es schon deshalb fehlen, weil im Zeitpunkt der Verwirklichung des Gebührentatbestands, also bei Genehmigung des Vergleichs durch die Prozessbevollmächtigten, der Antrag auf Erstreckung der Prozesskostenhilfe noch nicht gestellt war. Die Frage kann aber offenbleiben. Selbst wenn der Antrag auf Erstreckung von Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich als bereits in dem ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrag des Klägers "stillschweigend" enthalten anzusehen (vgl. etwa BAG, Beschl. v. 16.2.2012 – 3 AZB 34/11, NZA 2012, 1390; BAG, Beschl. v. 30.4.2014 – 10 AZB 13/14, NZA-RR 2014, 382) und er damit bei Genehmigung des Vergleichs als bereits "anhängig" i.S.d. Nr. 1003 VV einzuordnen wäre, wäre der Ermäßigungstatbestand der Nr. 1003 VV nicht erfüllt. Denn ein solcher Antrag ist ungeachtet einer etwaigen Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen des Vergleichs lediglich auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Protokollierung des Vergleichs gerichtet und fällt somit unter die Rückausnahme des Abs. 1 der Anm. zu Nr. 1003 VV.
Nach ganz überwiegend vertretener Auffassung soll eine lediglich für die gerichtliche Protokollierung des Vergleichs beantragte Prozesskostenhilfe nicht gegeben sein, wenn das Gericht über die bloße Protokollierung hinaus auf irgendeine Weise an dem Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt hat (vgl. etwa LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 7.9.2010 – 5 Ta 132/10; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 18.11.2011 – 1 Ta 191/11; LAG München, Beschl. v. 11.7.2012 – 10 Ta 34/12; Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. Nr...